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In Harmonie mit Tradition und Fortschritt

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Das Münchener Kammerorchester setzt Maßstäbe
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Den Spannungsbogen vom Barock bis zur zeitgenössischen Musik zu halten, sich jeglicher Spezialisierung zu widersetzen, ist beim Münchener Kammerorchester Programm. Dahinter steht die Überzeugung Christoph Poppens, dass Musik unterschiedlicher Zeiten und Stile sich gegenseitig ergänzt, dass man Bartok besser verstehe, wenn man auch Bach gut spielen kann und umgekehrt, oder, dass man Beethoven besser spiele, wenn man Rihm kennt. Auch das Publikum nehme Musik leichter auf, „höre anders“, erkenne ein Gesamtbild, wenn diese Konfrontation von Neuem mit Vertrautem zum Prinzip wird. In dieser Saison beispielsweise steht Bach im Mittelpunkt der Programme; Bach kombiniert mit Schnittke, Pärt, Eliasson oder Nordgren. Die Spielzeit 2000/2001 hat drei Schwerpunkte: So wird Beethoven französischen Komponisten nach 1900 wie Debussy, Ravel oder Martin sowie zeitgenössischen Werken, auch asiatischer Tonkünstler, gegenübergestellt.

50 Jahre Münchener Kammerorchester, fünf Jahre seit dem Wechsel von Hans Stadlmair zu Christoph Poppen als künstlerischem Leiter: Das Münchener Kammerorchester erhält den diesjährigen Musikpreis der Stadt München und setzt mit seiner Programmpolitik Maßstäbe, die in München, in Deutschland, aber auch im internationalen Gewässer des Musikgeschäftes ihresgleichen suchen. Den Spannungsbogen vom Barock bis zur zeitgenössischen Musik zu halten, sich jeglicher Spezialisierung zu widersetzen, ist beim Münchener Kammerorchester Programm. Dahinter steht die Überzeugung Christoph Poppens, dass Musik unterschiedlicher Zeiten und Stile sich gegenseitig ergänzt, dass man Bartok besser verstehe, wenn man auch Bach gut spielen kann und umgekehrt, oder, dass man Beethoven besser spiele, wenn man Rihm kennt. Auch das Publikum nehme Musik leichter auf, „höre anders“, erkenne ein Gesamtbild, wenn diese Konfrontation von Neuem mit Vertrautem zum Prinzip wird. In dieser Saison beispielsweise steht Bach im Mittelpunkt der Programme; Bach kombiniert mit Schnittke, Pärt, Eliasson oder Nordgren. Die Spielzeit 2000/2001 hat drei Schwerpunkte: So wird Beethoven französischen Komponisten nach 1900 wie Debussy, Ravel oder Martin sowie zeitgenössischen Werken, auch asiatischer Tonkünstler, gegenübergestellt. class="bild">Münchner Kammerorchester / Foto: Erika Fernschild (c) 2000

Das Münchner Publikum reagiert positiv auf die Programme, ist sympathisch gemischt und hat sich verjüngt. Die Programmpolitik und die Zusammenarbeit mit zum Teil noch jungen Solisten, die Mischung aus Intellekt und Emotion, inhaltliche Brechungen und Ergänzungen zeugen von lebendigem Denken, worauf junge Menschen unvoreingenommen gut ansprechen. In den angelsächsischen Ländern, besonders in Großbritannien vielerprobtes Audience Development – jenseits der Programmgestaltung – wird vom Münchener Kammerorchester bisher nicht systematisch betrieben. Neben Kinderkonzerten sowie ausgesprochen günstigen Jugend- und Studentenabonnements plant das Münchener Kammerorchester, in Zukunft vermehrt Jugendliche anzusprechen über Wettbewerbe oder Jugendabonnements samt dramaturgischer Betreuung an Schulen und anderen Orten. Auch hier zeigt ein Blick über den Ärmelkanal, dass in Audience Development und Education Projects noch ein großes Potenzial liegt, inhaltlich sowie finanziell (an Education Projects gebundene Mittel des britischen Arts Council und private Mittel von Sponsoren und Gönnern).

Soweit zu Inhalten und Programmen. Wie jedoch sehen die Strukturen dahinter, die Finanzen, die Zusammensetzung der Musiker, das Management aus?

Der juristische Träger des Münchener Kammerorchesters ist ein eingetragener Verein mit einem Vereinsvorstand, der beispielsweise ohne Mitsprache des Orchesters Entscheidungen wie die Berufung Christoph Poppens zum künstlerischen Leiter trifft, dessen Bestreben jedoch seit der Übernahme der künstlerischen Leitung ein verstärktes Mitspracherecht der Musiker ist, auch wenn die bisherige Konstruktion von Harmonie getragen zu sein scheint. Das zweite, allerdings nicht-juristische Organ des Münchener Kammerorchesters, das auch auf Anregung Hans Werner Henzes entstand, ist ein künstlerischer Beirat, bestehend aus Hans-Jürgen von Bose, Heinz Holliger und Mario Venzago, die im Sinne des Wortes in künstlerisch-programmatischen Dingen beratend zur Seite stehen.

Die Musiker: Fest angestellt sind nur die Streicher, mit 19 Stellen verteilt auf 22 Personen. Alle anderen Positionen werden nach Bedarf mit Aushilfen besetzt. Die Vergütung erfolgt bisher vergleichbar des Orchestertarifsystems (TKV B). Mit gleicher Tarifklasse arbeiten viele Orchester von Aachen über Detmold, Freiburg bis Zwickau. Die Anzahl der Dienste beim Münchener Kammerorchester liegt jedoch weit höher.

Das Problem für das Münchener Kammerorchester ist, dass es künstlerisch nicht unbedingt vergleichbare Orchester mit gleicher oder besserer Bezahlung gibt. Der Idealismus ist bei den Musikern des Münchener Kammerorchesters groß und bisher weitgehend ungebrochen. Langfristig ist jedoch auch eine finanzielle Attraktivität notwendig, um in diesem Markt wettbewerbsfähig bleiben zu können. Enthusiasmus für Programme und Personen, die Identität Kammerorchester, bei der im Idealfall, der Kammermusik vergleichbar, jeder gleichberechtigter Entscheidungsträger sein könnte – auch diese Motivation reicht ohne finanzielle Anreize langfristig nicht aus. Die dringlich angestrebte Angleichung der Musikergehälter an A-Orchester steht noch aus.

Die Finanzierung steht auf drei Beinen: Stadt und Staat geben rund 2,3 Millionen Mark. Der Anteil an Drittmitteln (von Sponsoring bis mäzenatischen Gaben) am Gesamtbudget liegt noch unter zehn Prozent. Bemerkenswert hoch ist der Anteil an Selbsteinnahmen mit über 40 Prozent am Gesamtbudget aus den rund 70 Konzerten und Gastspielen sowie aus drei bis vier CD-Produktionen pro Jahr.

Das Management ist mit sechs Personen relativ dünn besetzt: Geschäftsführung, persönlicher Referent der Geschäftsführung, Orchesterbüro, Sekretariat, Abonnementbüro und Öffentlichkeitsarbeit sowie eine Person für Personalfragen. Für die künstlerische Arbeit bleibt so ein Anteil von 80 bis 85 Prozent des Gesamtbudgets.

Das Münchener Kammerorchester ist seit der Übernahme der künstlerischen Leitung von Christoph Poppen im Aufwind. Nicht zuletzt die neue Zusammenarbeit mit ECM zeugt davon. Die erste CD bei diesem Label erscheint im August dieses Jahres, für das kommende Jahr sind allein vier Projekte geplant, und für die Zukunft bestehen viele Ideen. Das Orchester arbeitet mit Solisten wie Christian Tetzlaff, Isabelle Faust, Gidon Kremer, Kim Kashkashian, Juliane Banse oder Cornelia Kallisch, mit Gastdirigenten wie Mario Venzago, Hans Zender, Hartmut Haenchen, Peter Gülke, Heinz Holliger, Markus Stenz und vielen anderen.

Christoph Poppen bestreitet in seiner Funktion als künstlerischer Leiter im Jahr mehr als 30 Konzerte mit dem Münchener Kammerorchester. Poppens persönliche Entwicklung, die sich in den vergangenen Jahren immer mehr vom Geigen aufs Dirigieren verlagert hat, umfasst heute zunehmend auch den symphonischen Bereich. Er ist davon überzeugt, dass seine Erfahrungen auf größeren musikalischen Gebieten auch dem Münchener Kammerorchester sehr zugute kommen. Beide Bereiche ergänzen sich wunderbar, so Poppen, und bedeuten keinesfalls eine Entwicklung weg vom Münchener Kammerorchester.

 

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