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Ein Konzerthaus-Monolith im Bayerischen Wald – virtuell und als Baustelle (mit Karl Landgraf und Thomas E. Bauer). Fotos: Peter Haimerl Architektur (2), Koch
Ein Konzerthaus-Monolith im Bayerischen Wald – virtuell und als Baustelle (mit Karl Landgraf und Thomas E. Bauer). Fotos: Peter Haimerl Architektur (2), Koch
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Kultureller Wachstumsschub im Bayerischen Wald

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Im September wird im Rahmen des Festivals „Kulturwald“ das Konzerthaus Blaibach eröffnet
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Es war ein Abgang wie aus dem Opernlibretto: Gerade hatte der Wortführer der Konzerthausgegner mit einem weiteren Bürgerbegehren gedroht, da zahlte der bühnenerfahrene Sänger und Kulturinitiator Thomas E. Bauer sein Bier und verließ die Versammlung im Blaibacher Wirtshaus. Der spontane coup de théâtre zeigte Wirkung: Von den Bedenkenträgern ward fortan nichts mehr gehört.

Es war der vorerst letzte Akt, den Bauer in Sachen Überzeugungsarbeit aufzuführen hatte. Die Politiker vor Ort und in München waren da längst mit seiner Konzerthaus-Idee angesteckt: Blaibach, bis vor kurzem eines jener vielen sterbenden Dörfer im Bayerischen Wald, soll sich mit kultureller und architektonischer Qualität von innen heraus erneuern, soll Anziehungspunkt für auswärtige Besucher werden, vor allem aber auch lebenswerte Heimat für seine Bewohner bleiben.

Den Keim für sein bisher ehrgeizigstes Vorhaben hat der in Bernried bei Deggendorf aufgewachsene, international beschäftigte Bariton vor einigen Jahren gelegt: 2008 fing er zusammen mit seiner Lied- und Lebenspartnerin Uta Hielscher an, unter dem Titel „Kulturwald“ verschiedene Orte des Bayerischen Waldes mit einem exquisiten Konzertprogramm zu bespielen, und behielt dabei – etwa mit Schafkopfturnieren oder Wirtshauskonzerten zwischen Bartók und Zwiefachem – die regionalen Wurzeln stets im Blick. Das Vorhaben, dem oft unter Wert und mit bisweilen fragwürdigen Tourismus-Konzepten vermarkteten Bayerwald das Festival zu schenken, das er verdient, ging auf. Vor Ort akzeptiert und besucht, überregional beachtet, etablierte sich der Kulturwald, wuchs und gedieh.

Das Zusammentreffen mit einem weiteren niederbayerischen Dickschädel brachte dann das Konzerthausvorhaben ins Rollen. Der aus Eben bei Viechtach stammende Architekt Peter Haimerl hat sich mit seinen unkonventionellen Sanierungen alter Bauernhäuser einen beachtlichen Namen gemacht. Statt museale Scheinidyllen zu kreieren, verschalt er – so wie beim bemerkenswerten Rathaus Blaibachs – ein altes Gebäude oder stützt es von innen her mit Betonkuben. Als Thomas Bauer sich privat für ein ebenfalls im verfallenen Blaibacher Dorfzentrum liegendes Haus (eines der ältesten der Region) zu interessieren begann, machte man ihn auf Haimerl aufmerksam.

„Zuerst ging es dann eigentlich nur darum, den gegenüberliegenden Stadel als weitere Kulturwald-Spielstätte zu ertüchtigen“, erinnert sich Bauer beim Baustellenbesuch. „Doch dann wurden die Entwürfe immer spektakulärer: Ein Betonkubus durchstieß die Wände, ein unterirdischer Gang führte ins Foyer und plötzlich rutschte der ganze Konzertsaal aus dem Stadel heraus und stand auf dem freien Platz davor.“ Wie ein Monolith ragt der Granitblock nun aus der Erde heraus. Der Konzertsaal wird, mit einer Steigung von 22 Grad, 200 Zuschauern Platz bieten; die Bühne reicht aus, um in kleiner Besetzung Haydns „Schöpfung“ aufzuführen. Mit ihr wird das Konzerthaus dann auch am 12. September, zum krönenden Abschlusswochenende des diesjährigen Kulturwalds, eröffnet.

Mit der Finanzierung ist Bauer – typisch für die visionäre Chuzpe des rastlosen Kulturantreibers – eigene Wege gegangen. Über das Programm „Ort schafft Mitte“ bezuschusst die Oberste Baubehörde beim bayerischen Innenministerium 60 Prozent des 1,6 Millionen-Etats. Die Gemeinde muss 400.000 Euro beisteuern – kaum mehr, als sie für eine Gestaltung des maroden Platzes ohnehin hätte in die Hand nehmen müssen.

Auch in Zukunft möchte Bauer nicht mit anderen Akteuren um Kulturetats konkurrieren. Vielmehr will er das Fes­tival im Bereich der Wirtschaftsförderung ansiedeln. „Es ist doch nicht einzusehen“, argumentiert Bauer, „dass hier im Bayerischen Wald Weltmarktführer im Hochtechnologiebereich sitzen, aber kulturell kaum mehr passiert, als dass eine fahrende Truppe den ‚Hamlet‘ mit drei Personen in Mundart aufführt!“

Die Zielrichtung des Überzeugungstäters Bauer ist klar: Er möchte den Kulturwald als eine ähnlich identitätsstiftende Institution etablieren wie das Rheingau oder das Schleswig-Holstein-Musik Festival. Dazu wird weiterhin die ganze Region zur Konzertbühne, in diesem Jahr zum Beispiel für das Originalklangensemble „The Rare Fruits Council“, das Modern String Quartett oder das Vokalensemble Singer Pur, dem Thomas Bauer als Gründungsmitglied lange Zeit angehörte.

Doch was passiert das Jahr über mit dem Blaibacher Konzerthaus, wenn der Kulturwald jeweils im September über die Bühne gegangen ist? Zwar hat die Gemeinde ein gewisses Kontingent für eigene Veranstaltungen, doch ist die Kulturwald gGmbH als Betreiber für die ganzjährige Bespielung des Saales zuständig – und das qua Vertrag für die nächsten 25 Jahre, mit einer Option zur Nachverhandlung in zehn Jahren. Bauer schweben hier kleine thematische Reihen vor, jeweils auf ein Wochenende konzentriert: Für eine „Bachakademie Bayrischer Wald“ hat er schon bei Philippe Herreweghe, Jos van Immerseel und Sigiswald Kuijken vorgefühlt, für eine Schubertiade bei Juliane Banse und Christian Gerhaher, für ein Klavierfestival bei Jörg Demus und Leif Ove Andsnes. Letzterem sei, so Bauer, das Honorar egal, der brauche nur einen vernünftigen Flügel. Selbstredend hat er es geschafft, einen solchen von Steingraeber extrem günstig zu bekommen.

Neben vielen Sachleistungen von regionalen Betrieben sind es zahllose ehrenamtliche Stunden, die den Bau des Konzerthauses zu einem konkurrenzlos günstigen Preis ermöglichen. Die meisten steuert Karl Landgraf bei, der bis zu seiner Pensionierung im Amberger Bauamt tätig war und nun die Leitung der Blaibacher Großbaustelle innehat. „Wie die Jungfrau zum Kinde“ sei er zu diesem Amt gekommen, erzählt er, als er spontan zu einer jener Bürgerversammlungen hinzustieß, bei denen sich noch Widerstand gegen das Projekt regte. Über den dreiseitigen, komplett abgedruckten Leserbrief, den er noch am selben Abend für das Konzerthaus verfasste, wurden Peter Haimerl und Thomas Bauer auf ihn aufmerksam. Ein paar Tage später standen sie vor seiner Tür.

„Sieben Jahre hat es gedauert, aber mittlerweile verstehen die Menschen hier, worum es geht: Investition in Kultur bewegt etwas in der Gesellschaft“. Mit diesem Zwischenfazit nimmt Thomas Bauer indes schon die nächste Unternehmung ins Visier: 2016 will er Richard Wagners „Rheingold“ auf die Bühne bringen – in einem mobilen, hölzernen Opernhaus …


 

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