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Von der unterschiedlichen Art, in den Akkord hineinzugehen

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Das Hilliard Ensemble und Singer Pur aus Regensburg in einer Koproduktion
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It was in June last year that it started..., quillt aus dem Redaktions-Fax. (John Potter, einer der zwei Tenöre des Hilliard Ensembles, versucht, sich an die Ursprünge des vokalen Co-Projektes zu erinnern) ...Klaus und ich saßen in der Bar unseres Hotels in Tampere/Finnland, wohin uns der dortige Vokalensemble-Wettbewerb als Jury-Mitglieder verschlagen hatte – jener Wettbewerb übrigens, den Singer Pur 1995 gewann. Unsere beiden Gruppen sind gute Freunde, seit das junge Regensburger Ensemble vor ein paar Jahren die Hilliard Summer School in Cambridge besucht hat. „Wie wäre es mit einem gemeinsamen Projekt?“ dachten wir. Stell dir vor: zehnstimmige Polyphonie mit uns allen gemeinsam! So träumten wir diese Idee weiter, und achtzehn Monate später wurde der Traum Wirklichkeit...Flutende Bögen, die sich überlagern und wieder versiegen, transparente Klangschönheit, die Kritikerstimmen zu Lobeshymnen hinreißt: Wenn das britische Hilliard Ensemble auf Singer Pur trifft, werden präzise Klangarchitekturen aufgebaut, werden die musikalischen Zeiträume durchleuchtet, Schlüsse fein austariert in den Kirchenraum entsandt. Ein Klangkörper scheint hier am Werke, der in seinen Aufspaltungen irisierende Farbspektren erzeugt, ein filigranes Geflecht von Stimmen, die sich reiben und wieder ineinander aufgehen... Zwei hochkarätige Ensembles proben das vokale Ereignis. Zwischendurch Fototermin im Hof des Regensburger Doms und four o’ clock tea beim Interview im benachbarten „Cafe Orlando di Lasso“... The Hilliard Ensemble meets Singer Pur – das bedeutet ein musikalisches Gipfeltreffen, einen hochkultivierten und sensibel geführten Gesamtklang, rhythmische Disziplin, Makellosigkeit in Artikulation und Stimmführung. Puristisch „englischer“ Sound begegnet hier einem organisch-plastischen Klangbild, Barock-Bäuche mischen sich mit angenehm gerundeten Stimmen. Singer Pur sind fünf ehemalige Regensburger Domspatzen und eine Sopranistin, die sich mit ihrem knabenhaft schlankem Timbre nahtlos in das klangliche Gesamtbild einfügt. Seit der Gründung 1991 hat sich das Ensemble zu einer herausragenden A-cappella-Formation entwickelt, die 1994 beim Deutschen Musikwettbewerb mit dem ersten Preis ausgezeichnet wurde und ein Jahr später den begehrten Grand Prix für Vokalmusik beim internationalen „Tampere-Musikfestival“ in Finnland erhielt. Das Sextett gastiert inzwischen regelmäßig bei den renommierten deutschen Festivals; CD- und Rundfunkproduktionen dokumentieren ein breites Repertoire, das Werke aus Mittelalter, Renaissance und Romantik ebenso umfaßt wie zeitgenössische Avantgarde und Jazz (nicht zuletzt ein Tribut des jungen Ensembles an die Interessen der Veranstalter), das sich in den letzten Jahren jedoch verstärkt in Konzept-CDs wie „Nordisk Vokalmusik“ oder „Lassus“ konzentriert. Etwas eigenwilliger nimmt sich das Profil der 1974 gegründeten Hilliards aus, deren musikalische Schwerpunkte neben Musik aus Mittelalter, Renaissance und Frühbarock speziell für das Ensemble geschriebene Werke zeitgenössischer Komponisten bilden, darunter Arvo Pärt, Heinz Holliger oder John Casken – ein puristisches Repertoire, das jedoch auch exklusive musikalische Crossover-Projekte wie die CD „Officium“ mit dem Jazz-Saxophonisten Jan Garbarek mit einschließt. Die allerersten Urprünge des vokalen „Meetings“ liegen in der „Hilliard Summer School“ in Cambridge 1994; seitdem hat Singer Pur mit regem Interesse die Projekte der Hilliards weiterverfolgt, hin und wieder traf man sich auf Tourneen irgendwo in einem Hotel auf halber Strecke. Das Stipendium des Deutschen Musikrates 1994 wurde in eine gemeinsame Arbeitsphase investiert: Gordon Jones, der Bariton der Hilliards, kam einige Tage nach Regensburg, um mit Singer Pur zu proben. Auch „Hilliard meets Singer Pur“ begann mit einem Besuch der Briten – zur gemeinsamen Repertoirebesprechung. Entstanden ist ein exklusives Programm, das neben Renaissance-Musik – von filigran-polyphonen Motteten des späten 15. Jahrhunderts bis zur artifiziellen Mehrchörigkeit der venezianischen Schule – zwei Uraufführungen eigens für dieses Projekt geschriebener Werke umfaßt. Zwei höchst erfolgreiche Konzerte (mit SWR-Mitschnitt) hat das Co-Projekt nun hinter sich; Tenor Rogers Covey-Crump versucht rückblickend, das Erlebnis zehnstimmig polyphonen Singens zu beschreiben: „Vielleicht kann man sich insgesamt mehr in den Gesamtklang hineinfallen lassen – oft ist es nur nötig, den Beginn eines Motivs oder einen Wendepunkt hervorzuheben“, erklärt er und ergänzt: „Man muß versuchen, die Musik zu fühlen, auf die Klangbalance zu hören und aufeinander zu reagieren. Vielleicht ist diese Musik noch am ehesten mit instrumentaler Kammermusik vergleichbar: Jede Stimme ist total unabhängig; auch wenn das Ergebnis vielleicht manchmal chorisch klingt: it doesn’t feel choral.“ Auch die klanglichen Eigenheiten der beiden Ensembles wurden hier bewußt beibehalten: „Natürlich hat jede Gruppe in der Art und Weise, wie sie singt, versucht, Kompromisse zu machen“, erklärt Bariton Thomas Bauer. „Wir haben aber ganz bewußt darauf geachtet, daß die Ensembles ihre Charakteristika behalten und mit einbringen; man soll den Unterschied auch bemerken. Der Reiz liegt darin, daß sich das Ganze trotzdem mischt und einen homogenen Klang ergibt.“ Die verschiedenen Klangbilder der beiden Ensembles sind natürlich bereits in ihrer Zusammensetzung begründet, aber auch die etwas andere Phrasierung der Singer Pur – „vielleicht irgendwie romantischer“, meint Tenor Markus Zapp – schlägt sich wohl im Klang nieder. „Andererseits haben wir uns über die Jahre natürlich eine Menge von den Hilliards abgeguckt“, erklärt Thomas Bauer, zieht aber auch eine gewisse Domspatzen-Prägung in Betracht: „eine Art musikalisches Grundverständnis: wie man in einen Akkord hineingeht, wie man intoniert, eine Phrase singt.“ Insgesamt sechs „fantastische Stimmen“, meint der Countertenor David James, deren Klangbild vor allem durch die neue Sopranistin Hedwig Westhoff-Düppmann „englischer, natürlicher“ geworden sei. Generell sei der Singer-Pur-Sound dunkler, auch kräftiger als der der Hilliards – Kontraste, die Joanne Metcalf in ihrer Komposition plastisch herausgearbeitet hat. Weitere zehnstimmige Projekte werden mit Sicherheit folgen; eine gemeinsame Produktion mit Hilliard-Bariton Gordon Jones ist bereits geplant: Auf Anregung des musikwissenschaftlichen Instituts in Ljubljana soll ab April nächsten Jahres das gesamte weltliche Werk des 1550 geborenen Jacobus Gallus eingespielt werden, an dessen Gesamtausgabe das Institut gerade arbeitet.

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