Wir alle sehen ihn vor uns – immer kerzengerade und mit dem Blick nach vorne. Das ist zunächst einmal das sichtbare Ergebnis einer sängerischen Ausbildung und Karriere. Aber es ist mehr. Denn genau so kerzengerade hat er gedacht und gehandelt. Da war nicht nur eine brillante intellektuelle Positionierung, die es ihm ermöglichte, auch aus dem Stegreif druckreif und höchst geistvoll zu formulieren. Nein – es war darüber hinaus eine nachhaltige Gradlinigkeit beim Vertreten der Positionen, die er für richtig hielt und für die er einzutreten jederzeit bereit war. Und er war jederzeit und an jedem Ort bereit, sich für ein Anliegen der Kultur oder der Musik mit allen auseinanderzusetzen, die in diesem Bereich Verantwortung trugen.
Als ein sehr extrovertierter Mensch konnte er im Übrigen auch gar nicht genug andere Menschen um sich haben. Stets wollte er mitten im Leben sein, immer engagiert, immer interessiert, immer allem gegenüber aufgeschlossen, was ihn auf der Welt erwartete. Wir haben staunend verfolgt, welche vielfältigen Aufgaben immer wieder aufs Neue auf ihn zukamen und wie er sich ihrer aller mit größtem Engagement angenommen hat. Was seine Mitmenschen dabei immer beeindruckt hat und worin er stets ein Vorbild war, das war die unverrückbare Orientierung an der Sache selber, seine Unbestechlichkeit. „De mortuis nihil nisi bene“ – das braucht Franz Müller-Heuser nicht. Er war ein absolut integrer Mensch; jemand, der sagte, was er dachte; der tat, was er sagte; und der zu dem stand, was er tat.
Wahrscheinlich haben wir aufgrund seines unglaublichen Elans, seiner Fitness, seiner körperlichen und mentalen Präsenz sein biologisches Alter überhaupt nicht mehr richtig wahrgenommen. Aber Franz Müller-Heuser ging nicht auf die Siebzig zu, er wäre im März nächsten Jahres achtzig Jahre alt geworden – ein Datum, auf das er sich im übrigen schon gefreut hatte.
Am 8. März 1932 in Wesel geboren, wandte sich Franz Müller-Heuser zur Ausbildung zum Opern- und Konzertsänger nach Essen an die Folkwang Hochschule. An der Universität zu Köln studierte er Musikwissenschaften, Kunstgeschichte und Philosophie und wurde dort über die „Ästhetik des gregorianischen Gesangs“ promoviert. Er gab Liederabende und sang in Oratorienkonzerten, doch seine eigentliche Berufung wurde klar, als er 1963 zum Professor für Gesang an die Kölner Musikhochschule berufen wurde. Er setzte sich für das Gedeihen der Hochschule ein und wurde 1976 zu ihrem Direktor ernannt. Ab 1989 lenkte er sie gemäß dem damals neuen Kunsthochschulgesetz als Rektor und ging als solcher 1997 in Pension – um dann Gründungspräsident der neu errichteten Hochschule für Musik Nürnberg-Augsburg zu werden. Müller-Heuser hat das Musikhochschulwesen in Deutschland und die Arbeit der Musikverbände tief geprägt und dabei eine große Zahl von Einrichtungen des Musiklebens gegründet oder wesentlich mit aufgebaut, auch nach der deutschen Wiedervereinigung. Bereits Ende der 1970er-Jahre führte er die bestehenden Verbände und Vereine zum Dachverband Landesmusikrat NRW zusammen, dessen Gründungspräsident er 1978 wurde. Von 1988 bis 2003 war er Präsident des Deutschen Musikrates, zu dessen Ehrenpräsidenten er 2010 gewählt wurde. Dem Landesmusikrat NRW blieb er nach dem Ende seiner Präsidentschaft 1989 als Ehrenpräsident verbunden.
Franz Müller-Heuser war bis zuletzt Vorstandsmitglied im Kulturrat NRW und von 1999 bis 2001 Präsident des Deutschen Kulturrats. Sein besonderes Interesse galt den Medien. Er vertrat die Interessen der Musik im WDR-Rundfunkrat und war 2001 an der Gründung des Kulturpartners NRW e.V. beteiligt, dem Zusammenschluss der Kulturpartner von WDR3. Zu den vielen Auszeichnungen, die versuchten, seinem Engagement gerecht zu werden, zählen das Bundesverdienstkreuz und der Verdienstorden des Landes Nordrhein-Westfalen.
Franz Müller-Heuser ist am 30. Dezember in Köln gestorben. Wer ihn kannte, wird sein Andenken bewahren.