Hauptbild
Der Bürgermeister von Schwäbisch Gmünd, Richard Arnold, (r.) hat dem Organisten Ludger Lohmann den „Preis der Europäischen Kirchenmusik“ überreicht. Links der Laudator Andreas Jacob. Foto: © Hartmut Hientzsch.

Der Bürgermeister von Schwäbisch Gmünd, Richard Arnold, (r.) hat dem Organisten Ludger Lohmann den „Preis der Europäischen Kirchenmusik“ überreicht. Links der Laudator Andreas Jacob. Foto: © Hartmut Hientzsch.

Hauptrubrik
Banner Full-Size

„Preis der Europäischen Kirchenmusik“ geht an Ludger Lohmann – Ein Portrait des Organisten

Vorspann / Teaser

Der „Europäische Preis für Kirchenmusik“ ist in den vergangenen 24 Jahren an (fast) alle diejenigen vergeben worden, die sich in der Europäischen Kirchenmusik verdient und vielleicht auch unersetzlich gemacht haben. So hat er sich eindeutig als fachspezifischer Nobelpreis etabliert! In diesem Jahr ist der Preis an den international renommierten Organisten und begnadeten Pädagogen Ludger Lohmann gegangen. Er hat dem Verhältnis von Musik, Interpret und Instrument wichtige technische, wissenschaftliche und philosophische Aspekte hinzufügen können und Musik damit neu zu einem klanglichen Erlebnis werden lassen.

 

Publikationsdatum
Paragraphs
Text

Dieter Schnebel, Peter Schreier, Petr Eben, Eric Ericson, Krzysztof Penderecki, Frieder Bernius, Arvo Pärt, Daniel Roth, Klaus Huber, Helmuth Rilling, Sofia Gubaidulina, Marcus Creed, Hans Zender, Clytus Gottwald, John Tavener, Thomanerchor Leipzig, Younghi Pagh-Paan, Hans-Christoph Rademann, Wolfgang Rihm, Godehard Joppich, John Rutter, Joshua Rifkin und PÄ“teris Vasks.

Es ist ein hochillustrer Kreis von 24 Komponisten und Interpreten, die die Kirchenmusik in den letzten Jahren und Jahrzehnten wesentlich mitgeprägt haben. Sie alle haben den seit 1999 jährlich in Schwäbisch Gmünd vergebenen „Preis der Europäischen Kirchenmusik“ erhalten, der mit 5000 Euro dotiert ist und für besondere Leistungen im Bereich der geistlichen Musik vergeben wird. Der Preis wird nur an lebende Künstler vergeben, weshalb der naheliegendste Preisträger – Johann Sebastian Bach selbst – für das im kommenden Jahr anstehende 25. Jubiläumsjahr wohl nicht berücksichtigt werden kann. In diesem Jahr ging der Preis zunächst einmal an den Organisten Ludger Lohmann, der selbst seine Wurzeln in der Musik Johann Sebastian Bachs sieht.

Artikel auswählen
Text

Es war Bachs berühmte Toccata in d-Moll (BWV 565), die ihm schon früh die Richtung seines kirchenmusikalischen, künstlerischen, wissenschaftlichen und pädagogischen Arbeitens vorgab. In seiner Laudatio verwendet Andreas Jacob, Rektor der Folkwang Universität in Essen, für Lohmann einen zentralen stilistischen Begriff, der ihn deutlich in die Nähe Bachs stellt: „Wie durch einen basso continuo werden die vielfältigen Aktivitäten Lohmanns auf diesen unterschiedlichen Handlungsfeldern durch die Haltung grundiert, mit denen er sie angeht: Nie geht es ihm darum, seine eigene Persönlichkeit in den Vordergrund zu stellen, stets ist es ihm um die Sache selbst zu tun.“

Aus Jury-Kreisen heißt es zu ihm: „Ludger Lohmann, einer der prominentesten Organisten weltweit, erhält den Preis der Europäischen Kirchenmusik 2023. Die Stadt Schwäbisch Gmünd ehrt ihn mit dieser Auszeichnung für sein wegweisendes Wirken als Interpret und Pädagoge: Lohmann ist als Konzertorganist international erfolgreich, sein Unterricht legendär. Darüber hinaus inspirieren seine wissenschaftlichen Erkenntnisse Generationen von Studierenden wie die Fachwelt, in der Lohmann insbesondere als Spezialist für Alte Musik und romantische Orgelliteratur gilt.“

Lohmann wurde 1954 im westfälischen Herne geboren und studierte später Schul- und Kirchenmusik, Musikwissenschaft, Philosophie und Geographie an der Musikhochschule und Universität in Köln. Orgelunterricht erhielt er von Wolfgang Stockmeier. Über Hugo Ruf, in dessen Cembaloklasse er Mitglied war, sagte er: „Ruf war ein ungemein kundiger Mann. Von ihm habe ich viel über die damals gerade aufblühende historische Aufführungspraxis gelernt“. Nach seinem Konzertexamen studierte er privat bei Anton Heiler in Wien und Marie-Claire Alain in Paris. Er erinnert sich: „Anton Heiller war damals die Nummer eins der Szene, was sowohl Kenntnis als auch Gefühl für die geistigen Hintergründe der Bachschen Musik angeht. Marie-Claire Alain hat mein Interesse an der französischen Orgelsinfonik geweckt“. Seine heute als Standardwerk gehandelte Dissertation über die „Artikulation auf den Tasteninstrumenten im 16 bis 18. Jahrhundert“ ist von diesen Studien inspiriert. Lohmann errang zahlreiche Preise bei internationalen Orgelwettbewerben, zum Beispiel den ARD-Wettbewerb München (1979) und den Grand Prix des Chartres (1982).

Von 1979 bis 1984 unterrichtete Lohmann Orgel an der Musikhochschule Köln, von 1983 bis 2020 als Professor an der Hochschule für Musik und Darstellende Kunst Stuttgart. Zusammen mit seinem Kollegen Jon Laukvik gelang es, das Stuttgarter Orgelinstitut als eine internationale Adresse zu etablieren. Lohmann konzertierte weltweit und ist gefragtes Jurymitglied hochkarätiger Wettbewerbe. Gastprofessuren und Meisterklassen führten ihn an die renommiertesten Universitäten und Orgelakademien – etwa Haarlem (Niederlande) und Göteborg (Schweden), um nur zwei zu nennen. Seine Repertoire-Vielfalt findet Ausdruck in den zahlreichen Produkten unserer Medienlandschaft (Rundfunk, Fernsehen, CD).

‚Er behandelt die Orgel wie ein vollendeter Gentlemen‘

Einen zentralen Punkt in seiner Arbeit hat die Ausbildung und Förderung junger Studenten aus der ganzen Welt, insbesondere aus den osteuropäischen Ländern, ausgemacht. Sie waren ihm ein Herzensanliegen: „Es hat mir immer Freude bereitet, sie wachsen zu sehen. Der Austausch mit den Studierenden Studierenden veränderte oft auch meine eigene Perspektive auf Werke, an denen ich gerade selbst arbeitete“. Viele der Absolventen seiner Klasse, wie etwa Iveta Apkalna, Jürgen Banholzer, Timo Handschuh, Johannes Matthias Michel oder Lukas Stollhof, sind heute in namhaften Positionen zu finden.

Wenn Lohmann sagt, dass „meine Studierenden wahrscheinlich meine wichtigsten Lehrer“ waren und sind, dann wird hier seine hochgradige Bescheidenheit als zentrales Charaktermerkmal offenbar. Jacob sagt dazu in seiner Laudatio: „Großes Gewese um seine Person liegt ihm überhaupt nicht. (Und hätte er je dazu geneigt, hätten seine kluge Frau Gisela und seine Kinder es ihm bestimmt auch postwendend abgewöhnt.) Deswegen suche ich Rückendeckung in einem Zitat. In einer Kurzbeschreibung des Deutschlandfunks findet sich folgender Satz über Ludger Lohmann: ‚Er behandelt die Orgel wie ein vollendeter Gentlemen‘. Dem ist hinzuzufügen: Nicht nur sein Instrument und dessen Musik behandelt er so, sondern auch sein Gegenüber“.

Weiterlesen mit nmz+

Sie haben bereits ein Online Abo? Hier einloggen.

 

Testen Sie das Digital Abo drei Monate lang für nur € 4,50

oder upgraden Sie Ihr bestehendes Print-Abo für nur € 10,00.

Ihr Account wird sofort freigeschaltet!