Von vielen alten Kulturen wurde Musik als Heilmittel angesehen. Pythagoras behandelte damit die Schwermut, in den griechischen Tempelkrankenhäusern sollte die Harmonie zwischen Geist und Körper gefördert werden, die Sufis setzen Heilmelodien für körperliche und seelische Beschwerden ein, Schamanen reisen mit Hilfe der Trommel in die jenseitigen Welten. Die Weltgesundheitsorganisation WHO hat 1996 die Musiktherapie als Heilverfahren anerkannt und damit das uralte Wissen der Menschen gewürdigt, Musik zur Krankenbehandlung einzusetzen.
„Dieser Ton war die Hölle“ berichtete eine Patientin in der Nachbesprechung einer Therapiestunde. Eine Mitpatientin hatte in einer Gruppenimprovisation kraftvoll den Gong geschlagen, was Frau M. als höchst bedrohlich erlebte. Sie hatte sehr unter ihrer Stiefmutter gelitten, die sie oft verprügelt hatte, wobei sie die Hände wie beim Militär an die Hosennaht legen musste. Sie fühlte sich durch den Klang an einen Traum erinnert, in dem sie sah, wie diese Stiefmutter durch einen Spalt an einem Karussell in der Hölle verschwand. „In diesem Ton habe ich den Höllenschlund gesehen, es hat richtig wehgetan.“ Frau M. hatte über den Klang eine Erinnerung wiederbelebt, die offenbar ein Trauma und starke Schuldgefühle berührte. Wir konnten darüber reden und dieses Erlebnis schließlich in einen Zusammenhang mit ihren Symptomen bringen. Sie hatte seit längerem Ängste und unklare körperliche Beschwerden. Die Symptome hatten dadurch eine erste Erklärung bekommen. Frau M. fühlte sich erleichtert. Von vielen alten Kulturen wurde Musik als Heilmittel angesehen. Pythagoras behandelte damit die Schwermut, in den griechischen Tempelkrankenhäusern sollte die Harmonie zwischen Geist und Körper gefördert werden, die Sufis setzen Heilmelodien für körperliche und seelische Beschwerden ein, Schamanen reisen mit Hilfe der Trommel in die jenseitigen Welten. Die Weltgesundheitsorganisation WHO hat 1996 die Musiktherapie als Heilverfahren anerkannt und damit das uralte Wissen der Menschen gewürdigt, Musik zur Krankenbehandlung einzusetzen. Dennoch haben sich die heutigen Methoden der Musiktherapie in vielem weiterentwickelt. Musiktherapie wird im deutschsprachigen Raum überwiegend als psychotherapeutische Methode gesehen und wissenschaftlich erforscht. Mit Hilfe von Klang und Rhythmus soll ein Zugang zu unbewussten Teilen unseres Selbst gefunden werden. Gefühle und Erinnerungen aus traumatisierenden Lebenserfahrungen, aber auch belastende Alltagserfahrungen oder festgefahrene Gewohnheiten im Umgang mit anderen Menschen können in der Musiktherapie bearbeitet werden. Wie hilft nun Musik in der Psychotherapie? Und wie unterscheidet sich Musik in der Therapie von Musik im Konzert oder von der CD?Wir nennen das Spielen in einer sogenannten freien Improvisation die „aktive Musiktherapie“. Die Patienten wählen selbst ihre Instrumente aus und spielen ohne Vorgaben, auch wenn sie nie ein Instrument gelernt haben. Im gemeinsamen Spielprozess entsteht eine Möglichkeit für die Psyche, sich ohne Worte auszudrücken, und wir erhalten ein akustisches Bild der individuellen Gefühlswelt. Wir vergleichen dann die Art zu spielen damit, wie die Patienten von der Familie, ihrem Partner oder dem Arbeitsplatz erzählen. Im Nachgespräch werden die emotionalen Eindrücke aus der Improvisation nochmals bewusst gemacht. Durch die zwei Ebenen der Erzählung und des nonverbalen spielerischen Ausdrucks wird eine Verbindung zwischen Gefühl und Bewusstsein wiederhergestellt, die bei traumatischen Erlebnissen oft durch die Verdrängung unterdrückt geblieben ist.
Aufarbeitung von Konflikten
Dazu ein zweites Beispiel: Ein Mann mittleren Alters war wegen Depressionen bereits einige Wochen in der Klinik. In einer Stunde kamen zwei neue Patientinnen in die Gruppe, die sofort sehr ungezwungen drauflosspielten. Herr B. war an eine große Bassschlitztrommel gegangen, auf der er mit dicken Klöppeln wild zu spielen begann. Nachdem er sich bald in den Kräften verausgabt hatte, ging er plötzlich zu einem Gong und schlug zweimal extrem laut auf diesen ein. Danach lächelte er und konnte ruhig an seinem Instrument weiterspielen. Was war geschehen? Herr B. hatte mit seiner jüngeren Schwester einen Kindheitskonflikt. Er hatte sich von ihrer ungestümen Dynamik an die Wand spielen lassen und hatte das Gefühl, sich nicht wehren zu können. Nun waren gleich zwei potenzielle Schwestern neu hinzugekommen. Nachdem er zunächst sehr unter Druck geriet, bereitete es ihm eine „diebische Freude“, diesen eins auszuwischen, wie er es mit seiner Schwester als Reaktion auch gemacht hatte. Es hatte sich eine Szene wiederholt, die auf einen alten Konflikt zurückging, der immer noch in ihm gärte. Seine Depression erschien danach viel deutlicher als Reaktion auf seine stark unterdrückten aggressiven Impulse, die ab dieser Improvisation zugänglich wurden.
Es ist kein Zufall, dass in beiden Beispielen der Gong eine zentrale Rolle spielte. Der Gong ist ein mächtiges Instrument, das insbesondere bei zurückgehaltenen Aggressionen häufig als besonders anziehend empfunden wird. Jedes Instrument wird anders erlebt. Ein Xylophon etwa wird eher mit Wärme und Sicherheit in Verbindung gebracht. Trommeln werden oft zum Wut-ablassen verwendet oder eignen sich gut zum Zusammenspiel in der Gruppe. Dabei sieht jeder Patient das Instrument in Verbindung mit den eigenen Erlebnissen und wählt es entsprechend aus. Wir verwenden daher verschiedenste leicht spielbare Instrumente, die auch ohne Vorkenntnisse zu spielen sind: das Orff- Instrumentarium, Holzschlitztrommeln, Flöten, spezielle Klanginstrumente wie ein Meeresrauschen, aber auch Klavier und Gitarre.
Musik schafft wie kein anderes Medium einen unmittelbaren Zugang zu Affekten. Wir hören Musik, um uns in Stimmungen zu versetzen und spielen oder singen, um uns in Gemeinschaft mit anderen fühlen zu können. Die neuesten Ergebnisse der Säuglingsforschung zeigen, dass sich bereits Mutter und Kind sehr stark über musikalische Ausdrucksformen verständigen. Monika Nöcker-Ribaupierre hat belegt, dass die Mutterstimme bei Frühgeborenen entscheidenden Einfluss auf eine raschere Entwicklung des Kindes hat. Daniel Stern weist auf die affektive Abstimmung zwischen dem Säugling und den frühen Bezugspersonen hin, die über musikalische Parameter wie Rhythmus und Intensität wahrgenommen wird. Wir erreichen also durch die Musik früheste Bewusstseinsschichten, die von keiner anderen Therapieform so unmittelbar erfasst werden können. Doch auch später begleitet uns Musik fast das ganze Leben. Sie erinnern sich doch bestimmt noch an Ihren ersten Kuss und die Musik, die Sie dabei hörten?
Durch diese gefühlshaften Verknüpfungen ist die Musiktherapie bei vielen körperlichen und seelischen Schädigungen besonders wertvoll. Sie wird eingesetzt bei fast allen seelischen Erkrankungen von Depressionen bis zu Angsterkrankungen und chronischen Psychosen, bei psychosomatischen Störungen wie Magersucht oder unerklärlichen Schmerzzuständen, in der Kinderheilkunde wie etwa mit Schreibabies und in der Rehabilitation von Herzpatienten. Bei schweren Demenzen kann mit den Menschen oft noch gesungen werden und so ein Zugang zu alten Erinnerungen gefunden werden. Insbesondere bei Störungen im Sozialverhalten und bei Kontakt- und Beziehungsstörungen ist Musiktherapie angezeigt. Bei Autismus ist es Mittel der Wahl, ebenso bei schweren Sprachstörungen wie nach Unfällen mit Schädel-Hirn-Trauma. Die Patienten kommen in diesen Fällen oft sehr gern in die Musiktherapie, weil hier kein Leistungsdruck herrscht, sondern der Körper spielerisch zur Wiedererlangung seiner Fähigkeiten angeregt wird. Einige Musiktherapeuten versuchen, mit Komapatienten erste Kontakte über das Summen von Melodien aufzunehmen und haben erstaunliche Erfolge. In Gruppen kann Musiktherapie Kommunikationsstörungen aufzeigen und hilft, das eigene Verhalten zu erkennen und zu verändern.
Musiktherapie ist ein klinisch sehr verbreitetes Verfahren geworden, weil ihre Grundlage, die nonverbale Sprache der Musik, so universell wirkt. Psychotherapeutisch wird sie hingegen erst, wenn die entsprechenden Rahmenbedingungen hinzukommen: feste Zeiten bei einer Therapeutin/einem Therapeuten, ein Bezug des Spieles zu schwierigen Lebenssituationen, die Improvisation als offener Raum, in dem sich seelische Vorgänge entfalten können und nicht zuletzt ein darüber hinausgehendes psychotherapeutisches Verstehenskonzept wie die Psychoanalyse oder die Theorien zur frühen Mutter-Kind-Kommunikation, da die Musiktherapie selbst noch nicht über eine eigene Krankheitslehre verfügt. Die Musik wirkt einerseits durch sich selbst, da Klänge und Rhythmen unsere Stimmung direkt beeinflussen. Andererseits lassen sich durch den Umgang mit den Instrumenten, die Art zu spielen und sich auszudrücken und das Interaktionsverhalten Rückschlüsse auf seelische Vorgänge ziehen, die schließlich zu einer Diagnostik und einem Behandlungsziel führen. Musik aus dem Radio oder von der CD zu hören ist zwar auch beruhigend oder anregend, kann jedoch nicht als Therapie bezeichnet werden, weil sie sich nicht spezifisch auf die Behandlung von Störungen bezieht.
Rezeptive Musiktherapie
Dagegen besteht in der therapeutischen Methode der sogenannten „rezeptiven Musiktherapie“ die Möglichkeit, auch durch das Hören von Musik auf belastende emotionale Ereignisse zu stoßen, die dann im Gespräch aufgegriffen werden können. Diese Form der Musiktherapie wurde vor allem in der ehemaligen DDR sehr ausgebaut, da dort die aktive Musiktherapie nicht zugelassen war. In der rezeptiven Musiktherapie verwenden wir etwa eine besondere Lieblingsmusik oder bestimmte Kompositionen von Klassik bis Jazz. Manchmal spielen wir auch als Therapeuten für den Patienten, wenn dies therapeutisch sinnvoll erscheint. Schließlich sind der funktionale Einsatz von Musik zu Trance-Induktion und Tiefenentspannung weitere Bereiche, in denen Musiktherapeuten tätig sind. Bereits heute wird in modernen Kliniken Musik in der Operationsvorbereitung eingesetzt, weil dadurch Anästhetika gespart werden können und die Aufwach- und Heilungsphasen verkürzt werden.
Musik in der Therapie ist trotz der mittlerweile langjährigen Erfahrungen und einem Ausbau von universitären Studiengängen wissenschaftliches Neuland. Als psychotherapeutisches Verfahren indes ist Musiktherapie für viele Patienten die einzige Chance, sich mit ihren Gefühlen auseinanderzusetzen. Schlaganfallpatienten werden in der Regel von keinem niedergelassenen Psychotherapeuten behandelt. Solche Patienten fallen meist mit ihrer posttraumatischen Belastungsstörung, die sich ein bis zwei Jahre nach dem Trauma als Depression zeigt, aus dem therapeutischen Netz heraus. Musiktherapie stellt hier wie in vielen anderen Fällen eine große Bereicherung der therapeutischen Grundversorgung dar. Doch auch weniger gravierende Störungen etwa bei Beziehungsproblemen oder familiären Belastungssituationen können in der Musiktherapie tiefgreifend behandelt werden. Informationen erhalten Sie gern über den Autor. Die Adresse und Telefonnummer liegt der nmz vor.