Bei der „dialog.Pop“ am 29. und 30. April trafen sich über 100 Vertreter/-innen von Clubs, Festivals und Förderprogrammen sowie aus der Politik, um über aktuelle Entwicklungen im Bereich der Popmusikförderung zu referieren und zu diskutieren. Am Ende der Konferenz einigten sie sich auf eine mutige Abschlussforderung: Jährlich 100 Millionen Euro Investitionsmittel für den Livemusik-Sektor seien nötig.
Der Verband für Popkultur in Bayern e. V. (VPBy) veranstaltete erneut in Kooperation mit der LiveMusikKommission e. V. (LiveKomm), dem Dachverband der Spielstätten in Deutschland, die „dialog.Pop“ in der Bayerischen Musikakademie Schloss Alteglofsheim. Gefördert wird die Konferenz seit letztem Jahr von der „Initiative Musik“ und seit diesem Jahr auch vom Bayerischen Kunstministerium. Der Schwerpunkt lag dieses Jahr auf der Spielstättenförderung auf Bundes- und Europaebene. Neben deutlich höheren Fördersummen vom Bund forderten die Teilnehmenden vor allem eine Stärkung der Netzwerke im Rahmen nachhaltiger Förderkonzepte. Als erster Schritt dahin kann durchaus die „dialog.Pop“ selbst gesehen werden, deren Hauptanliegen die Vernetzung und die gegenseitige Information der verschiedenen Initiativen und Projekte untereinander ist.
Zum Auftakt sprach der Bayerische Staatsminister für Wissenschaft und Kunst, Bernd Sibler, als Schirmherr der Tagung. Er betonte, Proberäume und Spielstätten für junge Künstler würden dringend benötigt, bei der Verknüpfung von Jugendförderung und klassischer Kulturförderung habe man den Pop-Bereich aber nicht immer auf dem Schirm. Daher steht die Rechtfertigung des VPBy für Sibler außer Frage. Er möchte künftig, auch unter stärkerer Zusammenarbeit mit kommunalen und privaten Förderern, die Pop-Musik besser unterstützen. Gastgeber und Vorsitzender des VPBy, Bernd Schweinar, sagte in seiner Eröffnungsrede, die Popkultur in ihrer gesamten Bandbreite brauche mehr Förderung. Dabei gehe es jetzt vor allem darum, nachhaltige Förderung zu erhalten, weil die Finanzierung durch immer neue kurzfristige Projektförderungen wenig Spielraum biete. Karsten Schölermann, Vorsitzender der LiveKomm forderte gleich zu Beginn eine gleichberechtigtere Förderung von Klassik und Pop.
Nach der Eröffnung durch die Verbände standen zahlreiche Best-Practice-Vorstellungen von bundesweiter Festival- und Clubförderung auf dem Programm. Ralf Duggen vom Würzburger Festival „Umsonst und Draußen“ beispielsweise berichtete, wie er Zuschüsse von Stadt, Bezirk und Kultusministerium erhalten konnte. Die Schwierigkeit dabei sei vor allem die Kommunikation mit den Förderstellen gewesen: „Wie kann man sinnvolle Rahmenbedingungen schaffen, um Förderung zu erhalten?“, das sollte seiner Meinung nach künftig enger zwischen Antragstellern und Förderstellen abgesprochen werden. Sina-Mareike Schulte stellte das „Musikland Niedersachsen“ vor. Die Initiative sieht sich als „Spielstättenstärker“ und unterstützt durch professionelle Vernetzung, Weiterbildungsangebote und Musikvermittlung Pop-Künstler und Konzertveranstalter. Hamburg hingegen begann als erstes Bundesland bereits 2009, private Spielstätten finanziell zu fördern. Thore Debor vom Clubkombinat Hamburg e. V. stellte die Infrastrukturförderung für private Musikbühnen vor, den „Live Concert Account“. Ein Vorteil des Programms sei vor allem der geringe Verwaltungsaufwand: Die Verteilung der Gelder basiert auf den GEMA-Rechnungen der Betreiber, je mehr Konzerte, desto höher die Förderung also. 436 bisher gestellte Anträge zeigen, dass die Kommunikation zwischen den Clubs und der Förderstelle in Hamburg wohl gut funktioniert. Die „Initiative Musik“ schließlich vereint als bundesweite Förderinitiative verschiedene Projekte. Björn Kagel stellte den Programmpreis „APPLAUS“ (Auszeichnung der Programmplanung unabhängiger Spielstätten) vor, der seit 2013 verliehen wird, um die kulturelle Bedeutung der Spielstätten hervorzuheben. Ein weiteres wichtiges Projekt ist „Digi-Invest“, das Livemusikspielstätten bei der Digitalisierung ihrer Aufführungstechnik unterstützt.
Im anschließenden Panel mit Erhard Grundl (MdB, Bündnis 90/Die Grünen), Ina Keßler, Karsten Schölermann und Katja Lucker (Musicboard Berlin) ging es um die Situation der Clubs, gerade auch vor dem Hintergrund der Gentrifizierung in den Städten, aber auch um die gesellschaftliche Bedeutung der Live-Musik. Keßler plädierte für eine stärkere Vernetzung der Spielstätten, um Informationen über Förderungen besser sichtbar zu machen. Auch die „Club-Nomaden“ wurden thematisiert: Clubs und Läden, die in vorübergehend leerstehende Gebäude einziehen, können aufgrund ihres kurzen Verbleibs vor Ort nur schwer Förderungen beantragen. Grünen-Politiker Grundl sieht das grundsätzlich kritisch. Das Problem sei, dass auf dem Land nach der Schließung eines Clubs oft nichts „nachwachse“ und häufig wechselnde Betreiber als „hip“ inszeniert würden. Er fordert deshalb staatliche Gelder für bezahlbaren Raum für Spielstätten. Karsten Schölermann kritisierte zudem, dass Förderprojekte stets mit Kostenplänen und Verwendungsnachweisen einhergehen. So fehle der Ort für das „zweckfreie Ausprobieren“, das für kreative Prozesse so wichtig sei.
Am zweiten Konferenztag lag der Schwerpunkt auf europaweiten Programmen. Elisa Thoma stellte das Projekt „Live Style Europe“ ihrer Organisation „Live DMA“ vor, das von der EU im Rahmen des Förderprogramms „Kreatives Europa Kultur“ unterstützt wird. Anschließend gab Sophia Hodge vom „Creative Europe Desk Kultur“ in Bonn eine Übersicht über die Kulturförderung der EU. Neben dem bereits erwähnten Programm „Kreatives Europa Kultur“, das Kooperationen zwischen Organisationen aus verschiedenen europäischen Ländern mit bis zu zwei Millionen Euro fördert, gibt es seit Ende 2015 auch das Projekt „Music Moves Europe“. Es hat seither mit rund 52 Millionen Euro etwa 80 musikalische Kooperationsprojekte gefördert. Beide setzen voraus, dass sich Clubs, Festivals oder musikalische Projekte aus verschiedenen Ländern zusammentun – bei „Kreatives Europa Kultur“ beispielsweise aus drei Ländern für ein „kleines Kooperationsprojekt“ und aus sechs Ländern für ein großes – und ein passendes Konzept für die internationale Zusammenarbeit entwerfen.
Den Abschluss bildete ein Panel zu „Music Moves Europe“. Dabei diskutierten Björn Kagel, Elisa Thoma, Dr. Helga Trüpel (MdEP, Bündnis 90/Die Grünen), Simone Barrientos (MdB, Die Linke) und Ismail Ertug (MdEP, SPD) über die europapolitische Situation der Pop-Musikförderung. Ertug berichtete, die SPD fordere im EU-Wahlprogramm ein Budget von 2,8 Milliarden Euro für die Kulturförderung, weil Musik und Kultur die Menschen zusammenbringe. Barrientos forderte dazu auf, die Förderbudgets auch auszuschöpfen und möglichst viele Anträge zu stellen, um der Politik den Förderbedarf deutlich zu machen. Trüpels Aufruf an die Teilnehmenden, vor der anstehenden Wahl möglichst hohe Forderungen zu stellen, zielte in die gleiche Richtung. Für die Einigkeit der politischen Gäste gab es aber auch Kritik.
Gerade vor dem Hintergrund der Positionierung gegen rechte Tendenzen durch Kulturbetriebe, so merkte ein Teilnehmer an, müsse man auch die CDU/CSU in den Diskurs miteinbeziehen. Auch ganz allgemein wäre das natürlich von Vorteil. Engagierte Vertreter gerade der Pop-Musikförderung sind dort aber wohl schwierig zu finden. Am Ende waren sich die Teilnehmenden aber einig: Die Clubkultur ist eine grenzübergreifende integrative Kraft, die auch mit Fokus auf den europäischen Kontext diskutiert und gefördert werden sollte. Dazu, so Ina Keßler abschließend, habe auch die diesjährige „dialog.Pop“ einen Beitrag geleistet.