Nachdem ich den Artikel „Neue Lust am Singen – Chöre sehen eine Trendwende nach Corona“ vom 18.08.2024 von Irene Güttel und Rolf Schraa in der neuen musikzeitung mit Interesse gelesen hatte, fragte ich mich, wie es eigentlich meinen Chorkindern (gemischter Knabenchor) zwei Jahre nach Corona geht.
Wie geht es dir?
Mir kam die Idee, sieben kurze Fragen an meine „Jungs“ in Form eines Mini-Interviews zu stellen, und ich bekam spontane Antworten, die mich oft schmunzeln ließen, aber auch nachdenklich gemacht haben.
Nach einer Chorprobe befragte ich drei Chorkinder im Alter von acht Jahren, die ab dem Sommer neu in den Chor gekommen sind, ein elf- und ein zwölfjähriges Mitglied und zwei Sänger, vierzehn und sechzehn Jahre alt.
Es war mir sehr wichtig, alltägliche und spezielle Fragen zu stellen, um eine gelöste, entspannte Atmosphäre herbeizuführen.
Diese waren:
- Hast du Freunde im Chor?
- Wie würdest du die Anfangszeit im Chor beschreiben?
- Was findest du am Chorsingen am besten?
- Wie geht es dir mit dem Chor und wie, wenn es ihn nicht gäbe?
- Wie würdest du die Zeit beschreiben, wo wir uns nicht im Chor treffen konnten (Corona-Pausen) und was hat das mit dir gemacht?
- Was meinst du, warum wir in diesem Jahr nicht so viele Kinder haben, die bei uns anfangen?
- Gibt es ein Lieblingsstück, welches du gerne singst?
(Die Fragen Nummer 4 und 5 habe ich ab der Altersgruppe ab 11 Jahren gestellt, da sie nicht relevant für neue Chormitglieder sind.)
Mich interessierten besonders die Fragen nach dem „Seelenzustand“ während Corona und heute.
Zur Auswertung ließ sich Folgendes feststellen: Das Gewicht der Freundschaft und persönlichen Verbundenheit wiegt schwer und alle Sänger haben Freunde im Chor, mit denen das Singen verbindet. Meinen Kindern geht es damit sehr gut, der Treffpunkt Chorprobe spielt eine große Rolle im Leben für die Kids.
Die Anfangszeit im Chor bekam ein positives Echo nur von den „Neulingen“, Altersgruppe 8.
Bei allen anderen Sängern gab es Einschränkungen, vor allem ein 12-Jähriger empfand die Anfangszeit als ziemlich schwierig, da er das volle Programm mit Videoproben absolviert hatte und alles wiederholen musste im Chor, als Präsenz wieder möglich war.
Von „cool“ bis „total chaotisch“ war also im Querschnitt alles dabei. Auffallend war hier wiederum, dass alle den Anschluss und die Gemeinschaft, trotz Öffnungen und Schließungen, Abstands- und Hygieneregelungen der Chorproben von 2020 bis 2022, sehr zu schätzen gelernt haben.
Als das Beste am Chorsingen wurde übereinstimmend die gemeinschaftliche Aktivität innerhalb und außerhalb der Chorprobe genannt, für „unsere Jüngsten“ ist es schön, vielstimmig zu singen und nun Teil eines großen Ganzen zu sein. Das Zitat eines 11- Jährigen berührte mich persönlich als Chorleiterin: „Das Beste am Chorsingen ist für mich, dass alle miteinander singen und auch Spaß haben.“ Was will man mehr…
Allen meinen Chorsängern geht es mit dem Chor gut bis sehr gut, ohne ihn wäre es für die meisten langweilig, sie hätten „definitiv ein anderes Leben geführt“ und auch nicht die Menschen um sich herum. Das positive Lebensgefühl von Freude und Verbundenheit überwog tatsächlich, als ich diese Frage gestellt habe.
Ohne den Chor wäre es „langweiliger“, aber „ich hätte dann irgendetwas anderes gemacht“ oder „das kann ich mir nicht vorstellen…“ beruhigt mich, zaubert mir ein Lächeln ins Gesicht und schmeichelt mir sogar ein ganz klein wenig.
Zur Aussage, wie es den Jungs in der Corona-Pandemie ging, gibt es nur ein Fazit: Alle vermissten das soziale Miteinander, das sich wirkliche Sehen und miteinander Musizieren und auch unsere Angebote per Videoproben wurden als nicht positiv im Rückblick betrachtet, ein Sänger von mir wollte sich dazu nicht äußern, die drei anderen empfanden ausschließlich negative Gefühle, wenn sie an diese Zeit zurückdachten.
Zum heutigen Zeitpunkt haben wir erstmals Nachwuchsprobleme, selbst nach der Corona-Pandemie kamen immer wieder Kinder zu uns, sodass wir eine gewisse Qualität immer erreichen konnten. Zum jetzigen Zeitpunkt Herbst 2024 lässt der Zuspruch nach und nach der Frage warum, bekam ich die Antworten, die sich hier lokal auftun: Unser größter Konkurrent ist das Fußballspielen oder andere Sportarten im Verein, die sowohl in der Woche als auch an den meisten Wochenenden viel Zeit „wegfressen“.
Interessanterweise äußern meine Sänger auch, dass vielen Kindern das Interesse am Singen in den Schulen nicht so gut vermittelt wird. Ein Sänger nennt den Umgang mit Handys und Computern als Ursache für Desinteresse am Chorsingen und damit die Verlagerung der persönlichen Interessen.
Die letzte Frage nach dem Lieblingsstück im Chor habe ich deshalb gestellt, damit die Art der Befragung einen persönlichen und lockeren Abschluss findet und alle meine Interviewpartner haben verschiedene Lieblingsstücke, so wie sie selbst auch Individuen sind – gut so!
Mein Fazit fällt durchweg positiv aus: Meinen Chorsängern geht es heute gut, die wirklich ganz kleinen Corona-„Wunden“ sind ihnen nicht anzusehen, Freude und positive Energie überwiegt.
Meine Corona-Erfahrungen als Chorleiterin bleiben aber eine prägende Lebenserfahrung, die gerade jetzt in den Herbst- und Wintermonaten wieder präsent wird.
Durch meine „Jungs“, die mir ihre Stärke des Zusammenhalts zeigen, schöpfe ich Kraft und Energie und bin dankbar, mit diesen jungen Menschen zu musizieren.
Das Singen macht uns zusammen stark und trägt mich durch jede Chorprobe.
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