Wenn wir ein Motto für das Jahr 2024 finden müssten, dann wäre es ganz sicher „Immer in Bewegung bleiben“. Das kann man wörtlich nehmen, wenn es um unsere Geschäftsstelle geht – da die GEMA umgezogen ist, mussten wir unser Büro dort verlassen und befinden uns gerade in einer „Interimslösung“, einem ehemaligen Reisebüro im alten Gebäude. Damit einher ging eine schon lange fällige Sichtung von zahllosen Akten aus der Verbandsgeschichte und die dringliche Frage, wie man damit umgeht, wenn der Platz knapp wird. Muss man jeden Aufnahmeantrag von vor 50 Jahren aufbewahren, jede alltägliche E-Mail ausdrucken und archivieren? Dennoch gibt es da auch einige historische Schätze zu bergen, die man auf jeden Fall bewahren muss, aus der Verantwortung gegenüber zukünftigen Generationen heraus.
Am besten gemeinsam und solidarisch
Apropos Geschäftsstelle: Da hat sich auch einiges getan – unser schon hervorragend eingearbeiteter Dieter Behrens ist nun Geschäftsführer und wird unterstützt vom neu hinzugekommenen Vincent Brucker, der einiges an Verbandserfahrung in den neuen Job mitgebracht hat. Die Mitgliederentwicklung 2024 war einer der ganz besonders erfreulichen Aspekte in diesem Jahr – im Moment geht die Kurve kontinuierlich nach oben und wir haben in allen Fachgruppen stetigen Zuwachs. Dass es so ist, hat einerseits damit zu tun, dass wir als Verband insgesamt als relevanter und aktiver wahrgenommen werden (was uns freut), aber natürlich auch mit der zunehmend schwierigen Situation von freischaffenden Komponistinnen und Komponisten, die immer mehr die Notwendigkeit erkennen, von einem Verband repräsentiert zu werden. Im Grunde brennt es an allen Ecken und Enden – das große Thema KI-generierte Musik stellt zum Beispiel eine ernstzunehmende berufliche Bedrohung für alle dar, und es ist noch nicht klar, was man dem entgegenstellen kann. Schon jetzt kann man beobachten, dass sich die Auftragslage in einigen Genres deutlich verschlechtert hat, und das ist vermutlich nur der Beginn eines Trends, denn wenn KI-Musik billiger ist als die Leistung von Menschen, haben die Menschen das Nachsehen im Markt. Menschlich erzeugte Kreativität ist zum Luxusgut geworden, auf Social Media dominieren schon jetzt die Erzeugnisse von Bots.
Zu dieser schon schwierigen Situation kommt noch ein weiteres Paradox: Der Musikmarkt als Industrie verzeichnet zwar ständig steigende Gewinne und die Streamingzahlen sind so hoch wie noch nie, gleichzeitig kommt aber bei den Künstlerinnen und Künstlern immer weniger davon an. Die KIs bestehlen uns und die Konzerne beuten uns aus. Damit einher geht ein Verlust von Vielfalt. Man hat das Gefühl, dass es immer weniger weltweit bekannte Acts gibt, diese aber immer mehr dominieren, weil dahinter gigantische Marketingmaschinen stehen. Nichts gegen Taylor Swift und Stars ihres Kalibers – aber manchmal hat man das Gefühl, es gibt gar nichts mehr anderes. Das Nachsehen hat – wie auch in der Gesellschaft – der für eine gesunde Kulturlandschaft so wichtige „Mittelstand“. Für den Nachwuchs ist es immer schwerer, sich zu behaupten oder wahrgenommen zu werden, wenn dann nun auch massive Coronarückzahlungen und ein sich abzeichnender massiver Sparkurs in Deutschland sowie Rundfunkreformen hinzukommen, hat man nicht das Gefühl, dass die Zukunft besonders rosig aussieht.
Die nichtkommerzielle Musik scheint beim Thema KI auf den ersten Blick weniger betroffen, aber auch da ziehen Wolken am Horizont auf, seitdem dieses Jahr eine mögliche Reform der E-Musik bei der GEMA ins Spiel gebracht wurde. Hier drohen Komponierenden, die ohnehin schon mit Musik fern des Mainstreams nicht viel verdienen, noch weitere Einbußen ihres Einkommens. Was droht, ist der Verlust des kreativen Pools, von dem alle Genres profitieren – in einer Zeit, in der die Mainstream-Musik immer genormter und gleichförmiger scheint (was auch an dem Einsatz von KI liegt), braucht es die neuen und vielleicht auch erst einmal sperrigen Ideen in allen Genres. Dass diese nicht nur in akademischer E-Musik zu finden sind, wäre vielleicht eine der positiven Entwicklungen, die wir bei dieser Reform erreichen könnten. Man muss aber betonen, dass hinter der Entwicklung bei der GEMA vor allem der Druck von großen internationalen Musikkonzernen steht, und diese handeln wie schon oben erwähnt meist nicht im Sinne der Urheber.
In so einer Situation müssen wir als Verband reagieren, daher dominieren diese Themen auch unsere in größerer Zahl als früher stattfindenden Vorstandssitzungen. Hier heute komplett unpolitisch zu sein, ist unmöglich, da die politische Situation im Land unsere Zukunft als Musikschaffende massiv beeinflusst. In Liechtenstein wurde gerade durch eine populistische Partei der öffentliche Rundfunk abgeschafft – hier ist das inzwischen in einigen Bundesländern auch schon nicht mehr unvorstellbar und hätte massive negative Konsequenzen auf das Musikleben in U wie E.
Das Unvorstellbare ist Realität – was vormals als „Mitte“ und allgemeiner Konsens empfunden wurde, ist nun gefühlt in der Minderheit. Immer radikalere Positionen spalten die Gesellschaft und es wird immer undurchsichtiger, was eigentlich die „öffentliche Meinung“ ist, weil das Säen von Misstrauen und Falschinformationen inzwischen zur politischen Waffe geworden ist. Eines ist sicher – wir als Musikschaffende können diese Entwicklungen nicht komplett ignorieren, sondern müssen dazu Position beziehen. Am besten gemeinsam und solidarisch, als Mitglieder des DKV.
- Share by mail
Share on