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Dialog zum GEMA-Reformvorhaben

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Mitglieder des GEMA-Aufsichtsrates stehen Rede und Antwort
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Charlotte Seither und Ali Zuckowski vertreten als Mitglieder des GEMA-Aufsichtsrates und innerhalb des DKV die Interessen von Komponierenden ihrer jeweiligen Genres. Die Fragen stellte Dieter Behrens vom Deutschen Komponist:innenverband.

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Deutscher Komponist: innenverband: Welche Erwartungen und Wünsche hast du an den Reformprozess bis zur und auf der GEMA-OMV im Mai?

Charlotte Seither: Ich wünsche mir Offenheit, Wertschätzung und Kollegialität unter den Genres. Wir können die Herausforderungen nur gemeinsam lösen. Ich habe allen Respekt vor denen, die das GEMA-Solidarsystem durch ihre Unterstützung tragen. Sie ziehen den Karren. Die GEMA steht in einer starken Tradition der Kulturförderung und wird als Verwertungsgesellschaft nur in und mit Kultur überleben können.

Ali Zuckowski: Ich hoffe, dass der dringend notwendige Reformprozess zu einer für die Zukunft tragfähigen und nachhaltigen Lösung führt. Durch die sich rasant verändernden Marktbedingungen, den zunehmenden internationalen Wettbewerbsdruck gegenüber der GEMA und den Wegfall aufkommensstarker E-Werke ist die jetzige Struktur nicht mehr aufrecht zu halten. Damit die so wichtige Kulturförderung weiter bestehen kann, ist es daher notwendig, jetzt zu handeln.

DKV: Welche Hoffnungen hast du bezüglich der GEMA-Reform?

Seither: Vielfalt unter den Genres ist immer gut. Die Ausgestaltung der Reform zeigt bislang jedoch, dass die E-Musik massivst in ihrem Bestand bedroht ist: Wir brauchen ein Mehr an Kultur in der Gesellschaft, kein Weniger. Kultur zu verlieren, die an den Rändern wirkt, führt eine Gesellschaft immer in die Verengung. Ich nehme dies in großer Sorge wahr.

Zuckowski: Kulturförderung empfinde ich als wichtige Aufgabe der GEMA. Ich hoffe, dass durch die Reform Förderstrukturen geschaffen werden, die nachhaltig förderungswürdige und förderungsbedürftige Werke und Autor:innen in allen Genres unterstützen können. Dies gilt natürlich für die Zeitgenössische Neue Musik, aber auch für kulturell relevante und wertvolle Werke unabhängig von starren Genre-Grenzen.

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DKV: Welche Sorgen hast du bezüglich der Reform?

Seither: Wenn eine Reform den Inkasso-Bezug in den Mittelpunkt stellt, hängt alles an der ausgleichenden Balance: Ressourcen, die entnommen werden, brauchen einen Rückfluss, damit das System resilient bleibt. Wie kann unsere E-Musik-Landschaft auch langfristig in den Regionen, im Nicht-Kommerziellen, im Widerständigen erhalten bleiben? Unsere Verteilungssysteme dürfen sich nicht selbst von innen aushöhlen. Keine Musik, auch nicht die E-Musik, darf dem endgültigen Verfall preisgegeben werden.

Zuckowski: Die Reform jetzt auf den Weg zu bringen halte ich für wichtig und nötig. Ich wünsche mir, dass wir konstruktiv zusammenarbeiten und miteinander statt gegeneinander arbeiten, um diese große Aufgabe im bestmöglichen Sinne für alle zu meis­tern. Wir haben jetzt noch die Chance, diesen großen Schritt aus einer stabilen Position heraus zu gehen. Diese Chance dürfen wir nicht verpassen.

DKV: Was wird sich für Komponierende in deinem Genre dadurch ändern?

Seither: Ich bin in größter Sorge: Was für Handlungsoptionen können wir unseren Kindern morgen noch in der Sparte E übergeben? Wie können wir den Geist der Minderheit, des Sperrigen und Nicht-Kommerziellen weiter in die Gesellschaft tragen? Schauen wir nach Italien oder in die USA: Erst stirbt die kritische Kulturförderung, dann erlahmt die Demokratie. Für diese Folgen sind wir alle verantwortlich. Gemeinsam können wir gegensteuern.

Zuckowski: Durch die sich verändernden Marktbedingungen ist es für viele Autor:innen der U-Musik schwer bis unmöglich geworden, von ihrer Kunst zu leben. Großartige und progressive junge Bands und Solo-Artists finden kaum Auftrittsmöglichkeiten. Das Streaming bringt oft nicht ansatzweise genug Einnahmen, um davon leben zu können. Es gibt hierfür in der bisherigen Struktur keinen Mechanismus, der diese Künstler:innen angemessen unterstützt. Wenn die Reform eine Förderstruktur auf den Weg bringt, die unabhängig vom Genre auf bestmögliche Weise Schöpfer:innen kulturell wertvoller Werke unterstützt, wäre das ein großer Gewinn.

DKV: Was möchtest du Komponierenden anderer Genres diesbezüglich mitteilen?

Seither: Ihr zieht den Karren. Danke dafür – es wird gesehen! Lasst uns diese Solidarität gemeinsam so fortsetzen. Ich bin fest davon überzeugt, dass die GEMA auch weiterhin zukunftsfähig ist, wenn sie sich zu ihren Werten bekennt: Solidarität, Nachhaltigkeit, Resilienz. Wirtschaftssysteme kommen und gehen. Karrieren steigen und fallen. Eines aber verbindet uns durch alle Genres: Kultur bleibt. Für uns alle gemeinsam.

Zuckowski: Die Zeitgenössische Neue Musik ist ein großartiger und wichtiger Bestandteil der Deutschen Kultur und hat meinen großen Respekt. Ich wünsche mir, dass wir genreübergreifend zusammenarbeiten und jeweils versuchen, auch die andere Seite zu verstehen. Wir können und müssen jetzt eine Förderstruktur auf den Weg bringen, die nachhaltig bestehen kann, um auch in Zukunft im bestmöglichen Sinne kulturell wertvolle Musik und deren Autor:innen zu unterstützen.

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