Im Deutschen Komponist*innenverband sind nicht nur alle musikalischen Sparten, sondern auch Angehörige aller Generationen vertreten. Im Dezember 2021 ergriffen zwei jüngere Mitglieder die Initiative und gründeten die Arbeitsgemeinschaft „Generation Zukunft“, die sich auf die spezifischen Bedürfnisse von Berufsanfänger*innen konzentriert. Unterstützt werden sie dabei unter anderem durch erfahrene Kolleg*innen im Netzwerk, die ihr Wissen aus jahrelanger Berufspraxis gerne teilen. Nastasja Futyma aus der Berliner Geschäftsstelle sprach mit den beiden Initiatoren Marta Kowalczuk und Romeo Wecks darüber, was seit der Gründung so geschehen ist, aber auch über Ziele und Wünsche.
neue musikzeitung: Vielleicht beginnen wir mit einer privaten Frage. Wie seid ihr beiden eigentlich zum Komponieren gekommen?
Romeo Wecks: Ursprünglich wollte ich Klavier studieren und habe immer schon nebenbei komponiert und improvisiert, aber dem nicht wirklich große Bedeutung beigemessen. 2013 wollte ich mich dann eigentlich für ein Klavierstudium bewerben und habe mich eigentlich eher „just for fun“ auch für ein Kompositionsstudium beworben. Die Aufnahmeprüfung hat entschieden: In Komposition wurde ich angenommen, in Klavier nicht und im Nachhinein war es eigentlich das Beste, was mir passieren konnte, weil ich mich so viel breiter aufstellen konnte. Dirigieren gehörte zum Beispiel dazu und als Komponist hat man die Möglichkeit, seine eigenen Ideen, seine eigene Sprache, das, was man selbst geschaffen hat, dem Publikum mitzuteilen.
Marta Kowalczuk: Bei mir war es ziemlich einfach. Meine Eltern sind Musiker und als ich jung war, war ich jeden Freitag in der Philharmonie und habe meinen Vater Fagott spielen gehört. Mit vier Jahren, hatte ich die Idee, dass ich gerne ein Stück für dieses Orchester schreiben würde. Ich weiß nicht warum, aber das war so. Und als ich mit sechs zur Schule gegangen bin, habe ich auch angefangen zu komponieren, das kam für mich wirklich ganz natürlich und hat mich wirklich interessiert. Ich habe dann angefangen Geige zu spielen, aber das Komponieren war immer auch da. Als ich älter wurde, habe ich Kompositionsunterricht bekommen. Später musste ich nicht groß darüber nachdenken, dieses Studium zu wählen; ich wusste von Anfang an, dass ich Komposition studieren werde.
Futyma: Und wie ist es dann zur Gründung der AG gekommen? Was war eure Idee dabei?
Kowalczuk: Romeo und ich sind befreundet; wir haben uns in Weimar kennengelernt und oft über Neue Musik gesprochen und natürlich auch darüber, wie die Szene so aufgestellt ist. Dabei ist uns aufgefallen, dass es nichts für junge Komponisten gibt und wir da gerne etwas machen würden.
Wecks: Meine erste Idee zu dieser Arbeitsgemeinschaft wurde eigentlich dadurch ausgelöst, dass Charlotte Seither mich fragte, ob ich mich für die Zukunftswerkstatt beim Deutschen Musikrat nominieren lassen würde. Ein Schlüsselerlebnis war dann meine erste Versammlung aller Vorsitzenden der Landesverbände im Komponistenverband, bei der ich merkte, dass die jungen Stimmen bei uns wirklich sehr unterrepräsentiert sind. In den Gesprächen mit Marta ist die Idee dann ganz natürlich gewachsen und wir haben uns gedacht, warum setzen wir nicht gleich an der Quelle an, bei den Komponist*innen in unserem Verband?
Junge Stimme sein
nmz: Ihr wollt vor allem ‚Kompositionsneulinge‘, also Studierende und Berufsanfänger*innen in ihren Anfängen unterstützen. Habt ihr schon Ideen, wie ihr das gestalten wollt?
Wecks: Ja, es gibt da mehrere Gesichtspunkte. Unser Hauptanliegen ist es, gerade Berufsanfänger*innen aufzufangen, denn am Anfang ist man meist noch sehr in seiner „Hochschulbubble“ und hat eigentlich noch überhaupt keine Ahnung. Aber es geht auch darum, eine junge Stimme im Komponistenverband zu sein, um künftig vielleicht auch bei Entscheidungen gefragt zu werden oder eine Meinung beisteuern zu können – ein großer Teil unserer Verbandsmitglieder hat ja doch einen etwas höheren Altersdurchschnitt. Es geht doch letztlich auch um die Zukunft des DKV; wie sieht der Verband in 15, 20 Jahren aus? Wie kann man ihn gerade für junge Mitglieder attraktiver machen?
In diversen Zoommeetings unserer AG war Konsens, dass wir jetzt vor allem durch gute Aktionen werben und damit eine Außenwirksamkeit erzielen wollen, zum Beispiel durch tolle Workshops. Es gab auch die Idee, gemeinsame Konzerte zu veranstalten, denn wenn sowas eine gewisse Öffentlichkeit erreicht und auch von jungen Komponist*innen gesehen wird mit der Option, da selbst mitmachen zu können, kann das durchaus eine schöne Eigendynamik entwickeln.
Kowalczuk: Ich denke, die AG kann auch sehr hilfreich für Ausländer*innen sein, die neu nach Deutschland kommen. Die wissen oft nämlich gar nicht, wie Dinge hier funktionieren; was die GEMA ist zum Beispiel und ob es sinnvoll ist, dort Mitglied zu werden. Wir können die Kolleg*innen „an die Hand nehmen“ und ihnen erklären, wie hier alles läuft. Wir wünschen uns aber auch sehr Gespräche und Diskussionen untereinander, durch die vor allem junge Komponist*innen bei der Suche nach einer Richtung Unterstützung erhalten und sehen, dass sie nicht alleine sind – vielleicht auch, indem sie Ratschläge von erfahreneren Komponist*innen bekommen.
Futyma: Also ein Austausch von Tipps und Tricks. Was war denn solch ein Tipp, der euch persönlich mal wirklich weitergeholfen hat?
Wecks: Für mich war es hilfreich, dass ich schon sehr früh motiviert wurde, Mitglied in der GEMA zu werden. Es war im Nachhinein wahnsinnig gut, dass ich das so zeitig gemacht habe. Viele meiner Kolleg*innen in meinem Umfeld haben das noch nicht getan, obwohl es ein Stück weit ja auch eine Einkommensquelle ist und je zeitiger man anfängt, desto mehr hat man ein paar Jahre später davon. Auch wenn man sich jetzt vielleicht noch unsicher ist, ob das wirklich der richtige Weg ist, aber gerade zu Beginn des Studiums ist wichtig, dass man frühzeitig informiert und dann auch motiviert ist zu schauen, wie man danach als Komponist*in seinen Lebensunterhalt wenigstens teilweise bestreiten kann.
Kowalczuk: Bei mir war es so ähnlich. Ich bin seit drei Jahren in Deutschland, studiere seit zweieinhalb Jahren und ich wusste zuerst nicht, dass es so etwas wie die GEMA überhaupt gibt. In einem Gespräch hat Johannes Hildebrandt mir vieles erklärt, worauf ich achten sollte, was wichtig ist und wie ich Geld verdienen kann. Da habe ich auch erfahren, wie die GEMA funktioniert, dass es so etwas wie den DKV gibt und habe sofort beschlossen, da Mitglied zu werden.
Konstellationen
nmz: Ihr sagt ja, dass ihr über sämtliche Gattungs- und Genregrenzen hinweg eine Anlaufstelle für alle sein wollt. Wie funktioniert das für Euch und wie seid ihr derzeit aufgestellt?
Wecks: Unsere Konstellation ist zur Zeit relativ gemischt. Ein Großteil kommt aus der E-Musik, aber es gibt auch ein paar Filmkomponist*innen, mit denen die Schnittmenge ziemlich groß ist. Aus Thüringen ist jetzt auch ein Folksänger/Singer/Songwriter zu uns gestoßen. Grundsätzlich finde ich, dass die AG auf jeden Fall offen sein soll und wenn genug Leute einer Sparte oder eines Bereiches da sind, dann können die auch wieder andere in diesem Bereich unterstützen. Deswegen würde ich da ungern strikte Trennungen vorschlagen, sondern einfach sagen, wir sind alle junge Musikschaffende, ganz unabhängig vom Genre, und bei uns findet man auf jeden Fall erstmal einen Ansprechpartner.
Ich denke auch, dass die AG eine Brücke schlagen sollte zwischen E- und U-Musik – da sollte es durchaus weniger Vorurteile geben. Vielleicht könnte man ein bisschen diese Grabenkämpfe beilegen und eher sehen, was wir voneinander lernen können. Auch dafür soll die AG ein Stück weit stehen.
Kowalczuk: Meiner Meinung nach sollte es so sein, dass wir die anderen Komponist*innen kennenlernen und uns nicht nur geschlossen in unseren jeweiligen Genres – nur U- oder nur E-Musik bewegen, sondern miteinander sprechen und auch sehen, was in anderen Genres so los ist. Wir sind junge Komponist*innen am Anfang und deswegen ist es gut, diese Gespräche zu haben, sich gegenseitig kennen zu lernen. Und wenn wir einmal soweit sind, dass wir Konzerte veranstalten, dann wäre es auch toll, die Genres zu mischen und somit auch das Publikum. So käme vielleicht ein bisschen U-Musik-Publikum und ein bisschen E-Musik-Publikum und wir könnten uns gegenseitig vorstellen und etwas zusammen machen. Wir müssen uns nicht so streng aufteilen.
Komponist*innengespräche
nmz: Ihr habt die Konzerte bereits erwähnt. Habt ihr da auch schon Pläne, vielleicht auch zu möglichen Kooperationen mit anderen jungen Initiativen?
Wecks: Also darüber nachgedacht haben wir auf jeden Fall. Wenn man ein gemeinsames Konzert organisiert, müssen ja auch irgendwo die Interpret*innen herkommen und da wäre es natürlich total sinnvoll, wenn man zum Beispíel ein junges Ensemble fragen würde, ob die Lust dazu hätten und man vielleicht sogar für deren Besetzung schreiben würde, möglicherweise auch mit einem übergeordneten Thema. Konkret gibt es da jetzt noch keine Pläne, Ideen aber gibt es auf jeden Fall und wir sind sehr offen für alles.
Futyma: Im vergangenen Jahr habt ihr ja online schon Komponistengespräche geführt. Funktionieren die auch spartenübergreifend?
Wecks: Ja, auf jeden Fall. Violeta Dinescu, Wolfgang Andreas Schultz und Michel Obst sind natürlich E, aber Dan Tramte etwa stammt aus einem ganz anderen Genre, geht auch in Richtung Computerspielmusik und ist total offen. Mit Martina Eisenreich, die 2018 als erste Frau mit dem Deutschen Filmmusikpreis ausgezeichnet wurde und Micki Meuser konnten wir auch die Besonderheiten der Filmmusikkompo-nist*innen beleuchten – und mehr. Denn neben seiner Tätigkeit als Komponist ist Micki nicht nur Initiator der Fachgruppe DEFKOM (Deutsche Filmkomponist*innen Union) und Vorstandsmitglied im DKV, sondern gehört darüber hinaus auch dem Vorstand der Initiative Urheberrecht an und ist nebenbei noch als Produzent tätig. Die Gesprächsreihe ist gut angelaufen und etabliert sich immer mehr. Die Planung läuft natürlich immer weiter, momentan ist aber noch nichts spruchreif.
Futyma: Was können denn jetzt ältere oder auch jüngere Kolleg*innen tun, wenn sie euch unterstützen oder bei euch mitmachen wollen?
Wecks: Bei den älteren Kolleg*innen ist es für uns auf jeden Fall spannend, aus deren Erfahrungsschatz zu schöpfen, ganz egal aus welchem Bereich. Nicht nur etwa deren Schlüsselerlebnis, um erfolgreich zu werden, sondern vielleicht auch einfach Tipps und Tricks. Da sind wir wieder bei Johannes Hildebrandt, der mir das mit dem Reklamieren bei der GEMA erklärt hat, wovon ich auch nicht wusste, dass man zum Beispiel Abrechnungen immer wieder kontrollieren und da auch wirklich hinterher sein muss. Da gibt es bestimmt auch noch viele andere Dinge, etwa, wie man mit Veranstaltern richtig spricht oder mit Verlagen, das ist dann ja der nächste Schritt. Da sind ältere Kolleg*innen bestimmt gute Ansprechpartner*innen, aber natürlich auch für die Gespräche, die wir schon etabliert haben. Bei den Jüngeren sind wir eigentlich dankbar für jede Hilfe und wenn sich Leute vor allem organisatorisch einbringen möchten, sind die jederzeit sehr willkommen, denn eigentlich können wir jede Art von Hilfe brauchen. Bei Interesse gerne einfach eine E-Mail schreiben!
Futyma: Und wenn ihr jetzt in die weitere Zukunft blickt, was seht ihr da für Herausforderungen auf euch zukommen, die vielleicht vor allem euch junge Generation betreffen?
Wecks: Das ist schwierig, weil das jetzt eine sehr persönliche Antwort wäre, ohne dass ich stellvertretend für die AG sprechen könnte. Zum einen sehe ich mit Sorge die zunehmende Spaltung der Gesellschaft – und da ist es einfach wichtig, dass man wieder mehr mit Respekt aufeinander zugeht, egal welcher Meinung die andere Seite ist. Es ist ja ein gesamtgesellschaftliches Problem, dass es nur noch Extreme gibt. Und darüber hinaus, in Hinblick auf Komposition, ist natürlich die Frage, wie das jetzt alles weitergeht, auch in Punkto Kulturfinanzierung. Wie viel bleibt dann im Endeffekt bei uns? Oder heißt es irgendwann nicht eher: „E-Musik – wer will das denn noch hören? Oder kann das einfach weg?“ Also diese Gefahr steht schon irgendwie im Raum.
Deswegen wäre es natürlich auch ein schönes Ziel der AG, sich auch als junge Komponist*innen an die Politik zu wenden, um ein Zeichen zu setzen und zu sagen: „Ja, hier sind wir!“ und dass man da auch an der einen oder anderen Schraube mitdrehen könnte. Es ist halt eine wahnsinnig turbulente und spannende Zeit und eigentlich weiß niemand so richtig, wo die Reise hin geht. Da kann man nur in die Glaskugel schauen, das Beste hoffen und jeden Tag irgendwie probieren, das Beste in die Welt zu setzen und ansonsten kann man nur hoffen.