„Never change a running system“ – nach dem Motto der alten deutschen Computerweisheit läuft auch der „Deutsche Kammermusikkurs Jugend musiziert“ seit nun beinahe fünf Jahrzehnten erfolgreich. Was durchaus heißen kann, dass erfolgreiche Systeme gelegentlich ein Update erhalten.
So auch im vorliegenden Fall. Bereits im Jahr zwei des bundesweiten Wettbewerbs „Jugend musiziert“ wurde der Deutsche Kammermusikkurs gegründet, denn die Verantwortlichen fühlten sich einer musikpädagogisch langfristig angelegten Betreuung von „Jugend musiziert“ Teilnehmern verpflichtet. Dazu gehörte, so früh wie möglich den Zugang zu den verschiedenen Formen des Kammermusikspiels zu öffnen.
Eberhard Schmidt, für die „Musikalische Jugend Deutschlands“, heute Jeunesses Musicales Deutschland, Mitglied im Hauptausschuss „Jugend musiziert“, heute Projektbeirat, begann diese Kammermusikarbeit 1964 als Maßnahme der MJD, 1970 wurde sie in die Trägerschaft des Deutschen Musikrats übergeleitet.
Seither wird einmal jährlich unter erfahrener pädagogischer Leitung kammermusikalische Spielpraxis am Beispiel klassischer Standardwerke und zeitgenössischer Musik vermittelt. „Auch die Bildung künstlerisch qualifizierter, überregional zusammengesetzter Ensembles und ihre Interpretationsfähigkeit sollen damit rechtzeitig, also vor Eintritt in ein eventuelles Musikstudium, angeregt werden“, so die Überlegungen zum 25. Jahrestag seiner Geburt.
Diese Anschlussförderung galt als Modell und sollte entsprechende Einrichtungen auf Landesebene nach sich ziehen. 49 Jahre später finden solche Kammermusikkurse in 7 Bundesländern inzwischen als feste Einrichtungen regelmäßig statt, dazu gibt es projektweise Kammermusikkurse, die der Vorbereitung von Ensembles auf den Bundeswettbewerb „Jugend musiziert“ dienen oder Neue oder Alte Musik als Schwerpunkt haben.
Die Kursorte wechseln, aber fast immer sind es Musikakademien, in denen der Deutsche Kammermusikkurs zu Gast ist. Der Bestand großer Instrumente, Übernachtungs- und Verpflegungsmöglichkeiten, die Anzahl von Unterrichtsräumen, attraktive Konzertsäle, dazu das traditionell gut ausgebaute Netzwerk mit Kulturinstitutionen der Region, in deren Konzertsälen dann wiederum die Abschlusskonzerte stattfinden, machen die Akademien zu Partnern erster Wahl.
An den bisher 49 Kammermusikkursen haben bei einer jeweiligen Dauer von etwa 2 Wochen seit 1964 jährlich 30 bis 50 Jugendliche im Alter zwischen 11 und 25 Jahren teilgenommen. Von Anbeginn ist ein Preis im Bundeswettbewerb die Eintrittskarte. Insgesamt mehr als 2.000 junge Musikerinnen und Musiker wurden eingeladen und mit ihnen wurden fast 800 Kammermusik-Ensembles gebildet. Einige dieser Ensembles haben längere Zeit zusammengearbeitet und bestanden noch viele Jahre.
Zum Deutschen Kammermusikkurs „Jugend musiziert“ werden die Musikerinnen und Musiker mehrheitlich als Solisten eingeladen und schließen sich erst vor Ort zu den jeweiligen Ensemble-Formationen zusammen. Darin liegt der besondere Reiz des Kurses. Jedoch bewerben sich in den letzten Jahren verstärkt bestehende Ensembles mit individuellen Wünschen zu Spielliteratur. Die vergleichsweise lange Dauer rührt daher, dass innerhalb des Kurses jeder Musiker in mindestens zwei verschiedenen Besetzungen spielt und drei unterschiedliche Werke studiert. Den Kammermusikkurs nutzen überdies einige Musikerinnen und Musiker, um sich auf den Wettbewerb WESPE oder auf andere Wettbewerbe vorzubereiten. Während des Kursaufenthaltes wird eigenes individuelles Üben und die Bereitschaft zum Erarbeiten zusätzlicher Kammermusik erwartet. Damit im Zusammenhang steht auch, dass den Teilnehmern die Noten so rechtzeitig zugeschickt werden, dass sie vorbereitet zum Kammermusikkurs kommen.
Das Programm für die drei öffentlichen Konzerte, die den Kurs beschließen, wird in vorangehenden internen Konzerten erprobt. Gelegentlich gibt es auch Dozentenkonzerte, die jedoch exklusiv für die Teilnehmer, und in den Jahren 1964 bis 1971 bildeten die Kursteilnehmer während des Kurses sogar ein Orchester.
Die Abschlussveranstaltungen strahlen medienwirksam in die Region aus. Nicht zuletzt liefern sie für anwesende, zum Teil auch ausländische Gäste aus Verbänden, Institutionen und Behörden ein Beispiel dafür, welche hervorragenden Ergebnisse musikerzieherische Arbeit und musikalische Begabtenförderung in Deutschland leistet.
Die Erfolgsgeschichte des Deutschen Kammermusikkurses ist eng mit den Persönlichkeiten verbunden, in deren Händen die künstlerische Leitung des Kurses lag und liegt: Eberhard Schmidt, Albrecht Gürsching, Gerhard Hamann oder Hugo Noth sind hier beispielhaft für die ersten Jahre zu nennen. Ab 1989 konnte Thomas Brandis als künstlerischer Leiter gewonnen werden, gefolgt von Hartmut Gerhold, Wolfgang Jahn, Hans Joachim Greiner, Ulf Tischbirek, Martin Spangenberg, Angelika Merkle. Diese arrivierten Künstler benannten und benennen die Dozenten, auch die wiederum namhafte und pädagogisch kompetente Persönlichkeiten des deutschen und internationalen Musiklebens.
Die im Deutschen Kammermusikkurs „Jugend musiziert“ geformten und gebildeten Ensembles arbeiten zum großen Teil nach Beendigung des Kurses eigeninitiativ weiter. Nicht selten werden Ensembles, die im Kammermusikkurs mit außergewöhnlichen Leistungen auf sich aufmerksam gemacht hatten, im Auftrag von „Jugend musiziert“ zu Gastspieltourneen oder internationalen Wettbewerben delegiert.
Im Anschluss an den eigentlichen Kurs hat es in der Vergangenheit gelegentlich im Herbst des jeweiligen Jahres ein weiteres Förderwochenende gegeben. Es eröffnete einem oder mehreren herausragenden Ensembles die Möglichkeit, sich intensiv und unter zusätzlicher Anleitung mit den Werken auseinander zu setzen. Die Früchte dieser Probenarbeit konnte man dann im folgenden Bundeswettbewerb in einem öffentlichen Kammerkonzert bewundern.
Im kommenden Jahr feiert nach „Jugend musiziert“ nun auch der Deutsche Kammermusikkurs sein 50-jähriges Bestehen. Eine Reihe besonderer Veranstaltungen sind geplant. Beizeiten wird an dieser Stelle darüber zu lesen sein.
Aber wir möchten auch Sie, liebe Leserin und lieber Leser, anlässlich des Jubiläums zu Wort kommen lassen. Wenn Sie nämlich selbst als Jugendliche am Kammermusikkurs teilgenommen haben, dann schicken Sie uns Ihre Erinnerungen: Projektassistent Kristof Gerlach (gerlach [at] musikrat.de (gerlach[at]musikrat[dot]de)) freut sich auf Ihre Post.