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Begegnung mit Fernost

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25. deutsch-japanischer Jugendaustausch
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1990 erreichte die Anfrage aus Japan zu einem deutsch-japanischen Jugendaustausch den Landeswettbewerb „Jugend musiziert“ Nordrhein-Westfalen. Reiko Takahashi Irino, Witwe des bekannten japanischen Komponisten Yoshiro Irino, Leiterin eines privaten Musikinstitutes in Tokio und verantwortlich für die IRINO-Foundation, hatte die Idee einer musikalischen Begegnung von japanischen und deutschen Jugendlichen. Diese Initiative wurde über ihren früheren Schüler, den heutigen Computermusik-Komponisten Masahiro Miwa, an Matthias Pannes herangetragen, der damals zuständig für den Landeswettbewerb NRW war. 1991 kam es zum ersten Besuch japanischer Jugendlicher in Deutschland, damals vorerst in nur nordrhein-westfälischen Städten. Nachdem der erste Gegenbesuch in Tokio erfolgt war, hat mit Yu Kosuge eine junge Pianistin ihr (Jung-)Studium in Deutschland aufgenommen und gemeinsam mit Susanne und Konstanze von Gutzeit ein deutsch-japanisches Klaviertrio formiert, das viele Jahre bestand und aus Bundeswettbewerben als Preisträger hervorging.

Bald zeigte sich, dass die für diesen Austausch ausgewählten Jugendlichen aus Japan und deutsche Bundespreisträger von „Jugend musiziert“ auf vergleichbaren Niveaus musizieren. So lag es nahe, dass nach den ersten Jahren der immer erlebnisreichen Begegnungen das Austauschprojekt in die Zuständigkeit des Bundeswettbewerbes gegeben wurde.

Der Austausch findet seit Beginn immer wechselseitig im jährlichen Turnus statt: In den „ungeraden“ Jahren kommen sechs bis acht japanische Jugendliche in jeweils unterschiedliche Regionen Deutschlands; in den „geraden“ Jahren fährt die gleiche Anzahl deutscher Jugendlicher nach Japan, dort vorwiegend in die Region um Tokio. Hierbei spielen stets auch das Goethe-Institut in Tokio und die Deutsche Schule Yokohama eine Rolle im Austauschprogramm. Die Besuche in Japan und in Deutschland erfolgen immer unter wechselnder Berücksichtigung und organisatorischer Mitwirkung eines Landeswettbewerbes – fast alle Landeswettbewerbe waren schon einmal an dem Austauschprogramm beteiligt.

Im Dezember 2014 waren zum 24. Austausch sechs Preisträger aus Nord-rhein-Westfalen und Leipzig/Hamburg in Japan, die in verschiedenen Ensembleformationen konzertieren konnten – als Klaviertrio und in wechselnden Duo-Besetzungen. Nun kommen 2015 zum kleinen Jubiläum des 25. deutsch-japanischen Jugendaustausches wiederum sechs Jugendliche aus Japan nach Deutschland, die in verschiedenen Städten in Nordrhein-Westfalen und in einem weiteren Bundesland gemeinsam mit Preisträgern von „Jugend musiziert“ Konzerte geben. Sie besuchen auch den Bundeswettbewerb in Hamburg, bei dem sie in einem Gemeinschaftskonzert mit EMCY-Preisträgern und mit Ensembles des Deutschen Kammermusik-Kurses auftreten und hier auch Werke für japanische Instrumente – etwa für Shamisen oder Koto - präsentieren. Reizvoll ist bei diesen Austauschkonzerten, dass neben Werken „westlicher“ Komponisten ebenso zeitgenössische und traditionelle japanische Musik im Programm vertreten ist, die teilweise gemeinsam von japanischen und deutschen Jugendlichen aufgeführt und gestaltet wird.

Mit Dank soll auch an dieser Stelle angemerkt werden, dass Frau Irino seit vielen Jahren mit dem Preis der IRINO-Foundation einen etablierten Sonderpreis für Neue Musik bei WESPE, dem Sonderpreis-Wochenende des Bundeswettbewerbs stiftet. Es bleibt zu hoffen, dass der Preis und dieser Jugendaustausch, der vom Goethe-Institut gefördert wird, bei allen beteiligten Bundespreisträgern bleibende Eindrücke hinterlässt und noch lange erhalten bleibt.

[Gudula Rosa und Matthias Pannes]

Das Klaviertrio mit Leon Stüssel (Geige/Klavier), John Henrik Mackenroth (Cello) und Sonja Kowollik (Klavier), die Geigerin Christa-Maria Stangorra, Jonathan Debus (Trompete) und Julius Schepansky (Akkordeon) kehrten begeistert vom 24. Deutsch-Japanischen Jugendaustausch zurück:

„Am 7. Dezember gaben wir das erste Konzert, gemeinsam mit Japanerinnen und Japanern unseren Alters, die sich mit der Teilnahme an diesem Konzert dafür bewarben, nächstes Jahr nach Deutschland kommen zu dürfen. Das Konzert fand im Goethe-Institut statt. Zunächst verwirrte uns der nicht allzu lange Applaus nach unserem eigentlich guten Auftritt, doch später erfuhren wir, dass dies so üblich sei; das Publikum zeigte sich nach dem Konzert sehr begeistert. Vier junge Musiker wurden für die kommende Reise nach Deutschland ausgewählt und mit einer Musikerin der vier hält Sonja auch schon Kontakt!

Julius Schepansky notiert: „Unser zweites Konzert in der Deutschen Schule Tokio Yokohama fand in der Aula statt und viele Schüler hörten uns zu. Wir hatten erst Bedenken, dass die Schüler, wie man es aus Deutschland gewohnt ist, nicht zuhören würden und sich nicht für die Musik interessieren würden. Doch es war ganz anders: Sie waren ein super Publikum applaudieren etwas mehr als am Vortag im Goethe Institut. Selbst die modernen Stücke kamen gut an. Ich hatte das Gefühl, dass viele Schüler das Akkordeon nicht kannten, da sie, während ich spielte, etwas verblüfft wirkten. Mit Jonathan spielte ich die „Slavische Fantasie“ von Carl Höhne und später noch Solo: Von Scarlatti die Sonata K9 und von Peter Londonow das Scherzo-Tokkata. Am Ende des Konzertes waren die Zuhörer sehr begeistert von uns und wir bekamen vom Schulleiter noch ein kleines Geschenk. Ein Tag später wurden wir wieder vom Hotel abgeholt und zur High School gebracht. Es war eine Art Abschlusskonzert vor Weihnachten und alle Schüler mussten anwesend sein, der Saal war voll besetzt. Im ersten Teil spielte das Schulorches­ter unglaublich gut und beeindruckte uns sehr.

Im zweiten Teil begann ich mit einem Solostück für Akkordeon von Sofia Gubaidulina: „de profundis“. Es hat noch nie so gut geklappt und ich habe es nur genossen, spielen zu dürfen. Es war meiner Meinung nach das beste Konzert in dem ich jemals gespielt habe. Es war rundum perfekt.“

Jonathan Debus resümiert: „Dank der tollen Organisation durch Gudula Rosa und Matthias Pannes auf der deutschen Seite und je nach Konzert verschiedenen japanischen Organisatoren konnten wir fünf Konzerte, aufregend und anregend zugleich, geben. Meine Programmvorschläge für die Reise hatte ich bewusst vielseitig ausgewählt: Ich wollte möglichst viele Epochen der Trompetenliteratur abdecken, um die Vielseitigkeit dieses Instrumentes zu zeigen. Ausgewählt wurden dann durch die japanischen Gastgeber ein Werk der Romantik, die „Slavische Fantasie“ von Carl Höhne, sowie zeitgenössische Werke des bekannten japanischen Komponisten Toru Takemitsu – „Paths“ für Trompete solo und zwei Sätze aus Petr Ebens Werk „Okna“ für Trompete und Orgel in unserer Version für Akkordeon und Trompete, dass ich gemeinsam mit Julius spiele. Außerdem konnte ich mit der Bassblockflöte noch den „Bass Burner“, ein Werk des amerikanischen Komponisten Pete Rose vorstellen.“

Christa-Maria Stangorra schreibt: „Ein besonderer Höhepunkt unseres Japan-Aufenthaltes war der Übernachtungs-Trip nach Kawagoe. Nach unserer Ankunft an der „Hoshino High School“ wurde zunächst jedem einzelnen von uns ein eigener „Bodyguard“ zugewiesen, der beziehungsweise die uns überallhin begleiten sollten sowie sämtliche Fragen unsererseits beantworteten. Nach einer genauen Besprechung des Ablaufplans wurde dieser exakt eingehalten und umgesetzt. Die erste Probe im Saal, in welchem das Konzert stattfinden sollte, war ein Ereignis für sich. Erst einmal hatte ich in einem Saal von solcher Größe (ca. 1500 Plätze) konzertiert. Das war beim Neujahrskonzert 2013 im Staatstheater Darmstadt. Die Vorstellung, ganz allein auf der Bühne, vor voll besetztem Saal Johann Sebastian Bachs Chaconne (aus der d-Moll Partita) vorzutragen, war nicht nur erhaben, sondern beinahe unheimlich.

Zunächst allerdings durften wir uns in der ersten Hälfte dieses Konzertes von den Darbietungen der einheimischen Schüler beeindrucken lassen. Die Performance, die die japanischen Schülerinnen und Schüler im ersten Teil gaben, war für deutsche Schulverhältnisse schlichtweg atemberaubend. Von akrobatischen Fahnenträgern und Jongleuren über vollkommen synchron und auswendig vortragende Koto-Spielerinnen bis hin zu einem sagenhaften Mädchenchor und einem (überwiegend weiblich besetzten) Blasorchester waren die variierenden Werke einwandfrei präsentiert.

Den Moment, in dem ich mich vor jenem voll besetzten Auditorium präsentieren durfte, konnte ich umso mehr auskosten, nachdem ich wusste, das ich die Stelle, an der eben noch ein vielleicht 50-köpfiges Blasorchester gesessen hatte, nun ganz für mich allein hatte. Der tobende Applaus und die lächelnden Gesichter gaben mir ein wunderbares Gefühl und in einem kurzen Moment beschloss ich, ich würde wiederkommen, nach Japan. Als das Konzert beendet war und die Schüler ihre Plätze verlassen sollten, blinzelten wir durch einen Schlitz im Vorhang, um noch einmal in die begeisterte Menge zu sehen, und im Nu erhob sich ein Kreischen im Saal und es überschwemmte einen mit einer Art VIP-Gefühl. Nicht nur hinter dem Vorhang-Schlitz, auch wann immer wir über die Gänge im Schulhaus spazierten und uns jemand begegnete – wir hatten das Gefühl, prominent zu sein.“ 

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