Vom 21. August bis zum 1. September bezogen 43 Musikerinnen und Musiker aus dem ganzen Bundesgebiet und drei Deutschen Schulen im europäischen Ausland in der Bundesakademie für musikalische Jugendbildung Trossingen Quartier, um im Rahmen des 12-tägigen Kammermusikkurses und unter Anleitung namhafter Dozenten Werke der Kammermusik zu studieren.
Als besonderes Angebot fanden in diesem Jahr Vorträge zum Musikleben in Deutschland statt, die bei den Teilnehmern große Resonanz fanden. Zu Beginn jedes Kammermusikkurses wird aus dem Teilnehmerkreis ein Kurssprecher gewählt. In diesem Jahr Jakob Plag, 18 Jahre, Klarinettist aus Weimar. Von ihm stammt der folgende Bericht:
Und nun sind wir zu viert: Ich bin Hans-Peter Stenzl, der Kursleiter!“ – nach dem ersten Austausch im Regionalzug Richtung Trossingen mit zwei weiteren Teil-nehmern/-innen ertönten etwas unvermittelt aus der anderen Ecke des Wagens diese Worte. Der Kursleiter des Deutschen Kammermusikkurses, Prof. Hans-Peter Stenzl, hatte uns dann doch etwas verdutzt, als er sich, mit Hut und Koffer, im Zug zu uns gesellte.
Was würde uns in den nächsten zwölf Tagen bevorstehen? Wie würde sich die Probenarbeit mit den Dozenten gestalten? Wie die Atmosphäre? Ein paar Fragen standen im Raum, aber immerhin gab es einen verlässlichen Anhaltspunkt: die Werkauswahl! Und diese war nicht irgendeine, sondern ein Mix aus vielen der bekanntesten und besten Kammermusikwerke. Durch diese „anstachelnde“ Sammlung war die Spannung im Vorfeld auf jeden Fall zusätzlich gestiegen.
In der sehr schönen und modernen Bundesakademie für musikalische Jugendbildung Trossingen war erstmal Auspacken angesagt. Dann ein Blick auf den Unterrichts-Plan und, o Schreck: in zwei Stunden die erste gemeinsame Probe! Noch nie hatten wir in dieser Trio-Konstellation gespielt, dann gleich mit „Kontraste“ von Béla Bartók, dieser Brocken? Nach ein, zwei hektischen Gesprächen war dann die Probe vor der Probe auch ausgemacht, damit wir wenigstens sicher sein konnten, Shirley Brill nicht ganz unvorbereitet gegenübersitzen zu müssen. Diese und viele weitere Proben folgten, ob allein, von 22 bis 23 Uhr, oder unter Anleitung von Dozenten. Dabei kamen wir Kursteilnehmer ganz schnell auf ungeahnte Probenlängen, was die eine oder den anderen dann doch an den Rand seiner Belastbarkeit brachte.
Proben, üben, schlafen
Die Laune aller Beteiligten aber blieb sehr gut, da wir mit hervorragendem Essen aus der Mensa versorgt wurden. Als nach fünf Tagen der erste Vortrag bevorstand, stand für uns Teilnehmer schon ein stückweit die Frage im Raum: Hingehen? Oder proben, üben, schlafen? Für mich stand schon nach den ersten fünf Minuten fest, dass dies ein spannender Abend werden würde. Irene Schwalb, die Leiterin des Deutschen Musikwettbewerbs (DMW) war, auf Bitten von Prof. Stenzl, zu uns gekommen und sprach nun über Musikwettbewerbe allgemein, aber natürlich auch speziell über den DMW. Die realistische Art, wie Frau Schwalb über die Musikwettbewerbe sprach und uns skizzierte, was alles möglich ist und wie diese großen Wettbewerbe hinter den Kulissen funktionieren, regte eine kontroverse und belebte Diskussion an. Gerade mit ihrer Erfahrung als Musikerin, die selbst an Wettbewerben teilgenommen hat und durch ihre weitreichende Jurytätigkeit konnte sie uns allen einen großen „Sack“ mit Informationen und Anregungen mit auf den Weg geben. Der Vortrag hat sicher den einen oder anderen motiviert, an Wettbewerben teilzunehmen.
Am Sonntag, 26. August stand das erste Konzert bevor. Das wunderschöne Münster von Rottweil war der gewählte Konzertort und bot einen fantastischen Anblick und eine ebensolche Akustik. „Die Besucher des sechsten Sommerkonzerts im Heilig-Kreuz-Münster konnten ein seltenes Aufgebot an unterschiedlichen Instrumenten und Ensembles erleben, die allesamt auf höchstem Niveau musizierten.“ – Dies resümierte die Neue Rottweiler Zeitung in ihrer Kritik nach dem Konzert. Tatsächlich war der Abend sehr bunt gemischt. Den Anfang bildete unser Klarinettenquartett mit meinen Musikerkolleginnen Miriam Hannah Vollmar aus Krefeld, Lea Heilmaier aus Erding und Julia Vogel aus Ingolstadt, und Werken von Mozart. Das Ende beschlossen die vier Harfenistinnen Johanna Dorothea Görißen aus Walsrode, Julia von Grebmer aus Bad Segeberg, Siobhán Mathiak von der Deutschen Schule Brüssel und Julia Dietrich aus Mülheim mit Ausschnitten aus dem Musical „Girl Crazy“ von George Gershwin.
Neue Einblicke ins Berufsleben
Nach dem Konzert fiel die Anspannung deutlich ab und Partystimmung kam auf! Die Lobby der Akademie wurde langsam, aber stetig zum „Wohnzimmer“ für uns Kursteilnehmer, aber auch die Tischtennisplatten und der Kicker wurden vielfach genutzt. Diskussionsstoff war in allen Grüppchen die unterschiedliche Probenarbeit der Dozenten. Bei manchen Proben wechselten die Dozenten spontan. Das brachte durchaus neue Einblicke in die Stücke und bereicherte uns als Teilnehmer sehr.
Bevor am Freitag, 31. August und Samstag, 1. September die letzten zwei Konzerte in Donaueschingen und Trossingen bevorstanden, bereicherten am 28. und 29. August zwei weitere Vortragsabende den Kurs. Zunächst war Prof. Dr. Susanne Winnacker, Rektorin der Hochschule für Musik und Theater Rostock, bei uns und zeigte die verschiedenen Wege der Frühförderung, speziell am Beispiel der „young academy rostock“. Auch wenn die Diskussionen manchmal etwas vom Thema abkamen, war es sehr erfrischend, ihre unkonventionelle und freie Denkart und Arbeitsweise kennenzulernen.
Am Abend darauf folgte ein Vortrag von Dr. Juliane Wandel zum Thema, welche Berufsbilder es außerhalb eines „klassischen“ Musikjobs gibt und auf welchen Wegen man sie erreichen kann. Aus ihrem großen Erfahrungsschatz heraus ließ sie keine Frage unbeantwortet und regte uns durch eine gezielt provokative Art und Weise zum Denken an. Sie machte auch klar, dass der Weg bis zu einer Orchesterstelle oder darüber hinaus sehr lang sein kann.
Showdown mit Schönberg
Langsam neigte sich der Kurs dem Ende zu, aber es standen noch die letzten beiden Konzerte an. Als erstes standen die Donauhallen in Donaueschingen auf dem Plan. In diesem Konzert wurden große, aber eben auch selten gespielte Kammermusikwerke zur Aufführung gebracht. Durch den Abend führte Hans-Peter Stenzl. Von Bartók über Cage und Kurtag bis Schönberg war Vieles dabei. Das Hauptwerk des Abends war das Streichsextett „Verklärte Nacht“ von Arnold Schönberg. Eine halbe Stunde spätromantisches Zusammenspiel von sechs Streichern!
Als Abschluss fand am nächsten Morgen in der Bundesakademie die Matinee statt. Auch hier war das Programm wiederum sehr gemischt. – Schockmoment des Konzertes war eine umstürzende Harfe, der zum Glück nichts passierte. Den Höhe- und Abschlusspunkt bildeten die „Liebesliederwalzer“ von Johannes Brahms. Hier konnten unsere Sänger und Pianisten ihr volles Potenzial ausschöpfen und zeigen.
Dieser wunderbare Kurs wäre nicht ohne die Hilfe von vielen Menschen möglich gewesen. Ein großer Dank geht an Edgar Auer, Projektleiter von „Jugend musiziert“, der dies alles von „ganz oben“ ermöglicht. Weiterhin an Kristof Gerlach, der seit Jahren jedes Jahr wieder mit sehr viel Einsatz und Teilnehmernähe diesen Kurs organisiert. Nicht zu vergessen, Daniel Schenk und Lydia Hofmann, die immer für uns Teilnehmer da waren und mit denen wir sehr viele lustige Stunden hatten.
Aus musikalischer Sicht gilt mein Dank zu allererst Herrn Prof. Hans-Peter Stenzl, als Kursleiter, und seinem großartigen Dozententeam (Prof. Jonathan Aner, Claudia Beyer, Shirley Brill, Prof. Maria-Elisabeth Lott, Prof. Angelika Luz, Prof. Godelieve Schrama, Alexandra Müller). Last but not least; natürlich noch ein großes Dankeschön an Simon Busch, den Geschäftsführer der Bundesakademie.