1996 wurden die Instrumentalkategorien bei „Jugend musiziert“ erweitert, der Drei-Jahres-Turnus beschlossen und das Ensemblespiel forciert. Acht Jahre später ist die Bilanz beeindruckend und positiv zugeich.
Am Ende des 33. Bundeswettbewerbes „Jugend musiziert“ zog der damalige Bundesgeschäftsführer Eckart Rohlfs Bilanz und keinen Geringeren als Dante und sein berühmtes Werk „Divina Comedia“ zum Vergleich heran: Dante habe sich, so Rohlfs, mit 33 Jahren auf die Wanderung durch die Zeitgeschichte begeben und mit den Taten seiner Zeitgenossen abgerechnet. Sie fanden sich entweder im Himmel wieder oder in die Hölle verbannt, sich reinigend im Purgatorium. Wo also würde Dante den Wettbewerb „Jugend musiziert“ verorten? Zum gegenwärtigen Zeitpunkt?
Durchaus positiv der Status Quo im Jahre 1996. Die Teilnehmerzahlen stiegen kontinuierlich, das bundesdeutsche Musikleben veränderte sich durch „Jugend musiziert“, denn die Qualität des Musikernachwuchses nahm zu, die Kategorien des Wettbewerbs ermunterten Komponisten zu neuen musikalischen Schöpfungen, aber aus dem Wettbewerb gingen nicht nur musikalische Überflieger hervor. Nicht alle eigneten sich für eine Solokarriere als Berufsmusiker und immer wieder entbrannten Diskussionen über Sinn und Sinnlosigkeit der Idee „Wettbewerb“. So dass sich die grundlegende Frage stellte, welchen Charakter „Jugend musiziert“ künftig haben sollte. Galt „Auslese der Besten“ weiterhin und fraglos oder musste die Idee der Förderung aller am Wettbewerb teilnehmenden Kinder und Jugendlichen künftig mehr in den Fokus gerückt werden. Man stand also vor einer nachgerade historischen Entscheidung. Welche Mittel auf dem Weg zur Förderung probat waren, wurde 1996 auf einer Konferenz aller Verantwortlichen auf Regional-, Landes- und Bundesebene in Neuss intensiv diskutiert, zu den wichtigen Entscheidungshilfen zählten die zahllosen missmutigen Reaktionen, die die Kürzung der Ensemblekategorien auf einige wenige klassische Standardbesetzungen ausgelöst hatten. Erst im Jahr zuvor hatte man sich, in bester Absicht, dazu entschlossen.
Die Sachlage forderte mehr als die Runderneuerung des alten Wettbewerbsturnus. Mutig entschloss man sich daher, ein neues, verändertes Konzept zu entwickeln: Ausschreibung aller Instrumental- und Vokalkategorien und Einbeziehung möglichst aller kammermusikalischen Besetzungen und Formen des Zusammenspiels von zwei bis zu sechs Interpreten, so wie sie der Praxis in Musikschulen und Vereinen entsprach. Darüber hinaus sollte sich „Jugend musiziert“ für das Zusammenspiel in besonderen Spielformationen und Stilrichtungen von bis zu 13 Musikern in der Kategorie „Besondere Besetzungen“ öffnen. Dieser erweiterte Kanon sollte künftig weit im Voraus angekündigt werden und im Drei-Jahres-Turnus wiederkehren. Mit der längerfristigen Gültigkeit gedachte man die ausbildenden Musiklehrer in den Stand zu versetzen, Spielliteratur zu recherchieren, Wettbewerbsprogramme zusammenzustellen und sie sinnvoll in ihren Lehrplan zu integrieren.
Der Quantensprung war vollzogen: „Natürlich basiert kammermusikalisches Tun auf dem individuellen technischen und musikalischen Können an Instrument und Stimme. Aber jede solistischeAusbildung muss im Bewusstsein und mit der Zielrichtung verbunden bleiben, jungen Menschen das Erlebnis gemeinsamen Musizierens zu vermitteln. Zu Kammermusik muss man auch schon im Rahmen der Instrumental- und Vokalausbildung hinführen, das darf man nicht nur zufälligem Ergänzungsangebot oder Zusatzkursen überlassen.“, so Eckart Rohlfs im Jahr des großen Änderungsbeschlusses. (nmz 5/96). Ab dem Wettbewerbsjahr 1997 wurde das Drei-Jahres-Modell erstmalig praktiziert und fortan konnte jeder Instrumentalist oder Vokalist in jedem Wettbewerbsjahr in einer anderen Kombination antreten: als Solist, als Instrumentalbegleiter oder Duo-Partner, zu dritt, zu viert, in großen Besetzungen mit bis zu 13 Musikern.
Erlebnis Ensemblemusizeren
Seit dieser Einführung sind nunmehr neun Wettbewerbs-Jahre vergangen und dem Wettbewerb 2005 haben sich alle Kategorien nunmehr dreimal wiederholt. Die Rechnung des Jahres ‘96 scheint aufs Erfreulichste aufgegangen zu sein. Ein paar Zahlen mögen das verdeutlichen: Zwischen 1997 bis 2004 hat sich die Gesamtteilnehmerzahl von 1.100 auf 1.900 erhöht. Machte der Anteil der Solowertungen im Jahr 1997 jedoch noch rund 85 Prozent an den gesamten Wertungsspielen aus, hat das Verhältnis zwischen Solo- und Ensemblewertungen inzwischen Gleichstand erreicht, obwohl auch die Anzahl der Solowertungen weiterhin stieg. Oder anders gesagt, der Anteil der Ensemblewertungen ist, verglichen mit den Solowertungen, im genannten Zeitraum um mehr als das Fünffache angestiegen.
Erfreulich ist diese Entwicklung nicht nur für die Macher hinter den Kulissen, die nun die Früchte ihrer strategischen Arbeit ernten können. Viel bedeutsamer ist, dass die jungen Musikerinnen und Musiker die sich Jahr für Jahr in das Abenteuer Kammermusik stürzen, am eigenen Leib erleben, wie gut ihre Entscheidung für das Ensemblespiel war. Denn auch außerhalb der „Jugend musiziert“-Welt feiern sie mit ihren Ensembles Erfolge: Beispielhaft für viele andere steht das Bläser-Ensemble mit Maria Jarovaja (Querflöte) aus Köln, Frederike Timmermann (Oboe) aus Münster, Sebastian Lambertz (Klarinette) aus Neuss, Stephan Schottstädt (Horn) aus Lohmar und Jakob Karwath (Fagott) aus Weimar. Sie nahmen bereits im Jahr 2002 am Bundeswettbewerb „Jugend musiziert“ teil und erhielten dort einen ersten Bundespreis. Nach der Wettbewerbsphase blieb das Ensemble zusammen und perfektionierte das Zusammenspiel offenbar so sehr, dass die Fünf nun im vergangenen Oktober beim „Europäischen Musikpreis für die Jugend“ in der Kategorie „Holzbläser-Ensemble“ in Kroatien einen ersten Preis erhielten.
Jenseits der Wettbewerbe
Verlässlich finden sich auch beim „Internationalen Kammermusikwettbewerb Charles Hennen“ in Herleen, Niederlande, ehemalige „Jugend musiziert“-Ensembles unter den Preisträgern. So zuletzt im Jahr 2004 das Streich-Trio mit Susanne Schäffer, Gregor Kübler und Konstantin Georgiou aus Baden-Württemberg.
Und auch jenseits der Wettbewerbszene fühlen sich Kammermusik-Ensemble durch ihren Erfolg bei „Jugend musiziert“ ermutigt, weiterhin zusammenzuspielen: Die Bundesgeschäftsstelle schickt inzwischen mehr als die Hälfte ihrer Bundespreisträgerinnen und -preisträger in Ensembleformationen auf Konzertreisen ins In- und Ausland – so konzertierten zwei Schlagzeug-Ensembles in Norwegen und Finnland, ein weiteres besuchte im Rahmen einer Konzertreise die Schweiz, ein Klavier-Duo war in die Türkei eingeladen und ein Streich-Trio füllte in Belgrad einen Konzertsaal.
So wirkungsvoll die Entscheidung des Jahres 1996 war. Eines ist sicher: es war nicht die letzte Veränderung bei „Jugend musiziert“. Denn Veränderung ist das Geheimnis seines dauerhaften Erfolgs, dann klappt’s auch im Purgatorium.