Die am stärksten wirkende Konstante in der nunmehr 45 Jahre umfassenden Tradition von “Jugend musiziert“ ist die kontinuierliche Veränderung. Die für diese Wettbewerbe Verantwortlichen haben sich um eiserne Regeln, um das Prinzip Das-war-schon-immer-so nie geschert, vielmehr basiert der ungebrochene Erfolg, die eher noch zunehmende Ausstrahlung dieses musikalischen Forder- und Förderprojekts gerade auch auf der Bereitschaft zur ständigen fachlichen wie organisatorischen Entwicklung, Erweiterung und Erneuerung in allen Facetten. Sehr früh schon hat man es beim Deutschen Musikrat auch klug vermieden, dem Wettbewerb ein nationales Gepräge zu geben, hat stattdessen neben deutschen Teilnehmern hier dauernd oder auf Zeit residierende Kinder und Jugendliche jeder Nationalität zugelassen. Und seit einem ersten Versuch in Madrid 1981 sind Deutsche Schulen im Ausland – inzwischen 35 Schulen in 18 Ländern Europas sowie in der Türkei und Ägypten – ebenfalls beteiligt.
Entgegen der verbreiteten Meinung, bei diesen Schulen handele es sich vor allem um Inseln des deutschen Bildungswesens für die Kinder deutscher Diplomaten, Geschäftsleute und anderer vorübergehend ins Ausland entsandter Germanen, ist der Anteil deutscher Schüler in den meisten Auslandsschulen derzeit mit höchstens zehn Prozent eher geringfügig.
Den Goethe-Instituten ähnlich sind diese Schulen vor allem als ein Instrument der Außenkulturpolitik der Bundesrepublik zu werten und haben in diesem Rahmen ein nicht geringes Gewicht. Der Unterricht erfolgt dort – häufig vom Kindergarten an und zumeist bis zum Abitur – sowohl auf Deutsch als auch in der Landessprache durch entsprechend gemischte Lehrkräfte, sodass vor allem die älteren Schüler beide Sprachen gut beherrschen – ungeachtet weiterer Fremdsprachen – und mit zumindest zwei Kulturen vertraut werden.
Zu den aus Deutschland zumeist für drei oder sechs Jahre entsandten Fachlehrern zählen auch Musikpädagogen, die zu Hause oft selbst mit ”Jugend musiziert“ aufgewachsen sind. Hier nun kommt ihnen eine zentrale Rolle bei der Organisation und Durchführung der Wettbewerbe zu, vor allem in Ländern, in denen sich kaum Musikschulen oder Konservatorien mitteleuropäischer Art finden und musikalische Grundausbildung größtenteils unter dem Dach der allgemein bildenden Schulen stattfindet. So hängt es von ihrem Geschick ab, allein oder zu zweit, manchmal im Gespann mit einer „landeseigenen“ Lehrkraft, einen „Regionalwettbewerb“ an der lokalen Deutschen Schule zu veranstalten, um dessen Erste Preisträger (ab Altersgruppe II) dann zum zuständigen „Landeswettbewerb“ – Östliches Mittelmeer, Spanien/Portugal oder Nordeuropa – weiterzuleiten.
Zum Landeswettbewerb Spanien/Portugal, in diesem Jahr erstmals im nordspanischen San Sebastián durchgeführt, traten vom 10. bis 13. März hundert Teilnehmer der Altersgruppen II bis V an, aus zehn Deutschen Schulen der Iberischen Halbinsel, also Spanien inklusive Teneriffa und Gran Canaria sowie Portugal. So gab es in der vergleichsweise kleinen Schule „San Alberto Magno“ in der aufregend attraktiven baskischen Stadt an der Biskaya-Küste ein kleines aber feines ”Jugend musiziert“-Festival. An drei Tagen präsentierten sich die Teilnehmer in insgesamt 58 kategorisch bunt gemischten Wertungen – Solo-Klavier und -Gesang, Ensemblewertungen von Bläsern, Streichern und Neuer Musik, dazu die in dieser Region ausgeschriebene Sonderkategorie Pop-Gesang. Zwar werden die jugendlichen Pop-Stars, hier der Altersgruppen IV und V, bislang auch bei höchstem Punktgewinn nicht zum Bundeswettbewerb weitergeleitet, dafür lösten sie aber beim Schülerpublikum in dem bei ihren Auftritten sofort überfüllten Auditorium schrille Begeisterung aus – Pop ist eben Pop und auch im Baskenland populärer als Bach, Mozart oder Rachmaninow.
Am Abend des vierten Tages fand im Festsaal des Hotels Londres gleich neben der Strandpromenade das ausführliche Abschlusskonzert statt, mit anschließender Zeremonie der Ergebnisverkündung und Überreichung der Urkunden. Tatsächlich verließ keine Teilnehmerin und kein Teilnehmer den Saal ohne Preis, und zwar zu Recht, aber selbstverständlich war der Jubel besonders groß bei der Nennung der Ersten Preisträger, die nun zu Pfingsten aus sieben Städten der Iberischen Region nach Saarbrücken zum Bundeswettbewerb reisen. Für gar nicht wenige von diesen 30 Jugendlichen wird es der erste Besuch in Deutschland sein.
Die Last eines solchen Quasi-Landeswettbewerbs, der ja bereits – vor allem bei den beiden anderen, wesentlich größeren Regionen – ein jeweils bunt internationales, sogar multikulturelles Treffen darstellt, liegt natürlich in erster Linie bei den Organisatoren der gastgebenden Schule, die ihrer Rolle hier in vorbildlicher Weise gerecht wurde, dann aber auch auf den Schultern aller Musiklehrer; die nämlich reisen mit den Teilnehmern ihrer Schulen an, betreuen und motivieren sie auch vor Ort, stehen manchen als versierte Klavierbegleiter zur Verfügung, fungieren im Pop-Genre zugleich als Tontechniker. Yanira Sánchez aus Gran Canaria hatte zudem gemeinsam mit ihrem Mann ein vierteiliges Werk für sechs Schüler (AG IV) komponiert, mit dem das mit einem Ersten Preis ausgezeichnete Ensemble prompt zum Bundeswettbewerb weitergeleitet wurde. Und alle diese Lehrer bilden die Jury, wobei jeder selbstverständlich bei den Teilnehmern der eigenen Schule aussetzt. Diese (inklusive des vom Deutschen Musikrat entsandten Vorsitzenden) 17-köpfige Jury waltete ihres Amtes comme il faut: kompetent, in gutem Einvernehmen und mit einem Schuss pädagogischer Zuneigung.
Die Einbeziehung der Deutschen Schulen im Ausland in das Netzwerk von ”Jugend musiziert“ bedeutet schon lange, aber immer wieder bestätigt, eine Bereicherung für diese Schulen und ihr Profil, für die Struktur und das Ansehen der Wettbewerbe und ganz zweifellos für alle damit hinzugewonnenen Teilnehmer.