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20 Lyriker mit einer Gitarre

Untertitel
Die Uraufführung des Liederzyklus JETZT von Stephan Stiens
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Der Zyklus JETZT vereint zwanzig Gedichte einer jungen Gruppe von Lyrikern. Stiens erzählt zu Beginn des Konzerts die Anekdote, wie sehr ihn die Gedichte der um 1970 geborenen Autoren berührten und welch musikalisches Potenzial er darin sah.

Der Zyklus JETZT vereint zwanzig Gedichte einer jungen Gruppe von Lyrikern. Stiens erzählt zu Beginn des Konzerts die Anekdote, wie sehr ihn die Gedichte der um 1970 geborenen Autoren berührten und welch musikalisches Potenzial er darin sah.

Die Gedichte sind geprägt von ihrer jeweiligen kontrastreichen Verarbeitung, und die Antagonismen gestalten sich dabei jedes Mal auf eine andere Art und Weise – nicht nur wegen der inhaltlichen Grundlage. Dadurch entwickelt der Liederzyklus eine unglaubliche Kraft. Er regt zum Nachdenken an und berührt die Seele. Zum Beispiel mit dem Lied „im fernsehn“ (Text: Tom Bresemann). Der Protagonist sitzt offenbar vor dem Fernseher, und gleich darauf wird die Gegensätzlichkeit des einengenden Bildflimmerns und dem befreienden Blick aus dem Fenster zum blauen Himmel unverblümt dargestellt. In „Kurze Tage“ (Text: Chris-tian Teissl) kulminiert der Text in der Mehrdeutigkeit. Die Stichworte „Doppelgänger, Winter, toter Sommer, Krähe, Dorf“ lehnen sich vom Sujet her assoziativ an Schubert an. Vielleicht bleibt deshalb die Gitarre in diesem Gedicht ein wenig zurückgenommen.
Sonst katapultiert Stiens die Gitarre in kompositorischer Hinsicht weit außerhalb des Bereiches der Begleitung und gibt ihr eine unnachahmliche Stimme, die neben der Gesangsstimme als gleichwertiger Partner zu hören ist. Beide treten zueinander in einen Dialog, und somit korreliert das weite Spektrum der zwanzig Gedichte in dieser wunderbaren Komposition mit dem Facettenreichtum der Gitarre. Stiens gelingt es außerdem, jedem Lied einen eigenen musikalischen Ausdruck zu verleihen, der die Sache bunt und abwechslungsreich macht.
Der gelungene Abend ist vor allem auch der grandiosen Einstudierung des Duos Wolf Matthias Friedrich (Bariton) und Stephan Stiens (Gitarre) zu verdanken, das nunmehr seit 15 Jahren zusammenarbeitet.

Die Feinjustierung des Gitarrenklangs ist überzeugend und lässt keine Wünsche offen. Gleiches gilt für Friedrich an den Stimmbändern. Als Komponist schafft es Stiens, auch die musikalische Textausdeutung weit über die bloße Textbegleitung hinaus sinnreich einzusetzen. Es geht also nicht nur um die Textverständlichkeit, sondern auch um die musikalische Bewertung des Textes. Dabei entsteht etwas völlig Neues, das den gesellschaftskritischen Impetus der jungen Lyriker, die mit ihren persönlichen Geschichten den Hörer direkt ansprechen, in einem musikalisch packenden Licht zeigt.
Bresemann habe gar nicht gewusst, dass die Gedichte der Lyrikergruppe gesungen werden können. Der Komponist Stiens beweist, dass es doch geht. Und auch der Interpret seines eigenen Werkes zusammen mit Friedrich verlangt danach: JETZT wird gesungen!

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