Als ein „Alarmzeichen für Hamburgs Kultur“ hat Dietrich Wersich, Vorsitzender der CDU-Bürgerschaftsfraktion, den Rücktritt von Wolfhagen Sobirey bezeichnet. Sobirey war am 31. Januar 2014 als Präsident des Landesmusikrates Hamburg zurückgetreten. Grund waren die Kürzungsankündigungen der Stadt für den Tag der Musik in Hamburg. Kurzfristig waren die Mittel für 2014 von 33.000 auf 10.000 Euro gekürzt worden, für 2015 soll die finanzielle Unterstützung komplett gestrichen werden. Durch den Rücktritt Sobireys, der sich auch als Ehrenmitglied für den DTKV Hamburg engagiert, verliert der Landesmusikrat Hamburg nach 16 Jahren einen wichtigen Initiator und Förderer. Chantal Nastasi, freie Journalistin und als Pianistin und Klavierpädagogin Mitglied im Tonkünstlerverband Hamburg, sprach mit Wolfhagen Sobirey über die Situation der Musik in Hamburg.
neue musikzeitung: Herr Sobirey, Sie haben 2009 den Tag der Musik in Hamburg ins Leben gerufen. Welche Stimmung herrschte zu dem Zeitpunkt?
Wolfhagen Sobirey: Es wurden damals einige Ideen entwickelt, wie man Hamburg als Musikstadt noch stärker im Bewusstsein verankern könnte, auch im Hinblick auf die Eröffnung der Elbphilharmonie mit deutlich mehr Hörerplätzen als bisher. Mir fiel damals der Tag der Musik ein, den es früher schon einmal gegeben hatte. Da es dabei um Laienmusik und um ein sehr breites Musikangebot geht, war der Tag der Musik dazu gedacht, alle Gesellschaftsschichten anzusprechen und damit eine breite Basis zu schaffen.
Tag der Musik: Plattform aller Musikbegeisterten
nmz: Und wie wurde die Idee von der Stadt aufgenommen?
Sobirey: Die damalige Kultursenatorin Karin von Welck hat die Idee sehr unterstützt. Inzwischen ist die Elbphilharmonie leider fast ein Unthema geworden. Sie wissen von den Problemen. Deswegen haben einige Verantwortliche das Thema Musik wohl etwas vernachlässigt. Ich weiß nicht, inwieweit der aktuelle Hamburger Senat das Projekt „Musikstadt“ noch verfolgt.
nmz: Mit welchem Ziel wurde der Tag der Musik in Hamburg und bundesweit ins Leben gerufen?
Sobirey: Als gemeinsame Plattform aller Musikakteure, aller Musikbegeisterten. Vernetzungen, Ideenaustausch. Kultur hat ein Oben und ein Unten. Das Oben ist die Hochkultur, die wird politisch meist unterstützt. Das Unten, die Basis, hat’s eher schwer, ganz klar in Hamburg. Der Nachwuchs, der Instrumental- und Gesangsunterricht, die Laienchöre, die Laienorchester, die Musik in den Bürgerhäusern, Stadtteilzentren, die jungen Bands, Musik für ältere Menschen – das alles wird zu wenig geachtet und zu wenig unterstützt.
nmz: Und wie ist die Reaktion der Stadt jetzt?
Sobirey: Es geht immer nur um die professionelle Musik. Laienmusik? „Mir taten die Ohren weh!“ Das ist beispielweise eine Stimme aus der Kulturbehörde nach dem Auftritt eines Laienensembles. Ich finde, Musik muss etwas Aktives sein und nicht nur passive Berieselung. Es ist tatsächlich so, dass immer mehr mitmachen beim Tag der Musik: Wir hatten in Hamburg im vergangenen Jahr 3.000 aktiv Beteiligte, über 300 Musikveranstaltungen an 120 Orten mit über 40 Kooperationspartnern. In ganz Deutschland fanden 2013 1.700 Veranstaltungen unter diesem Namen statt. Für mich hat der Tag der Musik das Zeug, der „Kirchentag der Musik“ zu werden. Das denken auch andere.
Protest gegen Beerdigung eines wichtigen Projektes
nmz: Wie sahen die Planungsgespräche für die nächsten Jahre mit der Hamburger Kulturbehörde aus?
Sobirey: Mit verständnislosen Diskussionen, demonstrativem Desinteresse hat uns die Behörde hingehalten. Die Förderzusage für 2014 kam erst im Januar, viel zu spät, um ein Großereignis vorzubereiten. Auch der Förderbetrag ist völlig unzureichend. So kann man ein Projekt beerdigen. Jetzt, nach meinem Rücktritt und den Protesten, scheint die Tür wieder etwas geöffnet zu sein.
nmz: Es heißt, die Kulturbehörde wollte ein neues Konzept für den Tag der Musik. Warum?
Sobirey: Unser Basisansatz gefällt denen nicht. Von den vielen kleinen Vor-Ort-Konzerten, die wir bewirken, halten die leider nichts. Ich befürchte, man will noch eine weitere zentrale Großveranstaltung. In Hamburg fühlt sich bei der Senatspolitik niemand für die Laienmusik zuständig.
nmz: Wo steuert die „Musikstadt Hamburg“ Ihrer Meinung nach hin?
Sobirey: Ich möchte erst mal erleben, dass das schöne Ziel „Musikstadt“ tatsächlich weiter verfolgt wird.
nmz: Wieso sagt die Kulturbehörde, Sie seien aus persönlichen Gründen als Präsident des Landesmusikrates Hamburg zurückgetreten?
Sobirey: Persönliche Gründe gibt es nicht. Es geht nur um die inhaltliche Ausrichtung des Tags der Musik. Ich bin für Musik von allen!
nmz: Hätten Sie nicht auch anders Position beziehen können?
Sobirey: Wenn einer, der 35 Jahre für die Musik der Stadt gearbeitet hat, fast 16 Jahre als Präsident des Landesmusikrats, unter Protest zurücktritt, fällt das ja vielleicht auf. Diese Rechnung ist aufgegangen.
nmz: Und wie geht es jetzt weiter mit dem Tag der Musik?
Sobirey: Die aktuelle Haltung der Hamburger Musikpolitik könnte dem Tag der Musik schon gefährlich werden. Hamburg war nicht nur Ausgangspunkt, sondern bisher auch Motor des bundesweiten Projekts. Ich persönlich werde versuchen, als Mitglied des Deutschen Musikrates, das ich nach wie vor bin, den Tag der Musik zu erhalten.