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Ausgemachte Höhepunkte, schöpferisch mit dem Publikum diskutieren

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25 Jahre die neue brücke – Berliner Künstlerinitiative
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Es sah aus wie ein Abschiedsgeschenk der DDR – wenige Wochen vor dem 3. Oktober 1990 wurde der Neubau der Galerie M in Berlin-Marzahn vollendet, übergeben und in Betrieb genommen.

Gedacht als als kultureller Initiativpunkt in einem Stadtbezirk, der beinahe als pure Schlafstadt in Verruf zu kommen drohte.
Geplant konkret als Galeriebau für wechselnde Ausstellungen.
Und bald entpuppte sich ein ganz neuer Charakter: Die Räume hatten eine ganz hervorragende Ausstattung mit blendender Akustik, so dass wir dort die neugegründete Initiative die neue brücke ansiedeln konnten, mit der Möglichkeit, von Kammermusik bis zu Chorauftritten eine üppige Palette von Konzertangeboten zu offerieren.
Und Ziel dieser Aktivitäten war es, inmitten stets neuer Ausstellungen die Brücken zu schlagen zwischen Bildkunst und Musik, Beziehungen zwischen Malern, Bildhauern, Zeichnern – und Komponisten und Musikern der Gegenwart offen zu legen und schöpferisch mit dem Publikum zu diskutieren. Maler des 20. Jahrhunderts, die Bauhausmeister Lyonel Feininger, Paul Klee und Wassily Kandinsky, auch Ernst Barlach, Karl Schmidt- Rottluff, Max Beckmann, Marc Chagall, Pablo Picasso, Salvador Dalí, Joan Miró gehörten mit ihrer Affinität zur Kunst der Klänge dazu, auch viele andere, vor allem aus der Garde der Lebenden – bis hin zum klingenden Eisenkunstguß.

Eine besondere Form waren die Geburtstagsfeiern für Wolfgang Amadé, mit ein oder zwei Kompositionen von ihm als Ausgangspunkt zur Analyse der Entwicklung der Musik im 20. Jahrhundert, in steter Konfrontation mit Werken der unmittelbaren Gegenwart, in Anwesenheit von lebenden Autoren, die ihre Affinität zu Mozart und seiner Ideenwelt beweisen sollten.

Zu den ausgemachten Höhepunkten gehörten die Chorkonzerte, hier konnten die akustischen Qualitäten der Galerie M voll ausgekostet werden. Die offene Etagenkonstruktion des Hauses bot doppelchörigen Kompositionen überwältigende Wirkung. Der Schwerpunkt bei der Gestaltung der Programme lag natürlich auch hier beim zeitgenössischen Schaffen. Gäste waren neben vielen Berliner Chören – so das ars nova ensemble, der Carl-von-Ossietzky-Chor, der Paul-Robeson- Chor - auch die Vocalisten Zürich oder der Mädchenchor der Landesschule Pforta.

Es gab viele Einladungen für die neue brücke zu Gastkonzerten, in Berlin in das Konzerthaus, in die Stadtbibliothek, in die Neue Nationalgalerie oder in die Schwartzsche Villa in Steglitz, in das Konferenzzentrum Gosen der Humboldt-Universität, in Museen nach Köln, Frankfurt am Main und Regensburg, in die Galerie Moritzburg Halle, nach Erfurt, Rostock, Greifswald, in das Schloss Elmau, gar in das kanadische Montreal. Eine hochinteressante Variante war die Anregung der Friedrich-Schiller-Universität in Jena. „Malen nach Musik“ sollte es heißen: Nach einer völlig unbekannten Musik Bild-Ideen zu finden, zu zeichnen, zu malen, lautete die Aufgabe. Und da war es schon echt überraschend, dass es bei der identischen Musik-Anregung am Ende eine Summe total unterschiedlicher Bild-Resultate zu sehen gab. Ein kleiner Beweis für die unendlich große, Fantasie mobilisierende Wirkung von (gerade auch: heutiger) Musik.

Neben Komponisten aus dem Stadtbezirk wie Jürgen Buttkewitz, Ralf Hoyer, Kurt Schwaen, Susanne Stelzenbach, Lothar Voigtländer waren es Kolleginnen und Kollegen aus ganz Berlin und aus dem Bundesgebiet, die mit ihren Kompositionen unsere Programme bereicherten, um nur einige zu nennen: Joachim Gruner, Birgit Havenstein, Hans-Friedrich Ihme, Gabriel Iranyi, Helge Jung, Hermann Keller, Olga Magidenko, Manfred Schubert, Arvo Pärt, Theodore Saunway, Wilhelm Dieter Siebert, Karlheinz Stockhausen, Karl Heinz Wahren, Peter Weirauch, Hannes Zerbe, Grete von Zieritz. Die Klassiker der Moderne, Hindemith, Eisler, Krenek, Schostakowitsch, Lutoslawski haben feste Bänke. Stets willkommen: Isang Yun, György Kurtág.

Bei den Interpreten waren nach den Pionieren der ersten Stunde, Katharina Hanstedt (Harfe), Werner Tast (Flöte) oder Dietrich Unkrodt (Tuba) weiterhin Instrumentalsolisten von den Berliner Spitzenorchestern und Hochschulen unsere ständigen Partner, Klaus Schöpp (Flöte), Marianne Boettcher (Violine), Wolfgang Boettcher (Violoncello), die Pianistin Viviane Goergen (Frankfurt am Main), der Pianist Andreas Göbel, Ensembles wie das Tubaquartett, das Berliner Saxophonquartett, das modern art ensemble, Gäste, wie das Wiener Klarinettenquartett, das Beduin-Streichquartett aus Litauen oder die „Neuen Pegnitzschäfer“ aus Nürnberg boten Kooperation an. Die Pantomimin Anke Gerber hatte Ideen zu Bewegung in Klängen, „Jazz in Lyrik“ und „Lachen und Musik“ mit Beiträgen von Barbara Henniger und Manfred Bofinger gehörten auch zur breiten Palette unserer Programme.

Stets war auch die aktive Jugendarbeit ein heißes Thema, Konzerte in Schulen, Gemeinschaftsveranstaltungen mit dem Gymnasium „Carl Philipp Emanuel Bach“ oder Preisträgerkonzerte des Wettbewerbs „Jugend musiziert“ standen auf der Tagesordnung.

Leider wenig bekannt ist der Fakt, dass der Maler Lyonel Feininger (1871– 1956) nach intensiven Kontrapunkt- Studien in Werken von Bach mit 50 Jahren begonnen hat, selbst zu komponieren. Es entstanden 13 Fugen. Drei für das Klavier, die übrigen für die Orgel. Die neue brücke konnte alle auf CD herausbringen und so der Öffentlichkeit vorstellen.

Ein Jahr vor unserem Jubiläum gab es die große Überraschung: Die Marzahner Verantwortlichen hatten das Ende der Galerie M beschlossen und sie allen Protesten zum Trotz in die Luft gesprengt, wenn diese luftige Formulierung gestattet ist – man hat sie einfach abgerissen. Ohne Stammhaus muss die neue brücke nun ihre weitere Existenz in Gastspielen suchen. Eine Perspektive ist die Idee, per „audite“ auf Berliner Komponistenkollegen aufmerksam zu machen, die ein Jubiläum vor sich haben. Eine Veranstaltung konnten wir schon erfolgreich absolvieren, eine zweite wird in diesem Jahr folgen. Mit freundlicher Beratung durch den Deutschen Komponistenverband.

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