Im Jahr 2021 konnte die nmz bereits vom Celloherbst berichten. Damals war man zu Recht stolz darauf, im Jahr 2020 trotz Corona immerhin 16 Konzerte erfolgreich präsentiert haben zu können. Seit 2004 findet dieses wunderbare Festival im zweijährigen Rhythmus in Unna und Umgebung statt – im letzten Herbst also zum 10. Mal. Aus im ersten Jahr anfänglichen stattlichen 30 Veranstaltungen schafften die Veranstalter auch dank der Subventionierung durch Sponsoren wie dem Ministerium für Kultur und Wissenschaft sowie der Kulturstiftungen der Sparkasse Unna/Kamen und der Provinzial Versicherung, das Programm im letzten Jahr sogar noch auf über 40 hochkarätige Punkte zu erweitern. Weitere Sponsoren waren die atlas shoe company und der WDR.
Der Celloherbst gilt inzwischen als das größte Cello-Festival weltweit. Der langjährige Erfolg des Festivals resultiert neben den namenhaften Akteuren vor allem auch aus der Vielfältigkeit der Spielstätten und des musikalischen Angebotes. Die verschiedenartigen Veranstaltungsorte – zwischen Autohaus, Förderturm und Kirche – liegen schon mal 100 km auseinander und haben in ihrer jeweiligen Einzigartigkeit alle ihren eigenen Reiz und individuelle Möglichkeiten. Das bunte Programm lockt in jedem Veranstaltungsjahr nicht nur „klassisches“ Publikum an. Es bietet von Kinderkonzerten über Klezmer, Klassik und Jazz womöglich alles, was das Herz begehrt. Die Künstler*innenliste ist lang, viele davon sind weit über die Grenzen Deutschlands bekannt.
Nicht nur das Publikum ist immer wieder aufs Neue begeistert von den Darbietungen. Auch die Künstler*innen selbst sind sehr gerne dort, und viele wollen jedes Mal wiederkommen, so dass jetzt schon viele Anfragen für das Festival in 2024 vorliegen. Nachfolgend ein Gespräch zwischen Cordula Schlößer-Braun und Festivalleiterin Felicitas Stephan
Cordula Schlößer-Braun: Frau Stephan, Sie sind in all den Jahren unermüdlich dabei, dieses großartige Event zu planen und zu organisieren. Besonders in den „Corona-Jahren“ war das sicher eine gesteigerte Herausforderung. Wir erinnern uns an die 16 Konzerte, die trotzdem stattfinden konnten und fast alle ausverkauft waren. Einige sollten in 2021 als vermeintlicher „Cello-Frühling“ nachgeholt werden. Was wurde daraus?
Felicitas Stephan: Im Frühling bzw. Frühsommer fanden dann 12-Celli-Konzerte statt, die wir teilweise wegen zu wenig Plätzen zweimal spielen mussten. Zum 100. Geburtstag von Astor Piazzolla spielten wir seine 4 Jahreszeiten ein, und das Projekt mit der Beethovengesellschaft Bonn mit 5 Auftragskompositionen und deren Uraufführungen zu Beethovens 250. Geburtstag konnte dann zu seinem 251. Geburtstag im Dezember 2021 vollendet werden.
Für unser Veranstaltungsteam war es natürlich eine besondere Herausforderung.
Schlößer-Braun: Ende letzten Jahres, zum 10-jährigen Jubiläum – herzliche Glückwünsche dazu auch noch an dieser Stelle – lief dann wieder alles fast „normal“?! 40 Konzerte fanden statt. Was nehmen Sie persönlich aus diesem Cello-Herbst mit?
Stephan: Es war „Aufregend anders – mit Ensembles aus ganz Europa!“ Und das war auch unser Motto für 2022.
Mich begeistert es einfach, das Cello in allen seinen Facetten zu präsentieren und zu erleben, und gerade nach Corona haben nicht nur mir die Begegnungen mit vielen MusikerInnen gut getan – mit den Ensembles vom Vision String Quartet bis hin zum Ensemble Europa, in dem ich und auch unter anderen der Pianist Paul Gulda mitgewirkt haben. Das Festival lebt vom persönlichen musikalischen Austausch.
Natürlich mussten wir das Festival erst einmal anschieben, doch waren wir alle sehr glücklich, am 17.12.2022 – wieder an Beethovens Geburtstag - mit dem 40. Celloherbst-Konzert, das natürlich ausverkauft war, das Festival zu beenden. Besonders am Herzen liegen mir die Kinderkonzerte. Die eigene Celloherbst-Produktion von Uli Bär, „Der Geigenbauer von Cremona“ unter dem Motto „Der Celloherbst macht keine Ferien“ war drei mal ausverkauft.
Schlößer-Braun: Sie sind immer unterwegs, um neue Veranstaltungsorte zu erkunden, testen die klanglichen Qualitäten, et cetera. Viele KünstlerInnen gehören schon fast zum Inventar des Festivals. Daher nehme ich an, dass es schon ein paar konkrete Pläne für 2024 gibt?
Stephan: Als Cellistin sehe und „höre“ ich die vielen Veranstaltungsstätten in unserer Kulturregion Hellweg sicher anders als viele Zuhörer. Oft werden wir gefragt, ob ein Konzert in dieser oder jener Stadthalle oder Mehrzweckhalle möglich ist.
Diese Hallen sind leider oft akustisch ungeeignet – wir suchen dann aber das Gespräch und versuchen ein Konzert in einer Fabrikhalle, Kirche oder einem ehemaligen Zechengebäude zu organisieren, die oft eine reizvolle Akustik haben. Besonders wichtig ist mir, an Orte zu gehen, wo man eine neue Zuhörerschaft gewinnen kann. Das kann dann auch schon mal ein Autohaus oder eine Sparkassenhalle sein. Auf der Einladungsliste steht für 2024 unser Schirmherr Daniel Müller-Schott, der mit jungen MusikerInnen des Orchesterzentrums Dortmund bei uns zu Gast sein wird.
Schlößer-Braun: Wer ist der Kulturkreis der Unnaer Wirtschaft e.V.?
Stephan: Der „Kulturkreis der Unnaer Wirtschaft e.V.“, das sind circa 20 mittelständische Unternehmen im Kreis Unna, die Kultur ermöglichen möchten. Er veranstaltet in den geraden Jahren den Celloherbst und in den ungeraden Jahren mit Take 5 Jazz am Hellweg das größte Jazzfestival Westfalens, darüber hinaus Konzertreihen wie zum Beispiel den „Italienischen Konzertfrühling“.
Durch meine zahlreichen Konzerttouren durch Europa habe ich sehr gute Kontakte zu vielen MusikerInnen unter anderem nach Italien und viele freuen sich sehr über eine Einladung zu einem Konzert im Land von Bach und Beethoven.
Schlößer-Braun: Können sich KünstlerInnen auch direkt an Sie wenden, wenn Auftrittsinteresse besteht?
Stephan: Wir bekommen das ganze Jahr fast täglich Anfragen. Wenn es möglich ist, bemühen wir uns, ein Konzert von dem jeweiligen Bewerber zu besuchen, denn jemanden live zu hören, ist und bleibt die beste Visitenkarte. Ansonsten bleibt die Empfehlung von anderen MusikerInnen, die man schon gut kennt und das klappt sehr gut mit unserem europäischen Netzwerk, das wir inzwischen aufgebaut haben.
Schlößer-Braun: Durch Corona hat sich auch trotz der Lockerung der Maßnahmen herausgestellt, dass die Konzertlandschaft sehr schwierig geworden ist. Vorverkäufe finden fast gar nicht statt, Konzerte werden reihenweise abgesagt, weil es keine Planungssicherheit für die Veranstalter gibt. Waren das auch Ihre Beobachtungen?
Stephan: Corona hat viel verändert, wir versuchen mit unserem Veranstalter-Netzwerk von 20 Kooperationspartnern die richtige Mischung zu finden. Vielfalt ist unsere Stärke: Da ist zum einen die Programmvielfalt, dann die Kooperationsvielfalt vom Emil Schumacher Museum über das Internationale Lichtkunstzentrum bis zu den Kulturgesellschaften, dann die Sponsorenvielfalt und die Spielstättenvielfalt.
Der Austausch und das Vertrauen im Sprechergremium des Kulturkreises der Unnaer Wirtschaft e.V., wo alle Fäden zusammengeführt werden, die Zusammenarbeit mit dem 1. Vorsitzenden Klaus Moßmeier und dem Intendanten Uli Bär, der selbst ein begeisterter Kontrabassist ist, machen die Planungssicherheit und Stärken des Festivals aus. Das ermöglichte uns, 2020 über 20 Konzerte zu veranstalten, trotz Corona.
Schlößer-Braun: Eine andere Entwicklung geht hin zu „Streaming-Konzerten“, die sich durchaus ja auch kostenpflichtig schalten lassen können – oder als Anreiz, als Appetizer, zum Besuch eines ganzen richtigen Livekonzertes genutzt werden. Haben Sie solches vielleicht auch im Blick, in der Planung?
Stephan: Natürlich haben wir auch ein Live-Streaming Konzert am 11.3.2021 zu Piazzollas 100. Geburtstag veranstaltet und dann auch eine CD mit den 4 Jahreszeiten von Piazzolla unter meinem Label Cello Colors produziert.
Das gehört dazu, aber ein Live-Konzertabend zum Beispiel mit unseren 12 Hellweger Cellisten aus neun Nationen vermittelt eine Live-Botschaft für die Musik und ein gemeinschaftliches Live-Erlebnis. Das ist mit keinem Streaming zu ersetzen.
Schlößer-Braun: Frau Stephan, ich danken Ihnen für dieses Interview und wünschen Ihnen und allen Mitplanenden und Ausführenden des Celloherbstes weiterhin viel Erfolg und gutes Gelingen.
Aktuelle Infos
www.celloherbst.de
Felicitas Stephan:
www.felicitas-stephan.de