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Den Wert musikalischer Arbeit darstellen

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Zur vierten Auflage der Honorarstandards des Tonkünstlerverbandes Baden-Württemberg
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Bereits im vierten Jahr legt der Tonkünstlerverband Baden-Württemberg Honorarstandards vor, die in Kooperation mit ver.di musik und der Deutschen Orchestervereinigung (DOV) entstanden sind und durch die Kommunikation mit unseren Mitgliedern, aber auch Musikerinnen und Musikern aus dem ganzen Bundesgebiet und anderen Verbänden fortwährend weiterentwickelt werden. So übernimmt beispielsweise der Bundesverband Deutscher Gesangspädagogen (BDG) das Zahlenwerk.

Wie groß das Interesse an diesem Thema ist, zeigt nicht nur die rege Teilnahme am „Thinktank Honorare“, der im Anschluss an die Mitgliederversammlung am 26. Juni 2020 in Stuttgart stattfand, sondern auch die fortwährende Diskussion zu Honorarfragen in sozialen Netzwerken und Internetforen. Als Referentin für Honorarstandards im baden-württembergischen Landesvorstand erhalte ich wöchentlich mindestens eine Zuschrift, die sich entweder konkret fragend oder kommentierend mit dem Themenfeld auseinandersetzt. Nicht zuletzt durch dieses Feedback aus dem gesamten Bundesgebiet können die Zahlen kontinuierlich weiterentwickelt werden.

Die Sätze für Unterricht wurden gemäß der neuesten ver.di Tabelle:
https://musik.verdi.de/ueber-uns/ratgeber/++co++36fbd4f8-bccd-11e2-aeb1… – Fachgruppe Musik/Ratgeber/Aktualisierung/Tabelle 10.1.1.3 (Stand 1.3.2020)
nach oben angehoben.

Die Zahlen für freie Orchestertätigkeit, freie Gesangs- und Instrumentalsolistentätigkeit sind weiterhin nahezu identisch mit den Empfehlungen der DOV. Größere Veränderungen gab es aufgrund des oben beschriebenen Feedbacks aus den Fachgruppen auf dem Gebiet der freien Chor- beziehungsweise Ensembleleitung sowie auf dem Gebiet der musikalischen Eventgestaltung. In beiden Fällen wurde gewünscht, den Faktor Zeit und Aufwand noch deutlicher darzustellen.

So wurde im Bereich Chor/Ensemble ein Modulsystem entwickelt, das auf einer Grundvergütung aufbaut und Zuschläge von 25 oder 50 Prozent vorsieht, je nach Aufgabenstellung an die Leitung. Übernimmt etwa in einem Chor die Leitung besonders viele organisatorische Aufgaben wie Pressearbeit oder Werbung, so kann ein Aufschlag erhoben werden, ebenso für die Erstellung von eingespiel­ten Übe-Tracks oder auch die musikalische Vorbereitung eines besonderen Werkes. Legt ein Ensemble Wert auf qualifizierte, strukturierte Probenarbeit, die letztlich den musikalischen Erfolg und langfristig stabile Mitgliederzahlen sichert, so erfordert dies die entsprechende Vorarbeit der Leitung, die sich schließlich auch finanziell niederschlagen muss.

Ein wichtiger Wirtschaftsfaktor für Musikerinnen und Musiker ist die Gestaltung von Events (Hochzeiten, Trauerfeiern, Vernissagen etc.). Auch hier kann sich bei speziellen Wünschen der Auftraggeber die Vorbereitungszeit ins Unermessliche steigern. Mit der Pauschalempfehlung von 330 Euro halten wir uns im Mittelfeld auf, das Luft nach oben lässt, und natürlich muss auch umgekehrt jede*r Künstler*in für sich entscheiden, was ein einziges Ave Maria bei einer Trauerfeier wert sein soll. Ähnlich verhält es sich mit der Empfehlung für die Gestaltung von Gottesdiensten, die ebenfalls bei 330 Euro€ liegt. Wird eine große Messe oder aufwändige Kantate mit mindestens einer Probe vorher musiziert, oder gilt es, lediglich ein oder zwei Stücke im normalen Gottesdienst beizusteuern.

Bewusst wurden in die Neuauflage der Honorarstandards auch Vergleiche zu Honorarsätzen anderer Berufsgruppen mit ebenfalls häufig akademischen Werdegängen (Psycholog*in, Coach oder freie Trauer-, bzw. Hochzeitsredner*in) gezogen, um den Wert musikalischer und pädadogischer Arbeit noch plastischer darzustellen. Dies erschien dem Vorstand des Tonkünstlerverbandes Baden-Württemberg, aber auch den Teilnehmer*innen des Thinktank Honorare gerade im Corona-Jahr 2020 besonders wichtig. Gerade in dieser schweren Phase, die für alle Musikschaffenden und Musiklehrenden unwägbare Risiken birgt, ist die Gefahr groß, dass die Dumpingspirale sich noch schneller dreht und die Preise ins Unermessliche verfallen. Wenn etwa Eltern die Weitergabe der Mehrwertsteuersenkung für Leistungen fordern, auf die gar keine Mehrwertsteuer gezahlt wird, lässt das deutlich den Geist oder auch Ungeist dieser Zeit erkennen.

Nun schließt sich der Kreis zum Beitrag über die Online-Umfrage zur Situation der baden-württembergischen Mitglieder in der Corona-Krise in der letzten Ausgabe. Hier wurde gefragt: „Überleben oder nicht – eine Frage der Qualität?“ Qualität und Qualifikation sind wichtige Faktoren, um das Überleben zu sichern, aber nur wenn sie auch öffentlichkeitswirksam und nicht zuletzt in der eigenen Preisgestaltung dargestellt werden. Im Ehrenkodex der Honorarstandards des Tonkünstlerverbandes Baden-Württemberg, der in dieser Ausgabe dem Zahlenwerk vorangestellt wurde, heißt es dazu: „Der Verband appelliert insbesondere an Kolleginnen und Kollegen in wirtschaftlich gesicherter Position – wie zum Beispiel Festanstellung in Orchestern, Chören oder an einer Hochschule –, die Empfehlungen nicht zu unterbieten, auch wenn das Geld nicht unmittelbar benötigt wird. Diese bereits jetzt schon verbreitete Praxis stellt Preisdumping dar und bringt weniger abgesicherte Kolleginnen und Kollegen, die auf diese Verdienstquellen angewiesen sind, in ernsthafte Notlagen. Als professionelle*r Musiker*in unentgeltlich zu singen oder zu spielen, bedeutet, einen Berufsstand existenziell zu gefährden.“

 

 

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