In regelmäßiger Folge berichten wir aus der Jury des Musikfonds und stellen Mitglieder des Kuratoriums vor. Nach langer Vorlaufzeit in 2016/17 wurde der erste Stichtag zur Einreichung von Anträgen mit innovativen zeitgenössischen Projekten auf den 30. April 2017 festgelegt. So zäh auch die ersten Unterlagen eingingen, stand die Jury letztlich vor einem immensen Antragsvolumen von 460 zu bewertenden Projekten aller aktuellen Stilrichtungen.
neue musikzeitung: Herr Schulzki, Sie vertreten in der Jury gemeinsam mit Robert HP Platz den Deutschen Komponistenverband – wie kam es zu der Berufung in die Jury bzw. das Kuratorium des Musikfonds?
Stefan Schulzki: Mein Kollege Alexander Strauch hat mich vorgeschlagen, da er mit einigen meiner Arbeiten vertraut ist und daher weiß, dass ich stilistisch und ästhetisch gerne breitgefächert auftrete und tatsächlich nicht nur in der zeitgenössischen Klassik, sondern auch in den experimentelleren Formen von Pop, Rock, Jazz und elektronischer Musik mich heimisch fühle. Einerseits lebe ich von der Filmmusik, andererseits schreibe ich auch Musik für die Konzertbühne (Anm. d. Red.: z.B. für das Brecht-Festival in Augsburg oder das aDevantgarde-Festival in München).
nmz: Haben Sie alle diese Stilrichtungen in den vorliegenden Anträgen wiedergefunden?
Schulzki: Ja, durchaus – ich war erstaunt über die immense Kreativität, die sich da offenbarte. Es gab viele Projekte mit wirklich innovativen Ansätzen, viel Neues und Inspirierendes, viele gute Musiker und Komponisten, von denen ich noch nie gehört hatte.
nmz: Sie sind Jahrgang 1970, hätten Sie sich in den 80er-Jahren eine ähnliche Initiative gewünscht?
Schulzki: Da war ich wohl noch zu jung und mit anderen künstlerischen Berufswünschen beschäftigt, auch wenn ich schon als Kind am Klavier improvisierte – unter anderem wollte ich Filmregisseur werden. Nachdem ich mit allen möglichen Spielarten nicht-klassischer Musik aufgewachsen war, entdeckte ich erst mit 18 Jahren zusätzlich die Welt der Klassik und auch der Neuen Musik für mich. Mit der endgültigen Entscheidung, hauptberuflich Musiker zu werden und zunächst Klavier zu studieren, hatte ich ungeheuer viel an pianistischer Ausbildung nachzuholen. Erst 1998, nach der Aufnahme in die Filmakademie in Ludwigsburg und in das parallele Kompositionsstudium bei Prof. Ulrich Leyendecker, konnte ich mich endlich dem Komponieren widmen.
nmz: Wie kam es dann zu dem sensationellen Auftrag, die Filmmusik zur „Donna Leon“-Serie zu schreiben?
Schulzki: Nach meinem Abschluss an der Filmakademie hatte ich das große Glück, von dem enorm einflussreichen Filmproduzenten Nico Hofmann gefördert zu werden. Er schlug mich u.a. für die „Donna Leon“-Reihe vor – es folgten einige Jahre, in denen ich nur noch für Filmmusik Zeit fand.
nmz: Wenn ich richtig informiert bin, läuft das Geschäft mit der Filmmusik weiter gut, aber es gibt auch immer wieder neue Kompositionen aus Ihrer Feder, die nicht von Regisseuren oder Produzenten vorgegeben sind…
Schulzki: 2008 begann ich wieder, mir die „Neue Musik“ in mein Leben zurückzuholen: Ich besuchte unter anderem die Darmstädter Ferienkurse und nahm 2009 noch einen Postgraduierten-Lehrgang Komposition bei Prof. Adriana Hölszky auf. Seitdem versuche ich möglichst viel Zeit zu finden, um meine musikalische Sprache auch außerhalb der Filmmusik weiterzuentwickeln. Bisherige Schwerpunkte sind dabei Vokalmusik und Live-Elektronik, aber auch Kammer- und Orchestermusik; für 2018 ist eine CD-Veröffentlichung bei NEOS geplant. Stilistisch will ich mich in Zukunft noch weiter darum bemühen, all meine ästhetisch so unterschiedlichen Vorlieben miteinander in Einklang zu bringen. Übrigens würde mich nicht wundern, wenn sich durch meine Tätigkeit für den Musikfonds auch Einflüsse von experimentellem Jazz noch stärker bemerkbar machen als zuvor.
nmz: In diesem Sommer hatten wir für die Auswahl der Förderungen durch den Musikfonds insgesamt vier volle Jury-Tage aufgrund der umfangreichen Anträge. Ende September 2017 ist der nächste Abgabetermin und wir sind gespannt auf die neue Welle von musikalischer Kreativität. In der ersten Runde waren doch viele Eingaben nicht adäquat und wurden nicht berücksichtigt. Was kann man neuen Antragstellern raten, in erster Linie zu beachten?
Schulzki: Sehr hilfreich ist die Angabe von Links zu Hörbeispielen – wenn diese fehlen, versuche ich, sie selbst im Internet zu finden, denn diese sind in der Regel ausschlaggebend für die Entscheidung, ob auch wirklich Experimentelles und Innovatives zu erwarten ist. Zugleich könnten dafür die Projektbeschreibungen oft kürzer ausfallen – es müssen vielleicht nicht immer gleich zehn Seiten sein… Weitaus wichtiger für mich sind die akustischen Arbeitsproben vorangegangener Projekte!
nmz: Vielen Dank für das Gespräch.