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Der Odem des Einmaligen

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Festkonzert zum 75-jährigen Jubiläum des Tonkünstlerverbandes Bayern
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Die Feier anlässlich seines 75. Geburtstags beschränkt der Tonkünstlerverband Bayern e.V. nicht nur auf eine einzige Veranstaltung in der Nähe des Gründungstages am 14. November, sondern begeht ein ganzjähriges Tonkünstlerfest.

Wer die Aktivitäten des Verbands auch nur peripher mitverfolgt, nahm sicher Notiz von den 190 Konzerten Anfang 2023 unter dem Schlagwort „Tonkünstler Live Special“ und der „Beratungsoffensive“, auch vom neuen Podcast „Auf einen Ton“. Dies alles gehört zu den umfangreichen Angeboten des Tonkünstlerfestes. Als medialer Gipfelpunkt thront das Festkonzert am 25. März 2023 im Münchner Künstlerhaus, das nicht nur verbandsintern die Kulturschaffenden erreichen sollte, sondern nach außen hin die hohe Qualität, die Bedeutung und die Wichtigkeit der Kulturszene erstrahlen ließ. Entsprechend ungewohnt für ein Tonkünstlerkonzert las sich das Programm, welches nur eine Komposition einer bayerischen Komponistin aufwies – das Auftragswerk „Lucioles-Glühwürmchen“ von Dorothee Eberhardt-Lutz –, dafür zwei bekannte Glanzwerke des Kammermusikrepertoires enthielt: Das frühe Klaviertrio G-Dur von Claude Debussy und das monumentale Zweite Klavierquintett A-Dur op. 81 von Antonín Dvořák. Durch den Abend führten Ingolf Turban und Markus Bellheim, bei Debussy ergänzt durch den Cellisten Wen-Sinn Yang und bei Dvořák ferner erweitert um Ayane Tsuge und Ionel Ungureanu.

Die Uraufführung stand zu Beginn: Dorothee Eberhardt-Lutz schien die Form innerhalb scheinbar willkürlicher Bewegung zu suchen, wofür sie sich bei Insekten inspirieren ließ, namentlich den titelgebenden Glühwürmchen. Abrupte Wechsel durchzogen das Werk, unterminierten immer wieder sich anbahnenden Aufbau, wobei sich allmählich zeigte, dass sich gewisse Elemente aus dem Strom lösten und Struktur konstruierten. Eberhardt-Lutz bewies dabei Gespür für anregende Rhythmik und geschickten Einsatz klangveränderter Effekte, die gerade durch ihre Sparsamkeit herausstachen. Schwerelos glitt Markus Bellheim über die Tas­ten, um insektenhaft surrende Bewegungen zu realisieren, vermengte die einzelnen Töne zu umfassenden Klanggemälden. Pointiert fand sich in diesen Ingolf Turban zurecht, der die Komposition mit tiefster Ernsthaftigkeit auffasste und dabei doch die kindliche Freude an manch einem schwirrenden und zirpenden Klang nicht verlor.

Die beiden folgenden Standardwerke erforderten gewissermaßen Mut: Präsentierten die Aufführenden sie schließlich vor einer Halle gefüllt mit Berufsmusikerinnen und Berufsmusikern, von denen sicherlich ein guter Anteil die Werke selbst gespielt hat. Doch war der Erfolg umso überbordender, denn an diesem Abend erklang Kammermusik, wie sie sein sollte. An manuelle Makellosigkeit hat sich das Publikum längst gewöhnt; doch was hier erstaunte, war die lückenlose Verschmelzung zu einem großen Klangkörper, der formale Orientierungssinn innerhalb der Sätze und Werke sowie das klangtechnische Feingefühl, das große Bögen, klare Kontur und luzide Struktur vermittelte, dadurch immer die Richtung wies. Den Zuhörerinnen und Zuhörern wurde ein Weg gewiesen, der stets zum einen Höhepunkt eines Satzes führte und sich von dort Richtung Entspannung ebnete.

Klangliche Derbheiten oder selbstgefälliger Effekt waren hingegen den Aufführenden fremd. Sie kreierten einen vollen, geradezu symphonischen Klang, der sich durch ständige Interaktion auszeichnete: Die Instrumentalistinnen und Instrumentalisten befeuerten sich auf der Bühne immer wieder zu gleichermaßen vorbereiteten wie doch auch spontanen Höchstleistungen, was den Odem des Einmaligen hauchte.

 

 

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