Was geschieht, wenn ein Regionalverband seine Mitglieder auf die Suche nach Werken zu einem bestimmten Thema schickt? Der TKV Südostbayern hat nach zwei Jahren Pause das Konzept wieder aufgenommen, dieses Mal mit dem sehr aktuellen Themenfeld „Umwelt – Friede – Hoffnung“. Gefördert durch das Programm „Tonkünstler Live Special“ des TKVB, wurde das Konzert am 11. November 2023 im Rosenheimer Hans-Schuster-Haus zu einer subjektiven Werkschau, mit neunzehn bekannten und aktiven Musikerinnen und Musikern aus der Region und dreizehn ausgesuchten Stücken, von den Ausführenden jeweils kurz vorgestellt.

Xaver Eckert, Hackbrett und Marinus Weidinger, Akkordeon spielen Enjott Schneider und Rudi Spring. Foto: Toni Stigloher
Die Stimme der Zuverischt und Hoffnung
„Desert Dream“, vom Komponisten Patrick Pföß selbst eingeführt, eröffnete das Konzert im voll besetzten Saal – ein kurzes Solostück für Flöte, in dem Johanna Hartmann evokativ die Stille der Wüste, flirrende Hitze und knisternd-kratzende Geräusche von Insekten und Sand hervorzauberte. Der 1924 in Rumänien geborene Komponist und Holocaust-Überlebende Sergiu Natra hatte eine besondere Vorliebe für die Harfe. Seine „Music for violin and harp“, nach seiner Emigration nach Israel geschrieben, spielten Constanze Germann-Bauer (Violine) und Johann Niedermaier (Harfe) dicht und eindringlich, die Violine klangvoll, zupackend die Harfe, immer den großen Bogen des 10-minütigen Stückes im Fokus. Das „Prayer“ aus Ernest Blochs Suite „From Jewish Life“ wurde von Birgit Saßmannshaus (Cello) bewegend und ohne Pathos interpretiert, Yume Hanusch am Klavier präsent und unprätentiös und beide Musikerinnen in der anschließenden Filmmusik „L’Oiseau“, bekannt durch die französische Sängerin Zaz, ebenso geschmackvoll als eingespieltes Duo agierend.
Namensgebend für das Konzert war Enjott Schneiders „Our Hope is blue and green“, in der gerade erschienenen Bearbeitung für Flöte, Violine, Viola, Violoncello und Harfe dem ensemble mosaique gewidmet, nämlich Alice Guinet, Anna Kakutia, Miriam Peter, Michael Weiß und Barbara Pöschl-Edrich. Ursprünglich für Bambusflöte und chinesisches Kammerorchester, entfaltete die Uraufführung des Quintetts ihre bildhaft-sprechende Wirkung, mit asiatischen Anklängen, Bisbigliandi, Glissandi, kurzen Solo-Kadenzen der Flöte und wechselnden Flächen, zwischen fließend-ruhigen Polen und nervösen Einschüben – ein „Gedicht“, das uns mahnt, unseren Planeten mit dem Blau seiner Ozeane und dem Grün seiner Pflanzenwelt zu wertschätzen, vom ensemble mosaique atmosphärisch ausgelegt.
Ein weiteres Stück von Enjott Schneider stand nach der Pause auf dem Programm: aus dem Zyklus „Prayers…from the hells of wars“, dem syrischen Oud-Spieler Abathar Kmash gewidmet, interpretierten verbindlich und innig Xaver Eckert und Marinus Weidinger eine Version für Hackbrett und Akkordeon des dritten Satzes „Endless Prayer“. Das Akkordeon, stellvertretend für die Orgel und das Hackbrett für die Melismen einer Oud vereinten sich zum Religionen übergreifenden Gebet. Die in gleicher Besetzung folgende Aria von Rudi Spring klang wie die Stimme der Zuversicht und der Hoffnung, licht und klar von den jungen Musikern empfunden und transportiert. Der Gitarrist Markus Lohmeier hatte sich die Bearbeitung eines traditionellen russischen Liedes gesucht, „Wege wie Nähte“, in einer Bearbeitung von Sergei Rudnev: „Die Wege, die wir zusammen gingen, sind zugewachsen. Wo bist du, mein Liebster, mit wem bist du jetzt…“ in Lohmeiers Einführung mit der Hoffnung verbunden, dass alles, was zerrissen ist, irgendwann wieder zusammen kommen wird. Sensibel und ergreifend interpretiert, kam sicherlich bei der einen oder dem anderen eine große Trauer darüber, dass wir solch russischen Klängen lange nicht mehr unbeschwert werden lauschen können.
Aus den „Aus-Blicken“ für Flöte und Altflöte von Roland Leistner-Mayer spielten Johanna Hartmann und Christiane Kneer „Das Tor zur unteren Wiese“ das auf einem Zitat aus Nietzsches „Zarathustra“ beruht. Nachdenklich, poetisch und sanft interagierend entfaltete sich der Satz unter der Vorstellung des Textes. Spritzig kamen die zwölf vertonten Haikus von Walther Prokop im Zyklus „So klar der Abend“ einher. Mit dem Tenor von „Singer Pur“ Manuel Warwitz und der Pianistin Rebekka Höpfner fanden sie ideale Interpreten, denen man lauschte und die siebzehn Silben, aus denen ein Haiku besteht, gebannt verfolgte. Farbige Miniaturen, ganze Welten in aller Kürze präzise ausgearbeitet und auf den Punkt gebracht.
Der Bogen des Abends führte am Schluss zu contact tracing piano mit den bayerischen Jazz-Größen Tizian Jost (Klavier), Johannes Ochsenbauer (Kontrabass) und Michael Keul (Schlagzeug). Deren subtiles Spiel zauberte eine feine Zuversicht und gute Laune, die dem Tiefgang der vorigen Werke und Interpret*innen nichts von ihrer Wirkung nahm. Neben Oscar Pettifords „Tricotism“ und Sidney Millers „Maria Joana“ war Miles Davis Ballade „Blue in Green“ der passendste Abschluss, den man sich wünschen konnte.
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