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Die überhörte musikalische Mitte

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Neuerscheinung: Biografie Klaus Wüsthoff
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„Annäherungen eines Musikgutachters“ heißt das Buch über das Leben des Berliner Komponisten Klaus Wüsthoff, das vor wenigen Wochen im Verlag Ries & Erler, Berlin erschienen ist. Der Autor Max Doehlemann lernte den bekannten Komponisten Klaus Wüsthoff (siehe auch nmz, Ausgabe 5/07 S. 41) durch ein Gutachten für das ZDF kennen; Wüsthoff dürfte wohl jedem Deutschen durch seine Komposition der Titelmelodie für die „heute“- Sendung bekannt sein.

Doehlemann erläutert seine Intention, diese Biografie zu schreiben in seinem Vorwort „Anlass“ wie folgt: „Klaus Wüsthoff, als Klaus Herzfeld 1922 hineingeboren in das weltoffene Amalgam des Bildungsbürgertums und des assimilierten Judentums im Berlin der 1920er-Jahre, erlebte Krieg, Gefangenschaft, Neuanfang, Wirtschaftswunder – eine bewegte künstlerische Lebensgeschichte, die sich vor dem Hintergrund dramatischer Zeitläufte entfaltet. Breitläufig entstehen Streiflichter, etwa darauf, wie sehr der kulturelle Neuanfang der Nachkriegszeit mit den Rundfunkanstalten, besonders auch dem RIAS, verbunden war.

Meine Perspektive ist dabei im Grunde unverändert die eines Musikgutachters; nachdem ich mich eingehend mit dem heute-Jingle beschäftigt habe, weite ich meinen Fokus nun auf den Künstler Klaus Wüsthoff im Allgemeinen aus. Er war tätig als Komponist von leichter wie von ernster Musik, als Dirigent, Pianist, Erfinder und Moderator von Radio- und Fernsehsendungen, war einer der erfolgreichsten Werbe-Komponisten im deutschen Raum im Zeitraum der 60er- bis 80er-Jahre, betätigte sich als Verfasser von Lehrwerken, Gründer von Wettbewerben, als langjähriger Vorsitzender des GEMA-Werkausschusses. 35 Orchesterwerke, sieben Musicals, mehrere Opern, Solistenkonzerte, Chor- und Kammermusik stehen für sein Œuvre. Zahlreiche bekannte Werbemelodien stammen aus Wüsthoffs Ideenschmiede, zum Beispiel Musik für „Persil“, „Nutella“ oder „Lux Filter“. Wir haben es mit einem musikalischen Generalisten zu tun, der gleichermaßen Werbefilm-Melodien wie anspruchsvolle Orchestermusik erfinden konnte.“

Im Mittelpunkt von Doehlemanns Beschreibung dieses ereignisreichen und außergewöhnlichen Lebens steht ein biografischer Essay. Bei den ausführlichen Interviews mit dem Komponisten bemerkte er, dass die Erfahrungen aus Kriegs- und Gefangenschaftsjahren nicht von der Künstlerpersönlichkeit zu trennen sind. „Man kann so weit gehen zu sagen, dass Wüsthoff nur durch Musik überleben konnte und Musik erst durch die Erlebnisse dieser Zeit zum existentiellen Lebensinhalt erwuchs.“

Eine Biografie über den Komponisten Klaus Wüsthoff, der hier nicht nur als Musiker, sondern auch als Zeitzeuge zu Wort kommt.

Der Autor Doehlemann studierte Komposition, Klavier und Orchesterdirigieren. Neben Ernster Musik hat er auch Musik für Theater (Berliner Ensemble) und verschiedene Filme geschrieben und arbeitet als Jazzpianist, als Bandleader sowie als Musikgutachter.

Ein intelligent angelegtes, gut formuliertes und höchst interessantes Buch über eine besondere Persönlichkeit unserer Gesellschaft.

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