Seit über drei Jahren singen und musizieren über 130 Musiker/-innen aus 25 Ländern zusammen. Im großen Orchester, kleineren Ensembles, dem Bridges-Chor sowie in Musik-Sessions werden aus Fremden Freunde, die sich im interkulturellen musikalischen Dialog engagieren.
Die Premiere des neugegründeten Bridges-Kammerorchesters fand in Mainz, im Haus der Kulturen statt. 22 Musikerinnen und Musiker aus 12 Nationen wie Syrien, Iran, Irak, Türkei, Ukraine, Bulgarien, Mongolei, USA, Kolumbien, Griechenland und Deutschland gelang es, ihre Instrumente aus dem Orient und Okzident, Fernost und Lateinamerika und deren klangliche Besonderheiten zu einer Einheit verschmelzen zu lassen.
So konnten die Zuhörer neben den klassischen Orchesterinstrumenten Violine, Viola, Violoncello, Kontrabass, Harfe, Waldhorn, Querflöte und Klarinette auch eine klassische Gitarre, die aus dem vorderen Orient stammende Kurzhalslaute Oud sowie die zwölfsaitige kolumbianische Gitarre Tiple, die iranische Langhalslaute Tar, die bulgarische Längsflöte Kaval, die zweisaitige mongolische Pferdekopfgeige Morin Khuur, die dreisaitige mongolische Laute Shudraga und die orientalische Kastenzither Kanun hören. Entsprechend vielseitig wie das Instrumentarium war auch das Programm: Neben vier Arien aus Henry Purcell’s Oper „Dido und Aeneas“, die von der künstlerischen Leiterin Johanna-Leonore Dahlhoff für das Bridges-Kammerorchester arrangiert wurden, konnten die zahlreichen Zuhörer auch Kompositionen aus den unterschiedlichsten Kulturkreisen – wie arabische und bulgarische Musik – hören.
„Musik ist eine Migrantin“, so beschrieb in ihren Moderationen Dahlhoff die Einflüsse der Musikinstrumente und der dazugehörigen Werke, die u.a. über die Seidenstraße vom Orient zum Okzident sowie in umgekehrter Richtung migrierten und auf ihrem Weg die Kompositionen und Stile der angrenzenden Länder beeinflussten.
Das erste Werk „Mandera“, dessen Komponist unbekannt ist, kann nicht einwandfrei der traditionellen türkischen Musik bzw. der traditionell griechischen Musik zugeordnet werden. Laut Programmheft sei es traditionell Ottomanisch/Griechisch. Hierin fasziniert uns europäische Hörer der eindringliche Rhythmus im 7/8 Takt, welcher in östlichen Ländern ganz traditionell ist. Nach einem langen Flötensolo ist zum ersten Mal die kretische Kanun zu hören. Von einem zum nächsten Ton hat die Kanun zwölf Mikrotöne, die auf das Phythagoräische Monochord zurückzuführen sind. Eleanna Pitsikaki kam vor drei Jahren aus Kreta und begann unmittelbar mit dem Studium der Weltmusik an der Popakademie Baden-Württemberg, um ihre künstlerischen Fähigkeiten auf der Kanun zu vervollkommnen.
Die Komposition „Termeh“ von dem iranischen Komponisten, Tontechniker und Tar-Spieler Pejman Jamilpanah beeindruckte durch die Vierteltonskala Afshari, die für europäische wohltemperiert hörende Ohren sehr ungewohnt war. Durch den Beginn mit dem orgeltonartigen Celloton und der darüber ornamental verziert spielenden Tar wurde der Einstieg in das Klangerlebnis erleichtert. Jamilpanah komponierte für das neugegründete Bridges-Kammerorchester das Werk „Silk Road“; markante Rhythmen in den Celli und dem Kontrabass bereiteten den Boden für die kraftvolle Chargah-Skala und die darin verwobenen Vierteltöne.
Zwischen den Weltmusiken erklangen Purcells Arienbearbeitungen ebenso farbenfroh, da Johanna-Leonore Dahlhoff in ihren Arrangemets Wert darauf legte, die europäische Klangfarbe der orientalischen Klangfarbe sowie den Bläsern gegenüberzustellen und an Tutti-Stellen farbenfroh verschmelzen zu lassen. In der historischen Aufführungspraxis werden die vielfältigen improvisierten Verzierungen der Barockmusik gelehrt. Diese gehen einher mit den ornamentalen Verzierungen und Umspielungen der orientalischen Musiktradition. Ein einmaliges Erlebnis, das in der Arie „To The Hills And The Vales“ durch die Rezitation der Vergil’schen Hexameter, die von Nahum Tate als Libretto bearbeitet wurden und von dem Percussionisten Youssef Laktina zu einem stimmigen Gesamtbild zusammengefügt wurden. Die mongolische Pferdekopfgeige Morin Khuur war mit ihrem spährischen Klang ebenso wie die kolumbianische Gitarre Tiple stellenweise solistisch zu hören.
Die Dirigentin des Premierenkonzerts, Eva Pons, beschrieb die Brücke, die durch dieses Projekt gebaut wird: nämlich danach zu schauen was die Musik und die Instrumente verbindet und nicht nach dem, was sie trennt. Die Mitglieder von Bridges – Musik verbindet, eint die Lust am gemeinsamen Musizieren, am Verschmelzen ihrer kulturellen Diversität zu einer wohlklingenden Einheit, die Integration neu definiert und tiefe Freundschaften hervorbringt. Diese Vielfalt im Glauben, in der Kultur und der Musik schlug sich in den gemischten Orient-OkzidentKlangfarben in der Zugabe nieder. Georg Friedrich Händel, der von Halle aus 1710 nach London immigrierte und dort die Feuerwerksmusik für den englischen König Georg I. komponierte, deren vierter Satz zum Abschluss erklang.
Nur wenige Tage nach der Premiere des Bridges-Kammerorchesters wurde „BRIDGES – Musik verbindet“ einen der höchstdotierten Förderpreise im Bereich Kunst und Kultur verliehen. „The power of the Arts“, Initiative für eine offene Gesellschaft, wurde von der Philip Morris GmbH ins Leben gerufen. Die Jury wählte aus über 100 gemeinnützigen Initiativen vier Projekte aus, die jeweils 50.000 Euro Preisgeld erhielten.
Die Jury urteilte: „Das Bridges-Kammerorchester als „demokratisches Orchester“ mit herausragenden Musikerinnen und Musikern, wirkt nahezu wie ein Symbolbild dafür, wie gesellschaftliches Zusammenleben auch möglich wäre, und bringt damit großes Potential als Vorbildfunktion: Aus Unterschiedlichkeiten entsteht im Orchester ein gemeinsamer Klang, ein gemeinsames Erleben der Schönheit von Musik.
Das wünschte man sich für eine gelingende Gesellschaft.“