Unter dem Titel „Vergangenheit und Vergänglichkeit“ hatte der Tonkünstler München e. V. am 15. April 2024 zu einem Klavierabend mit Andreas Skouras in den Rubinstein-Saal eingeladen. Neben zwei Uraufführungen von Enjott Schneider und Peter Wittrich spielte der deutsch-griechische Pianist selten aufgeführte Werke von in Bayern wirkenden Komponisten. Trotz freien Eintritts war der recht kleine Saal nur spärlich besucht; immerhin waren die drei noch lebenden Tonsetzer persönlich zugegen.
Exquisites Klavierprogramm
Joseph Haas (1879–1960), aus Nördlingen stammend und noch Schüler Max Regers, entscheidend verantwortlich für den Wiederaufbau der Münchner Musikhochschule nach dem Zweiten Weltkrieg und ein bedeutender Pädagoge, blieb – obwohl 1921 Mitbegründer der Donaueschinger Musiktage – zeitlebens Spätromantiker. In zwei der Elegien op. 42 „Alte, unnennbare Tage“ von 1915, vom Klaviersatz her mehr Reger als Brahms späten Intermezzi verpflichtet, aber im Vergleich zu letzteren arg lang geraten, gelang Skouras perfekte Pedalisierung mit einer vielleicht zu direkten, klaren Betonung der Melodik. Beim vierten Stück erschien manches ein wenig buchstabiert.
Der schon lange in München tätige Minas Borboudakis (*1974) zeigte bereits 1995 seine außergewöhnliche Begabung. „1945. Nachklänge der Vergangenheit“ beschreibt aus der Sicht seiner Generation in acht Minuten die Geschehnisse quasi aus zweiter Hand. Riesige Dynamik, perfekte Nutzung von Resonanzen, helle Cluster, auch immer tonale Floskeln, ein kämpferischer Mittelteil und ein elegischer Schluss – all dies wusste Skouras höchst kultiviert umzusetzen: klar der Höhepunkt des Abends.
Enjott Schneider (*1950), weithin gerühmt als Filmkomponist, bewies mit dem eindringlichen „Circle of Life. Toccata and Adagio“ – die Reihenfolge ist freilich umgekehrt –, dass er ebenso punktgenau fürs Klavier schreiben kann. Das meditative Adagio begann mit nur drei Tönen; später kamen Zitate hinzu (Strauss’ „Till“, Beethovens „Les Adieux“). Die Toccata erwies sich als kraftvoll perkussive, unterhaltsame Virtuosennummer, an der der Pianist seine stupende Technik demonstrieren konnte.
Peter Wittrichs (*1959) „In Resonanz mit Schubert“, ursprünglich für den 2011 so plötzlich verstorbenen Franz Massinger begonnen, durfte in der 2023er-Fassung nun von dessen Schüler Skouras uraufgeführt werden. Fünf ganz eigenständige, enorm vielschichtige „Moments musicaux“, die nur sporadisch Schubert-Allusionen („Winterreise“…) verwenden und intellektuell wie atmosphärisch tief beeindruckend wirkten. Hier durfte Skouras auch mal in den Saiten aktiv werden.
Die imposante Klaviersonate des aus München stammenden Paul Ben-Haim (1897–1984), der 1933 nach Tel Aviv emigrierte, sowie die virtuose dritte Sonate (1939) von Wolfgang Jacobi (1894–1972), ebenfalls mit großen Verdiensten ums Münchner Musikleben, waren unter Skouras’ Händen eher verpasste Chancen. Gerade Ben-Haims Stück von 1954 zeigt den klaren Wandel seiner Musik, stark beeinflusst durch die Sängerin Bracha Zefira. Die orientalische Melodik der Preamble blieb unklar, die Fuge zu neutral, der Anschlag oft grob. Bei Jacobis Sonate fehlte bei leicht verhetzten Tempi der Mut zum echten Neo-Klassizismus und eine differenziertere Gestaltung im Detail.
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