Geht man davon aus, dass die frei(beruflich)en Kolleg*innen (Soloselbstständigen) eine tragende Säule der außerschulischen Bildung sind (auch Einschätzung des MiZ) und damit einen wesentlichen Beitrag zur musikalischen Bildung und vorberuflichen Ausbildung leisten, so stellt sich die Frage, wie sie im außerschulischen Bildungsangebot der Schulen durch Kooperationen organisatorisch verankert sind. Die Frage hat zudem einen aktuellen politischen Bezug. Zurzeit werden in vielen Landesregierungen neue Konzepte zur kulturellen Bildung erarbeitet. Zu klären ist also, wie die selbstständig unterrichtenden Lehrkräfte in die Konzepte zur Gewährleistung von musikalischer Bildung integriert werden und welche Fördermöglichkeiten dafür vorgesehen sind.
Eine durch den DTKV-Bundesfachausschuss „Existenzgrundlagen in Musikberufen“ in Auftrag gegebene Umfrage sollte einen Überblick über bereits praktizierte Kooperationsformen liefern, um tragfähige Kooperationsmodelle zu entwickeln, die fest in den Bildungskonzepten verankert werden könnten.
Die Umfrage erfolgte online über „easy feedback“ (Zeitraum 31.03. bis 23.06.2022). Es wurde ein Katalog gebundener Fragen (Antwortgaben) mit offener Ergänzung (Textantworten) verwendet (bei Mehrfachnennung mehr Antworten als Teilnehmer, Summierung über 100%). Es gab 820 Besucher, 228 Teilnehmer*innen (davon 94% Mitglied im DTKV, größte Beteiligung in BW).
Die Ergebnisse liegen nun vor, wurden auf der Bundesdelegiertenversammlung am 5. November 2022 in Bremen vorgestellt und sollen hier nun noch einmal zu den wichtigsten Punkten zusammengefasst werden.
Kooperationspartner
Kooperationspartner waren Grundschulen (63%), weiterführende Schulen (43%) und sonstige Einrichtungen (41%). Viele Kolleg*innen hatten mehrere Kooperationspartner. Die Kooperationen fanden im Ganztag (38%) oder im Rahmen der Regelschulzeit statt (39%). Die meisten Angebote im Ganztag waren Instrumentalunterricht (auch in Kleingruppen) (29%), gefolgt von Gesangsangeboten wie Stimmbildung und Chor und Angeboten wie Streicher -und Bläserklassen (um 10%).
Die Initiative zur Kooperation ging entweder von den Kolleg*innen selbst (37%) aus oder lief über Empfehlungen (35%). Andere kamen über eine Institution wie Musikschule (meist als Honorarkraft) oder Verein in die Schule (25%).
Vertragliche Regelung
Die vertragliche Regelung der Kooperation erfolgte direkt mit der Schule (44%), individuell mit dem*r Schüler*in (37%), über die Kommune (12%), eine Musikschule (29%) oder einen Förderverein (19%). Bei individueller Vertragsregelung stellte die Schule offenbar nur die Räumlichkeiten. Die meisten Kolleg*innen (83%) handelten ihren Vertrag selbst aus, konnten sich dabei aber nicht auf einen Mustervertrag oder auf sonstige Rahmenvereinbarungen beziehen. Nur wenige Kooperationen erfolgten im Rahmen der offiziellen Programme und Projekte (Kommune 14%, Land 12%, Bund 4%). Auch formale musikpädagogische oder künstlerische Abschlüsse oder Fortbildungen waren meist keine zwingende Voraussetzung für die Kooperation.
Schadensfall
Die Absicherung im Schadensfall erfolgte über den Schulträger (47%), eine Musikschule (22%), die Berufshaftpflichtversicherung (43%) oder die private Haftpflicht (26%). Manche Kooperationen waren nicht versichert (11%).
Honorare
Die meisten Honorare der Kolleg*innen (Unterrichtsstunde 45 Minuten) lagen unter 25 Euro (33%) oder im Bereich 25 bis 39 Euro (37%); deutlich weniger Kolleg*innen erzielten 40 bis 49 Euro (20%) oder mehr als 50 Euro (10%). Maßstab für die Vergütung der außerschulischen musikalischen Bildungsangebote im Ganztag waren offenbar die niedrigen Vergütungssätze im Nachmittagsbereich (nach der Regelschulzeit).
Die (offenen) Textantworten geben Aufschluss über die individuellen Erfahrungen und Probleme in der Kooperation, geben aber auch Auskunft über gelungene Kooperationen. Es folgt eine Auflistung typischer Antworten zu besonders kritischen Punkten.
Organisation
• Kein eigener Schlüssel (im Sekretariat oder sonst irgendwo nachfragen/suchen)
• Musikschullehrer*in bei Raum- und Stundenplanung vergessen; Raumknappheit
• Kleines Zeitfenster für Unterricht (14–17/16–19 Uhr); zu anderen Zeiten kein Zugang zur Schule (Abend, Wochenende, Ferien)
• Unterrichtsausfall bei Schulveranstaltungen (keine vorherige Mitteilung, keine Vergütung)
• Unverhältnismäßig hoher Aufwand (Planung, Anfahrt)
• Schulen mit eigener Verwaltung ausgelastet, schlecht ansprechbar
Wertschätzung/Bezahlung
• Fehlende Anerkennung als gleichwertige*r Pädagog*in (im Vergleich zu den an der Schule angestellten Lehrkräften)
• Geringe Anerkennung der Eltern von Projekten im offenen Ganztag, nicht als Teil des Schulprogramms empfunden
• Eltern schicken Schüler zum billigsten Angebot
Woran ist gewünschte Kooperation gescheitert?
• Öffentliche Grundschulen öffnen sich nicht Privatlehrkräften
• Schule kooperiert mit der städtischen Musikschule, daher war die Kooperation mit privaten Musikpädagog*innen unerwünscht.
• Zu viele beteiligte Institutionen mit zu wenig Kapazitäten zur Koordination, kein Konzept, kein Interesse auf allen Hierarchieebenen.
Soweit die wichtigsten Ergebnisse der Umfrage. Welche Schlüsse lassen sich daraus ziehen? Die Schule, so lässt sich thesenhaft zuspitzen, ist nach wie vor ein geschlossenes System, das, so sehr es auch gewünscht sein mag, wenig Raum für Anbieter von außen lässt. Das liegt sicher auch daran, dass Kapazitäten und Ausstattung extrem begrenzt sind (Raummangel, Lehrermangel, überfüllte Klassen, überlastete Hausmeister, keine Koordinatoren). Umso wichtiger ist es, diese Engpässe zu überwinden und die notwendigen Bedingungen dafür zu schaffen, die Schule als öffentlichen Raum für Bildungszwecke außerhalb der Regelschule zu öffnen.
Die Zusammenarbeit von freischaffenden Musikpädagog*innen und öffentlichen Schulen muss auf eine rechtlich sichere Basis gestellt werden. Eine Kooperation sollte nur mit qualifizierten Kräften erfolgen. Kooperationen müssen auch für musikalischen Einzelunterricht in öffentlichen Schulgebäuden geöffnet werden. Den Lehrkräften sollten hierdurch keine Kosten für die Raumnutzung entstehen. Auch die Haftungsfrage muss besser geregelt sein.
Schließlich bedarf die Honorarfrage dringend verbindlicher Regelungen. Es muss von allen Seiten anerkannte Honoraruntergrenzen geben. Zudem gilt es, dass nicht nur die geleisteten Stunden abgerechnet, sondern auch Anfahrt und Vorbereitung honoriert werden. Die Teilung des Schulalltags in Regelschulzeit (schulisch) und Ganztag (außerschulisch) führt auf Seiten der Lehrkräfte zu einer Teilung in zwei Klassen. Während die hauptamtlichen Lehrer*innen eine ihrer Leistung angemessene Vergütung bekommen, müssen sich die selbständigen Anbieter*innen mit deutlich niedrigeren Vergütungssätzen begnügen. Die Schule als öffentlicher Raum sollte kein Ort für eine solche Zweiklassengesellschaft sein.