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Gemeinsam für gute musikalische Bildung

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Warum ein Schulterschluss sinnvoll ist
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Mitte Juli sahen sich der Verband Bayerischer Sing- und Musikschulen (VBSM) und der Tonkünstlerverband Bayern e.V. (TKVB) veranlasst, eine gemeinsame Stellungnahme zur zweiten Säule der außerschulischen Musikschulförderung herauszugeben. Adressaten waren die Bundesverbände DTKV und VdM, deren bayerische Landesverbände, die bayerischen Musikhochschulen und das Bayerische Staatsministerium für Wissenschaft und Kunst. In dem Schreiben wurde auch das so genannte bayerische Modell vorgestellt, dem die Kooperation verschiedener musikpädagogisch ausgerichteter Verbände zugrunde liegt.

Der Erklärung vorausgegangen war eine – unter anderem in der neuen musikzeitung ausgetragene – Diskussion um die Förderung freier Musikschulen und freier Musipädagog/-innen durch Länder und Kommunen. Eine Musikpädagogin aus Thüringen hatte sich in einem offenen Brief gegen die Einstufung freiberuflicher musikpädagogischer Fachkräfte als vorwiegend marktorientierte Anbieter gewehrt. Sie verlangte eine vergleichbare Förderung qualifizierter Musikpädagogen durch die öffentliche Hand, wie sie kommunale Musikschulen erhalten, die Angestellte beschäftigen (nmz 5/2019) und in der Regel unter dem Dach des Verbands deutscher Musikschulen (VdM) betrieben werden.

Die Stellungnahme wurde von den DTKV-Landesverbänden Niedersachsen und Sachsen befürwortet und schließlich vom Tonkünstlerverband Baden-Württemberg e.V. aufgegriffen und weitergeführt, worauf sich in den nmz-Ausgaben der Monate Juni und Juli/ August eine kontroverse Debatte entspann: Der Verband deutscher Musikschulen e.V. (VdM) lehnte die aufgestellten Forderungen und Vorschläge unter Hinweis auf die mangelnde Vergleichbarkeit des Unterrichts in freien und kommunal geförderten (VdM-)Musikschulen ab; der DTKV-Landesverband Nordrhein-Westfalen konterte daraufhin mit einer eigenen Analyse musikpädagogischer Beschäftigungsverhältnisse und drang darauf, das teilweise deutlich schlechtere Einkommen von freien Lehrkräften und Honorarlehrkräften an Musikschulen und die daraus resultierende Unzufriedenheit als gemeinsames Problem zu behandeln. Zu einer Kooperation musikpädagogischer Bildungseinrichtungen rät auch Ekkehard Hessenbruch (s. Kolumne in der nmz 7-8/2019), Vizepräsident des Deutschen Tonkünstlerverbandes e.V., bildungspolitischer Referent im Vorstand des Tonkünstlerverbandes Baden-Württemberg e.V. sowie Gründer und Leiter der Freien Musikschule Engelberg. Im Gespräch formuliert er seine Vorstellung einer außerschulischen Musikschulförderung.

Sparzwänge bestimmen die Diskussion

neue musikzeitung: Herr Hessenbruch, weshalb hat die Auseinandersetzung zwischen kommunalen und freien Anbietern von Musikunterricht so hohe Wellen geschlagen?

Ekkehard Hessenbruch: Ich fand die Reaktion des VdM in der neuen musikzeitung (nmz 6/2019, Anm. d. Red.) überraschend gereizt. Der darin angeschlagene Ton hat weitere Entgegnungen aus unseren Landesverbänden geradezu herausgefordert. Der Artikel auf der Seite des Tonkünstlerverbandes Baden-Württemberg war vor allem als Signal an die freien Musikschulen – wie ich selbst eine betreibe – und an freiberufliche Musikerinnen und Musiker gedacht, von denen ja auch viele in VdM- und bdfm-Musikschulen unterrichten. DTKV und VdM sprechen schon seit Langem über die Themen Einkommen, das gemeinsame Einstehen für mehr Festanstellungen bzw. auskömmliche Beschäftigungsverhältnisse und das Einwerben zusätzlicher Fördermitteln im Schulterschluss. Leider sind wir da noch nicht sehr weit gekommen. Denn noch werden öffentliche Sparzwänge auf dem Rücken derer ausgetragen, die entweder selbständig oder als Honorarlehrkräfte an Musikschulen das vollständige Gelingen musikalischer Bildung in der Fläche überhaupt erst möglich machen. Ich vermute deshalb, dass der Artikel aus Baden-Württemberg da einen wunden Punkt getroffen hat.

nmz: Halten Sie den Vorwurf, der VdM betreibe Besitzstandswahrung, für gerechtfertigt?

Hessenbruch: Es klingt für mich eher nach Besorgnis um den Stellenwert der eigenen Musikschulen. Dabei haben wir immer klargestellt, dass es fatal wäre, bewährte Strukturen zu gefährden. Bei unserer Forderung nach Gleichbehandlung haben wir an eine Orientierung am bayerischen Modell gedacht. Nach dem Motto: „Gemeinsam für mehr Mittel einstehen“ befürworte ich weiterhin den Schulterschluss. Das muss Abgrenzungen bei unterschiedlichen Standpunkten aber keineswegs ausschließen.

Die verstärkte Förderung einer gemeinsam betriebenen und nach außen vertretenen musikalischen Bildung durch öffentliche Mittel würde die sozialversicherungspflichtige Beschäftigung stärken, und auch die Honorarkräfte an Musikschulen könnten vor dem Hintergrund gemeinsamer Verträge davon profitieren.

Den Landesverbänden im DTKV würde eine Anlehnung an das in Bayern praktizierte Modell, das ein gemeinsames Qualitätszertifikat und eine nach Absprache organisierte Weiterleitung von projektbezogenen Fördermitteln an freie Musikschulen und freie Musikpädagog/-innen vorsieht, finanziellen und organisatorischen Spielraum verleihen. Wir haben an anderer Stelle ja auch schon erfolgreich kooperiert: Der gemeinsam ausgehandelte Mustervertrag für freiberufliche Musikpädagoginnen und -pädagogen dient als Empfehlung für Städte und städtische Musikschulen. Allerdings kommt er nicht immer zur Anwendung, weil eben kommunale Träger die Arbeitgeber sind und nicht die Verbände.

Das Säulendenken ist überholt

nmz: Es war in den Diskussionen immer wieder von den verschiedenen Säulen in der außerschulischen musikalischen Bildung die Rede: öffentliche und freie Musikschulen, einzelne Pädagogen, Musikvereine. Wie sind sie zu berücksichtigen?

Hessenbruch: Ursprünglich haben wir den Begriff der zweiten Säule geprägt, um uns im politischen Diskurs von den kommunalen Musikschulen mit ihren festangestellten Kräften zu unterscheiden: hier Angestellte, da Freiberufliche und Honorarkräfte. Das war wichtig, weil vor allen Dingen auf dem Land die freien Musikschulen und Pädagog/-innen zur Grundlage der außerschulischen musikalischen Bildung gehören. Ohne sie wäre eine flächendeckende Versorgung nicht denkbar. Heute sollten wir von diesem Säulendenken abkommen, schon allein weil freie Musikpädagoginnen und -pädagogen oder freie Musikschulen und ehrenamtlich geleitete und betriebene Orchester und Musikvereine – die einen wichtigen Beitrag zum Musikleben leisten! – in ihrem musikpädagogischen Programm nicht vergleichbar sind. DTKV-Mitglieder haben Musik studiert. Sie gehören wie die Lehrkräfte des VdM zu den professionellen Anbietern musikalischer Bildung. Ein weiterer Grund ist die zunehmende Durchdringung angestellter und freiberuflicher Beschäftigungsverhältnisse durch Teildeputate und Honorarverträge an öffentlichen Musikschulen.
Viele der Honorarkräfte fühlen sich durch kommunale Musikschulen, an denen sie arbeiten, nicht vertreten, sondern suchen Unterstützung beim DTKV. Es gibt Regionen, in denen nur 20 Prozent Angestellte in einer Musikschule arbeiten, die anderen sind Honorarkräfte. Das ist zum Glück weder in Bayern noch in Baden-Württemberg der Fall, aber das Phänomen wird sich aufgrund der Sparziele, denen auch kommunale Musikschulen unterworfen sind, ausweiten, weil Honorarkräfte einfach billiger sind.
In seinem Stuttgarter Appell führt der VdM 2017 eindrucksvoll vor Augen, wie „nachhaltige, auf Vertrauen, Verlässlichkeit und auf längere Zeiträume angelegte Bildungsprozesse“ vom Anteil der festangestellten Lehrkräfte abhängig sind und die Qualität musikalischer Bildung nur durch kontinuierliche Erhöhung dieses Anteils gesichert werden kann. Das käme auch einem großen Teil unserer Mitglieder zugute, die sich bisher in teilweise prekären Beschäftigungsverhältnissen befinden. Aber man muss es eben anpacken.

Der Unterschied liegt in der Qualität

nmz: Gibt es auch inhaltliche Hindernisse für einen Zusammenschluss der unterschiedlichen Träger musikalischer Bildung?

Hessenbruch: Ja, und zwar im qualitativen Anspruch. Der Bundesverband der freien Musikschulen (bdfm) etwa bemüht sich schon seit Jahren um eine Anerkennung als gleichberechtigter Partner musikalischer Bildung, aber da würde ich doch differenzieren. Der bdfm ist aus dem bdpm entstanden, dem Bund deutscher Privatmusikschulen. Meine Freie Musikschule – wie andere auch – hat diesem Verband nie angehört. Unser Ursprung war vor über 30 Jahren die Suche nach einer freien Zusammenarbeit, in der gemeinsames Konzertieren und Unterrichten eine Synthese bilden, die Jugendliche noch unmittelbarer in den künstlerischen Prozess mit einbezieht. Daraus ergibt sich ein völlig anderer Qualitätsanspruch.

Nicht alle Musikschulen des heutigen bdfm erfüllen die qualitativen Ansprüche an die musikpädagogische Arbeit, wie sie der VdM und der DTKV vertreten. Hier wäre ein flächendeckender Nachweis notwendig, etwa wenn es um die Eignung geht, Schülerinnen und Schüler auf das Musik­abitur, Wettbewerbe wie „Jugend musiziert“ oder ein Musikstudium vorzubereiten. Ich persönlich fühle mich deshalb im pädagogischen Förderkreis des TKV Baden-Württemberg heimisch.

Hinzu kommt, dass der Ruf des bdfm ursprünglich von Mitgliedern des ehemaligen bdpm geprägt wurde, die Musikschulen betreiben, um Instrumente verkaufen und Gewinne erzielen zu können. Der eigentliche Unterricht in solchen Schulen findet oft auf einem vergleichsweise niedrigen Niveau statt, gerne auch in größeren Gruppen. Solche vorrangig kommerziellen Geschäftsmodelle sind für Verbände wie den VdM oder den DTKV ein rotes Tuch. Aber der heutige bdfm weiß um das Problem und hat längst den Weg hin zu einer Qualitätssicherung eingeschlagen.

Der DTKV als Vermittler

nmz: Welche Rolle soll der DTKV in der gegenwärtigen Diskussion spielen?

Hessenbruch: Meiner Auffassung nach muss der DTKV als Verband der Musikerinnen und Musiker, durch die musikalische Bildung erst möglich wird, zwischen diesen beiden „Arbeitgeber“-Verbänden als Vermittler und Moderator auftreten. Es gab in der Vergangenheit ja auch schon entsprechende Gespräche auf Einladung des DTKV mit VdM und bdfm, etwa im November 2017 in Kloster Banz, als es um das Thema der Zertifizierung von Musiklehrkräften ging. Unsere Mitglieder sind häufig auch Mitarbeiter an bdfm-Schulen, viele unterrichten an VdM-Musikschulen oder freiberuflich oder eben beides – die typische Patchwork-Karriere. Wir vertreten ein großes Spektrum an Berufsbildern, stehen aber immer für Professionalität.

nmz: Was hätten die Freiberuflichen, die Angestellten und die Patchworker beziehungsweise deren Verbände von einem Qualitäts- und Fördersystem à la Bayern?

Hessenbruch: Der VdM und der DTKV könnten sich auch in anderen Bundesländern mit einem gemeinsamen verbindlichen Qualitätszertifikat als seriöse Anbieter profilieren und sich so gegenüber anderen Anbietern absetzen, die eher wirtschaftlich orientierte Allianzen mit Firmen wie zum Beispiel Yamaha eingehen.
Wer kein Zertifikat vorweisen kann, ist vom gemeinsamen Bündnis und den damit verknüpften Möglichkeiten der Förderung ausgeschlossen. Wer das Zertifikat hat und in einer VdM-Schule angestellt ist, hat Zugang zur vollen Förderung. In Bayern werden die Mittel, die an freiberufliche Musikerinnen und Musiker mit Zertifikat gehen, vom DTKV verwaltet und ausgereicht. Daran könnte man sich auch in anderen Bundesländern orientieren.
Von einem solchen Zertifikat und einem zusätzlichen gemeinsamen Fördermitteltopf verspreche ich mir zweierlei: Erstens die Anerkennung der hervorragenden Arbeit qualifizierter freiberuflicher Kräfte und damit eine Befriedung unter den Verbänden; zweitens eine Abgrenzung gegenüber Anbietern von Musikunterricht, die die mit dem Zertifikat verbundenen Anforderungen nicht erfüllen. So ist auch gewährleistet, dass die öffentliche Förderung bei entsprechend qualifizierten Empfängern ankommt. Ich bin mir sicher: Wäre man in den zwölf Jahren, die seit den ersten diesbezüglichen Gesprächen mit dem VdM vergangen sind, auch in anderen Bundesländern als Bayern in diese Richtung gegangen, würde sich das nun schwelende Problem nicht ganz so brisant darstellen.

Interview: Ines Stricker

 

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