„Wir machen Musik“ und „Musik, Musik, Musik“ – zwischen diese beiden Titel hatten die Sänger Silke und Manuel Warwitz, sowie die Pianistin Rebekka Höpfner ein Programm gepackt, das mit erregender und auch vergnüglicher Verve das Publikum zu begeisterten Ovationen hinriss. Apropos Publikum: Dieses stürmte den Hans-Fischer-Saal in Scharen, sodass in aller Eile jede Menge zusätzlicher Stühle herangekarrt werden mussten. Der veranstaltende Tonkünstlerverband hat mit dieser Matinée, der ersten dieser Saison, wohl ins Schwarze getroffen. Nach langem erzwungenem Dornröschenschlaf scheint dieses beliebte Format erneut auf festen Füßen zu stehen!
Die Freude, wieder auftreten zu können, blitzte den Akteuren aus den Augen. Mit sichtlicher Lust stürzten sie sich musikalisch in die Goldenen Zwanzigerjahre, die dann in die weniger gloriosen braunen Dreißiger mündeten. Und wenn Textdichter wie Bert Brecht, Kurt Tucholsky oder Erich Kästner am Werk sind, darf man auch mit einer guten Portion galliger Satire rechnen. „Das Lied von den braunen Inseln“ (Lion Feuchtwanger) erzählte von brutaler Ausbeutung ebenso wie das Chanson, in dem ein geschundenes Pferd sein Leid klagt („O Fallada, da du hangest“).
Persönlicher wird das Leid in „Der Abschiedsbrief“ (Kurt Weill und Bert Brecht). Zwar sind Herz/Schmerz mit Berliner Schnauze übertüncht, aber an der Zwiespältigkeit der Gefühle ließ die Sopranistin Silke Warwitz durch die Nuancen ihrer Stimme und die differenzierte Mimik keinen Zweifel aufkommen.
Es fehlten auch nicht die Top-Evergreens wie „Seeräuber Jenny“, „Alabama Song“ und „Die Moritat von Mackie Messer“. Da waren nicht nur Kurt Weill und Bertolt Brecht zur Hochform aufgelaufen, sondern auch der Tenor Manuel Warwitz. Dieser konnte sowohl dem belämmerten Loser („Ich steh im Regen“), dem siegesgewissen Lover („Ich steh mit Ruth gut!“) Stimme geben, als auch dem eiskalten Ganoven Macheath: Diese Glanznummer („Und der Haifisch der hat Zähne...“) gestaltete der facettenreiche Sänger lässig auf den Stuhl gefläzt mit Schläger-Käppi und Pokerface, und vor allem mit einer scharf konturierten Diktion, welche an der Gefährlichkeit dieses Gangsters keinen Zweifel lässt...
Die Zeiten ändern sich, aber diese frechen Lieder und Chansons behalten ihren Kurswert und bleiben (leider?) immer aktuell. Komponisten wie Peter Igelhoff, Kurt Weill, Peter Kreuder oder Friedrich Hollaender („Ich bin von Kopf bis Fuß auf Liebe eingestellt“) sind in ihrem Genre wahre Klassiker. Musik (und auch die Texte) rutschen nie ins Sentimentale ab: Der Illusion vom puren Glück folgt die Demaskierung auf den Fuß!
Ein Orchester stand natürlich nicht zur Verfügung, doch die Pianistin Rebekka Höpfner wusste ihrem Instrument nicht nur orchestrale Fülle zu entlocken, sondern auch fein ziselierte und pointierte Töne; sie blieb den beiden Sängern hautnah auf den Fersen und hatte nonstop alle Hände voll zu tun – Bravo!
„Kann denn Liebe Sünde sein“ raunte Silke Warwitz als gewitzte Diseuse. Nach dieser Matinée hatte jedenfalls niemand ein schlechtes Gewissen. Die jubelnde Zustimmung bewies, dass auch Jammer und Frust und die „Unzulänglichkeit“ (Brecht) in Kunst gewandelt, witzig und vergnüglich sein können. Der Faschingssonntag lässt die Bewertung zu: ein Knaller!
Walther Prokop, der Autor des Artikels, und die Pianistin Rebekka Höpfner sind beide im Vorstand des Tonkünstlerverbands Südostbayern e. V.