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Harmonisches Miteinander-Fließen

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Portrait zum 20-jährigen Bestehen des Trio Vivente
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20 Jahre als Klaviertrio zu musizieren, wirkt heutzutage –wo vieles als Projekt deklariert wird, um den Eindruck des Routinierten zu vermeiden – fast schon unzeitgemäß. Kammermusik erfordert aber gewachsene Ebenen des musikalischen Verstehens.

20 Jahre als Klaviertrio zu musizieren, wirkt heutzutage –wo vieles als Projekt deklariert wird, um den Eindruck des Routinierten zu vermeiden – fast schon unzeitgemäß. Kammermusik erfordert aber gewachsene Ebenen des musikalischen Verstehens.
Seit ihrer Jugendzeit kennen sich die drei Musikerinnen, doch erst nach einer Probe „just for fun“ im Herbst 1992 beschlossen Anne Katharina Schreiber (Violine), Kristin von der Goltz (Cello) und Jutta Ernst (Klavier), ernsthaft als Klaviertrio zu arbeiten. Ein erstes Konzert folgte 1993. „Schon bei diesem ersten Auftreten hatten alle Seiten den Eindruck, wir wären füreinander gemacht“, berichtet Jutta Ernst. „Wir haben von Anfang an eine gemeinsame Sprache gehabt beim Spielen, uns vertraut und zu Hause gefühlt.“ Drei Jahre später erspielte sich das Trio Vivente beim 1. Internationalen Joseph-Joachim-Kammermusikwettbewerb den zweiten Preis und einen Sonderpreis für die beste Interpretation einer zeitgenössischen Komposition. Inzwischen liegen auch vier CDs mit Werken von Haydn, Schubert und Mendelssohn vor. Da alle drei Musikerinnen noch weitere Verpflichtungen haben, Schreiber ist unter anderem Mitglied des Freiburger Barockorches-ters, von der Goltz unter anderem Mitglied der Berliner Barock Solisten, alle drei lehren an verschiedenen Musikhochschulen, leben in verschiedenen Städten, muss sich die Anzahl der Konzerte auf ein exklusives Maß beschränken. Bei solchen Rahmenbedingungen kann man ein Ensemble nur dann so lange halten, wenn es für alle Beteiligten eine Sache des Herzens ist.
Die Auswahl der Stücke folgt zum einen den Linien der Gattung, von Haydn durch das 19. Jahrhundert bis zur Moderne, erkundet aber auch Seitenpfade, wie die Trios von Woldemar Bargiel, Fanny Hensel oder Mieczyslaw Weinberg. Zum anderen aber der künstlerischen Intuition, welche Werke im Konzert sich am besten gegenseitig beleuchten. Die beiden Streicherinnen bringen aus ihrem Umfeld eine historisch fundierte Herangehensweise ein, die dann in der Probenarbeit um die kommunikative, emotionale Seite ergänzt wird. „Wir haben deshalb viele Diskussionen, sehr viele …“, erklärt Ernst. Im Lauf von 20 Jahren haben sich aber auch Haltungen geändert. „Zum Beispiel die Art, mit der Zeit umzugehen. Wir sind freier, was vor allem mit der persönlichen Reife zu tun haben mag.“ Dabei kann es auch vorkommen, dass in der Probe getroffene Absprachen sich im Konzert spontan völlig neu gestalten. „Aber es ist für mich ein Geschenk, auf der Bühne zu wissen: Wir machen alles miteinander.“ Die Veränderungen in der Musikszene sieht Ernst mit gemischten Gefühlen: „Es gibt anders als früher für junge Künstler viele Fördermöglichkeiten, gleichzeitig stehen sie dem Markt gegenüber unter hohem Druck zu funktionieren, viele verschiedene Programme anzubieten, und eines soll sensationeller als das andere sein.“ Den Veranstaltern scheine manchmal der Mut zu fehlen, jemanden zu engagieren, der nicht ohnehin schon überall spielt. Bei einem immer älter und kleiner werdenden Publikum schwierige Perspektiven für die Gattung Kammermusik.

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