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Portrait eines lächelnden Herrn mit silbirg-grauen, kurzen Haaren und Brille in einem dunklen Anzug mit Krawatte

Alexander Krause, 1. Vorsitzender des DTKV Bayern.

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Herrenberg und die Folgen

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Kolumne des DTKV Bayern 24/7&8
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Bisher kannten die meisten von uns das idyllische Städtchen Herrenberg in Baden-Württemberg vor allem durch seine historische Stiftskirche, durch den großartigen Herrenberger Altar von Jerg Ratgeb aus dem Jahre 1521 (heute in Stuttgart) und durch die jährliche Herrenberger Straßengalerie, das Kulturhighlight im Landkreis Böblingen schlechthin.

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Seit zwei Jahren hat Herrenberg jetzt auch Eingang in die juristische Fachliteratur gefunden. Das Bundessozialgericht hatte zu entscheiden, ob eine Klavierlehrerin der städtischen Musikschule als selbstständig oder als angestellt zu betrachten sei. Als Freiberufler wäre sie selbst für ihre Kranken- und Rentenversicherung (im Zweifel im Rahmen der Künstlersozialversicherung) verantwortlich. Als Angestellte müsste der Träger der Musikschule anteilig für die Sozialversicherung aufkommen. Dies würde teuer kommen.

Im vorliegenden Fall entschied das Gericht auf „abhängig beschäftigt“ und sorgte damit für Unsicherheit, Ratlosigkeit, Sorge um die künftige Finanzierbarkeit des Musikschulunterrichts.

Kriterien für das Urteil waren zum einen, dass das Gericht eine Weisungsgebundenheit der Lehrerin und eine Eingliederung in die Arbeitsorganisation der Musikschule als gegeben sah. Die Lehrerin unterliege hinsichtlich der Zeit, der Dauer, dem Ort und der Art der Ausführung einem umfassenden Weisungsrecht des Arbeitgebers. 

Tatsächlich organisierte die Musikschule sämtliche vertragliche Regelungen mit den Schülern, gab die Unterrichtszeiten vor, zahlte Ausfallhonorare beziehungsweise ließ die Lehrerin ausgefallenen Unterricht nachholen, stellte Räume und Instrumente kostenlos zur Verfügung, verpflichtete die Lehrerin zu persönlicher Leistung und Teilnahme an Konferenzen und Vorspielen. 

Selbstständigkeit wäre nur unter besonderen Voraussetzungen gegeben, zum Beispiel wenn ein unternehmerisches Risiko bestehen würde, der Unterricht in einer eigenen Betriebsstätte und im Wesentlichen frei gestaltet wäre, auch hinsichtlich der Zeit.

Das muss nicht das Ende der Musikschulen, der freien Musikpädagogen und der Lehrbeauftragten sein. Das vorliegende Urteil ist eine Einzelfallentscheidung. 
Nicht jeder freiberufliche Musiklehrer ist unter den Generalverdacht der Scheinselbstständigkeit zu stellen. Aber: Wenn der Staat die musikalische Ausbildung erhalten und finanzierbar lassen möchte, dann muss er handeln. 

Dringend erforderlich ist, dass § 7 Abs. 1 Satz 2 des SGB IV die besonderen Gegebenheiten des Musikunterrichts berücksichtigt und Weisungsgebundenheit und Eingliederung offener formuliert und praktikable, realistische Vorgaben macht. 

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