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Keine Sorgen um Komposition als Handwerk

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Dr. Gabriel Iranyi informiert über neue Konzertplanung
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Adelheid Krause-Pichler: Auch das Studio Neue Musik des DTKV Berlin ist zur Zeit durch die Versammlungssperre betroffen – welche Projekte in diesem Frühjahr betrifft das konkret?

Gabriel Iranyi: Wegen der Corona-Krise wurden ab der zweiten März-Woche sämtliche Konzerte abgesagt. Da ich, als Leiter des  Studio Neue Musik, alle Termine mit den Interpreten und die Veranstaltungsorte absprechen muss, ist es nur ein Zufall, dass die zwei von uns geplanten Konzerte im Herbst 2020 stattfinden sollen. Ich, die Musiker und die Komponisten sind immer noch zuversichtlich, dass die beiden Konzerte im Oktober und November stattfinden können, so wie geplant.

Krause-Pichler: Gabriel Iranyi ist ein international bekannter und renommierter Komponist. Auch für Sie wird es Aufführungsausfälle geben. Sind Sie mit den Kolleg*innen in Kontakt? Wie stellt sich die (eventuell noch länger anhaltende) Situation auf das Wirken von Neuer Musik dar?

Iranyi: Das stimmt, ich musste – genau wie viele meiner Kollegen – Aufführungsausfälle hinnehmen. Als konkretes Beispiel von ausgefallenen Konzerten ist die Konzerttournee des international bekannten Kairos Quartett, das Mitte-März vier Konzerte in Sachsen und Berlin spielen sollte – darunter auch mein „Streichquartett No.5. Stufungen, Annäherungen“: davon fand nur das erste Konzert in Dresden statt, die anderen drei Konzerte wurden zur Zeit verschoben. Weitere Konzerte wurden bei den Festivals in Weimar und Potsdam vorsorglich ebenfalls verschoben, mit der Hoffnung, dass im Herbst bessere Zeiten für uns alle kommen werden. Die Situation im Ausland ist ähnlich wie in Deutschland: Viele meiner Kollegen – mit denen ich in Kontakt stehe – beklagen ähnliche Aufführungsausfälle bei ihren Konzertveranstaltungen.
Krause-Pichler: Sie haben mit gro­ßen Meistern gearbeitet. Das bedeutet ausgezeichnete, fundierte Ausbildung und wertvolle Vorbilder. Wie hat das Ihr Leben geprägt?Iranyi: 1978 und 1984 nahm ich als DAAD-Stipendiat an den Darmstädter Ferienkursen für Neue Musik teil: in den Kompositionsklassen von international bekannten Komponisten wie Brian Ferneyhough, Helmut Lachenmann und Christobal Halffter. Für mich als damals junger Komponist war das wichtig, die aktuellsten Erfahrungen der Moderne aus der „Werkstatt“ dieser Komponisten unvermittelt zu erfahren und Aufführungen auf höchstem Niveau zu erleben. Die besonders prägenden Einflüsse kamen aber durch mehrere Begegnungen mit György Ligeti, György Kurtág und Morton Feldman.
Krause-Pichler: In der Neuen Musikszene ist Kreativität besonders angesagt. Interdisziplinäres und Improvisiertes steht hoch im Kurs. Bangen Sie um die Kunst (das Handwerk) der Komposition?
Iranyi: Die unterschiedlichsten Kunstsparten Musik, Tanz, Pantomime, Malerei, Bildhauerei, Literatur haben sich schon immer gegenseitig beeinflusst. In der Musikgeschichte waren viele berühmte Komponisten auch ausgezeichnete Improvisatoren. Langfristig denke ich, und auch viele meiner Kollegen, dass wir uns keine Sorgen um die Komposition als Handwerk machen müssen. Ich konnte in der letzten Zeit zwei andersartige Phänomene beobachten: einerseits, eine immer größere Zahl von jungen Abiturienten interessieren sich für die Aufnahmeprüfungen im Fach Komposition bei den vielen Musikhochschulen in Deutschland und im Ausland. Andererseits, viele bekannte Repräsentanten der „Jetztzeit-Musik“ haben wieder angefangen, ihre Kompositionen ganz präzise – das heißt in Partiturform  – zu notieren. Daher denke ich, dass Komposition und Improvisation sich immer weiter bereichernd gegenseitig  beeinflussen werden.

Krause-Pichler: Welche sind konkret die nächsten Projekte des SNM (welche Komponist*innen, welche Musiker/Ensembles)?

Iranyi: Für die nächste Saison habe ich die Fortsetzung der Austauschkonzerte mit dem Studio für Neue Musik München geplant und alle Details berücksichtigt. Aus München kommt am 13. November 2020 ein Duo mit zwei Musikerinnen nach Berlin: Die Violinistin Anna Kakutia und die Pianistin Masuko Ohta werden im Kulturhaus Schwartzsche Villa auftreten. Als Austausch wird im März 2021 in München ein Trio aus Berlin auftreten: Die Saxophonisten Detlef Bensmann und Lilly Paddags und die Pianistin Nadezda Tselujkina spielen im Konzertsaal in der Versicherungskammer, Maximilianstraße. Und für Oktober 2020 ist ein Konzert mit dem Weimarer Ensemble Via Nova geplant: ein Ensemble von jungen Musiker*innen und einer sehr interessanten Instrumenten-Kombination, mit Flöte, Klarinette, Akkordeon, Violine und Violoncello. Dieses Konzert ist für die Villa Elisabeth geplant. In den drei  oben genannten Konzerten werden Werke von Susanne Stelzenbach, Samuel Tramin, Art-Oliver Simon, Sarah Nemtsov, Helmuth Zapf, Thomas Gerwin, Peter Kiesewetter, Max Beckschäfer, Nikolaus Brass, Lilly Paddags, Detlef Bensmann, Joachim Gies und mir aufgeführt.

Krause-Pichler: Vielen Dank für die Informationen

 

 

 

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