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Klang, inneres Zentrum, Bewegung

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Sänger und Tai Chi-Meister Frieder Anders wird 70
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Kein Geringerer als Albrecht Dürer bekannte: „Was die Kunst sei, das weiß ich nicht.“ Fest steht allerdings, dass sie viele Gesichter hat, wozu auch die Trennung in Schrift- und Aktions-Kultur gehört.

Kein Geringerer als Albrecht Dürer bekannte: „Was die Kunst sei, das weiß ich nicht.“ Fest steht allerdings, dass sie viele Gesichter hat, wozu auch die Trennung in Schrift- und Aktions-Kultur gehört. Vor allem Literatur, Musik und Theater basieren auf Texten, andere Formen wieder mehr auf mündlicher Überlieferung, tradierten Aktions-Modellen – bis hin zu den „martial arts“, Kampfsport-Exerzitien hauptsächlich aus Asien. Doch das chinesische Tai- Chi ist kein militantes Ritual, gesoftetes Kung Fu, sondern Kraft-Entfaltung aus dem inneren Gleichgewicht heraus – also auch nicht rein spirituell. Die Physis spielt durchaus ihre Rolle. Wer Tai- Chi betreibt, tut dies körperlich wie seelisch – und im Sinne künstlerischer Spannung und Harmonie.

So ist es kein Zufall, dass Frieder Anders, hochgeschätzter Tai-Chi-Meister und Sänger in Frankfurt, zunächst am Theater begann, um dann seine Fähigkeiten und Tätigkeiten nach Art von Yin und Yang zu entwickeln: als getrennt, doch zusammengehörig. Parallel zu seiner Tai-Chi-Praxis widmet er sich dem Gesang, hat seinen Bariton sehr schön entwickelt, gibt Konzerte, macht Aufnahmen. Dabei kommt ihm die Tai-Chi-Erfahrung zugute: Kraft aus der konzentrierten inneren Balance zu entfalten, Stimm-Volumen ohne Forcieren. Hört man ihn singen, beobachtet ihn dabei, stellt man fest, dass er physisch engagiert bei der Sache ist, doch ohne übermäßige Anstrengung. Musikalische Spannung entsteht durch gewaltlose Intensität. Ähnlich wie beim Tai-Chi wird Energie von innen her freigesetzt.

Seinen siebzigsten Geburtstag feierte er im Frankfurter Saalbau Gutleut mit einer Matinee, bei der Yaping Dong auf der chinesischen Kniegeige einen fesselnden Eindruck des fernöstlichen Ton-Systems vermittelte, so die asiatische Komponente Klang werden ließ. Doch geht es Anders beim Tai- Chi nicht nur um uralte Tradition: Ausdrücklich gewünscht hatte er sich eine Aufführung des Frankfurter Belcanto- Ensembles, das ihm zu Ehren Dieter Schnebels, eigens für die Sängerinnen um Dietburg Spohr geschriebene „Amazones“ (auf Textfragmente aus Kleists „Penthesilea“) präsentierte: eine quasi psychoanalytisch getönte Klang-Szene durch alle vokalen Extrem-Zustände. Der russische Gitarrist Nikolay Ulyanov sorgte dafür, dass noch ein dritter Kulturkreis prägnant ins Spiel kam.

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