Zum Abschluss der Konzertreihe in diesem Jahr spielte Gesa Lücker ein fast überirdisch zu nennendes Konzert am Klavier. Inmitten der ausgestellten Kunst der international renommierten Künstler Antonio Máro und Rafael Ramírez Máro spielte Gesa Lücker das erste Mal öffentlich auf einem historischen Instrument, einem Kaps- Flügel von 1875 mit Érard-Mechanik. Eine große Herausforderung an das Spiel von Gesa Lücker, was sie aber mit Bravour meisterte.
Gesa Lücker hat bereits international auf vielen Bühnen gespielt, wie der Yamaha Hall und der Carnegie Hall in New York und London, der Wigmore Hall sowie der He Luting Hall in Shanghai. Nach Peking wird sie ebenso regelmäßig eingeladen, wo sie zuletzt wieder Konzerte und Meisterkurse gab. In Europa und Deutschland ist sie gleichermaßen in vielen Konzerthäusern zu Gast. 2010 erhielt sie ihre Professur in Köln an der Musikhochschule für das Fach Klavier.
Gesa Lücker begann das Konzert sehr ruhig und leise mit der weltlichen Geburtstagskantate von Johann Sebastian Bach „Schafe mögen sicher weiden“ in einer Bearbeitung von Egon Petri. Für das Publikum eine wunderbare Gelegenheit, sich in die Klangvielfalt des Instrumentes einzuhören und sich dem Musikgenuss voll hinzugeben. Gleich zu Beginn konnte der Zuhörer merken, mit welch sorgfältig gewählter Anschlagsvielfalt Lücker das gleichbleibende Motiv sowie die Begleitung immer wieder mit verschiedenen Nuancen versah und somit die Aufmerksamkeit des Hörers weckte.
Dies gelang ihr besonders gut in dem Adagio in h-Moll KV 540 von W.A. Mozart. Man hatte den Eindruck, dass sie klanglich immer tiefer in das Instrument eintauchen konnte. Schon die ersten Töne und die darauffolgenden Takte ließen die musikalische Tiefe dieses Stückes deutlich zum Vorschein kommen. In höchster musikalischer und klanglicher Qualität wurde dieses Stück ein einmaliger Genuss für jeden Zuhörer. Fast überirdisch war es, wie Lücker das Thema in allen Facetten musikalisch zu einem neuen Klangerlebnis werden ließ. Der feine Anschlag und die Präzision ließen alle aufhorchen. Man wurde in diese tragische Stimmung als Zuhörer gänzlich hineingesogen, was es einem unmöglich machte, sich diesem Erlebnis zu entziehen. Das nachfolgende Rondo in D-Dur KV 485 spielte sie mit größter Brillanz und unglaublicher Leichtigkeit, aber auch mit ihrer klangdurchdachten vielfältigen Finger- und Anschlagstechnik.
Das „Miserere d’Allegri“ von Franz Liszt ließ den Zuhörer gleich zu Beginn doch recht erschauern und aufhorchen. Der in den tiefsten Bässen heraustönende, unheimliche Klang konnte sehr große Ehrfurcht erwecken. Der Papst selbst wollte die Einzigartigkeit dieses Stückes bewahren und verbot, das Miserere von Allegri zu transkribieren und an anderen Orten als dem Vatikan öffentlich aufzuführen. So wurde es seit 1514 jährlich zu Ostern in der Sixtinischen Kapelle gesungen. Jedoch soll der vierzehnjährige Mozart dieses Stück bei einem Besuch in Rom gehört und anschließend aus dem Gedächtnis aufgeschrieben haben. Er fertigte eine eigene Komposition an, auf die dann viele Komponisten im Laufe der Jahre mit einer eigenen Komposition zurückgegriffen haben. So auch Franz Liszt. Gesa Lücker vermochte diesem Werk ebenso wie Liszts „Ave verum Corpus de Mozart“ eine verzaubernde atmosphärische Kraft zu verleihen.
Gleich im Anschluss spielte Gesa Lücker das „Les jeux d’eaux à la Villa d’Este“ von Liszt in einer unglaublich virtuosen Darbietung. Klanglich wunderschön ausdifferenziert hörte man quasi die glitzernden Fontänen in den Wasserspielen. Als letztes Stück vor der Pause folgte die Paganini-Etüde Nr. 6 in a-Moll von Liszt.
Gesa Lücker ist eine Zauberin der unterschiedlichen Klangwelten und der Tiefe des Ausdrucks! Sie hat es verstanden diesem historischen Flügel noch ganz neue, nie gehörte Klangebenen und Klangfarben abzugewinnen. Sie ging immer tiefer in die Klangmöglichkeiten dieses Instrumentes hinein und brachte es mit ihren hochdifferenzierten Anschlagstechniken fertig, diesen Werken neues Leben einzuhauchen. Die Zuhörer belohnten dies mit absolut konzentriertem Zuhören, was natürlich zu einer Wechselwirkung mit der Pianistin führte und eine äußerst positive Auswirkung zeigte. „Ich wurde während des Spielens vom Publikum getragen“, sagte Gesa Lücker. „Das hat mich in meinem Spiel sehr inspiriert.“
Nach der Pause hörte das Publikum Robert Schumanns „Carnaval op. 9“, einen aus kurzen Charakterstücken bestehenden Klavierzyklus, den Schumann in einer Zeit schrieb, in der er mit Ernestine von Fricken verlobt war. Sie stammte aus dem Städtchen Asch. Schumann nahm diese Buchstaben der Stadt, setzte sie in Töne (A-Es-C-H) und kreierte so dieses Motiv als Grundlage für die gesamte Komposition. Gesa Lücker gelang es, diese Charakterstücke einzeln in sich abgeschlossen zu einem musikalischen Hochgenuss werden zu lassen, ohne jedoch „das Ganze“ aus den Augen zu verlieren, wodurch sie es vermochte, den Spannungsbogen über den gesamten Klavierzyklus zu halten. Eine ungeheure Aufgabe für einen Pianisten, das Publikum über eine so lange Spieldauer in seiner Aufmerksamkeit bei der Stange zu halten. Auch hier stach Gesa Lücker mit ihrem ausdifferenzierten Anschlag, der vielfältigen Farbgebung und Klanggestaltung der unterschiedlichen Miniaturen sowie der feinen Ausarbeitung des Motivs in seiner so charakterlichen Unterschiedlichkeit hervor. Besonders viel Arbeit machte sich Lücker mit der Differenzierung der Dynamik: Piano und Forte mit all ihren Zwischentönungen arbeitete sie ganz akribisch mit den größtmöglichen Abstufungen heraus. Selbst bei technisch sehr schnellen Passagen konnte sie diese dynamische Vielfältigkeit beibehalten. Auch deswegen wurde das gesamte Konzert zu einem besonderen Hörgenuss.
Dies immer begleitet von einer höchst technischen Präzision des Spiels und einer sehr konzentrierten Darbietung auf musikalisch allerhöchstem Niveau. So blieb dem Publikum nur noch der nicht enden wollende Applaus als Dank an Gesa Lücker.