Der Tristachersee in Osttirol liegt vor mir, und während gerade ein Gewitter aufzieht, lasse ich die letzten doch so hektischen Monate und Wochen nochmals Revue passieren. Vieles, auch Liebgewonnenes, ist nicht mehr möglich. Keine Konzerte im herkömmlichen Sinn, kein gemeinsames Musizieren! Vieles liegt wirtschaftlich und organisatorisch darnieder. Und trotzdem gibt es auch positive Akzente:
Noch nie wurde im DTKV ein so intensiver Kontakt – wenn auch in digitaler Form – gepflegt wie in den letzten Monaten, nicht nur im Präsidium, sondern auch zwischen den Landesverbänden und den Mitgliedern. Vieles wurde zusammen mit dem Musikrat angestoßen, sei es der erleichterte Zugang zum Arbeitslosengeld II, sei es das Stipendienprogramm des Musikfonds.
Aber es wird auch deutlich, dass man gleichzeitig intensiv darüber nachdenken muss, wie man die vielen individuellen Persönlichkeiten im Musikleben und in unserem Verband besser vernetzen und teamfähiger machen kann, um im gesellschaftlichen Wettbewerb berechtigte Interessen zu wahren und umzusetzen.
Wir brauchen auch im Kulturbereich so etwas wie Nachhaltigkeit und finanzielle Stabilität! Es darf nicht immer nur um kurzfristige Projekte gehen. Für mich ist etwa „Jugend musiziert“ kein Projekt im herkömmlichen Sinn, sondern eine Institution, die aus unserem kulturellen Leben nicht wegzudenken ist. In diesem Sinn gibt es noch viele andere Beispiele. Deswegen sollten wir noch einmal versuchen, für die Kultur Verfassungsrang anzustreben, wie es ja die Bürgerinnen und Bürger der Schweiz erreicht haben. Es darf auch nicht mehr sein, dass Kultur eine freiwillige Leistung ist, die man je nach Kassenlage auch ausfallen lassen kann!
Wir müssen den Kulturbegriff wohl in Hinblick auf seine Bedeutung und Wirkung auf unser gesellschaftliches Leben neu diskutieren. Kultur darf nicht das Sahnehäubchen sein, auf das man eben auch verzichten kann. Kultur ist der integrale Bestandteil unseres Menschseins und nicht nur irgendein Wirtschaftsgut oder Freizeitwert nach Belieben. Dazu sollten wir mit den anderen Musikverbänden, den Musikräten, der Politik sowie der Öffentlichkeit und den politischen Stiftungen die Diskussion eröffnen. Vielleicht lässt sich aus der derzeitigen Krise ein Weg zu einem neuen Kulturverständnis und seinem Stellenwert für uns alle finden.
Ihr
Wilhelm Mixa, Präsidiumsmitglied