Liebe Mitglieder, ich muss zugeben, dass auch ich zu denjenigen gehöre, die sich gerne Kopfhörer aufsetzen und Musik hören, wenn sie unterwegs sind.
Sei es auf dem Weg zur Arbeit in der U-Bahn, im Zug nach Berlin oder auch mal beim Sonnenbaden an der Isar (nur nicht beim Radlfahren, das ist lebensgefährlich!). Ich höre einfach gerne Musik, und es ist so komfortabel: das lästige Kabel fällt mittlerweile weg, auf dem Smartphone kann man eine ganze CD-Bibliothek mit sich führen. Noch dazu gibt es bei manchen Modellen eine Vorrichtung, mit der man die Umgebungsgeräusche reduzieren kann, um sich noch besser abzuschotten. Das kann Vorteile haben: wenn der Junggesellenabschied mit einem Kasten Bier den ICE stürmt oder der vielbeschäftigte Consultant Manager am Handy lautstark die letzten Details für die anstehende Präsentation diskutieren muss, ist man froh, wenn man sich ausblenden kann und seine Ruhe hat. Andererseits: Wenn man zu den Klängen eines Klavierkonzerts von Mozart an der Isar spazieren geht, reduziert man die Musik auf eine Begleitrolle. Und in solchen Begleitrollen begegnet uns Musik allenthalben: ob im Supermarkt, wo es mittlerweile spezielle Musik gibt, die uns zum Kaufen animieren soll, oder als kurze Tonfolge in der Straßenbahn, um die nächste Haltestelle anzukündigen.
Diese Geräuschkulisse mischt sich dann noch mit der eigenen Musik über Kopfhörer – zumindest, wenn ich diese nicht so laut aufdrehen will, dass der Nachbar in der Bahn noch mithören kann und man selber einen Hörschaden davon trägt. Die Folge: ein richtig bewusstes Zuhören ist dann kaum noch möglich. Wie auch? Es scheitert schon daran, dass man rein akustisch nicht alles verstehen kann. Aber es fehlt auch die Konzentration auf das zu Hörende. So ertappe ich mich dabei, wie ich darüber nachdenke, wann ich eigentlich das letzte Mal bewusst – abgesehen von Konzertbesuchen – Musik angehört habe. Und komme darauf, dass das schon eine ganze Weile her ist.
Aber erst dann, wenn wir uns darauf einlassen, was wir hören, können wir Musik auch erleben. Dann hören wir bei Stücken, die wir schon lange kennen, möglicherweise Details, die wir so noch nicht wahrgenommen haben. Oder stellen fest, dass die Interpretation viel aufregender ist, als es bisher durch den Kopfhörer in der U-Bahn an unser Ohr drang.
Natürlich ist die Musik aus der „Konserve“ kein Vergleich zum realen Konzerterlebnis, und erst recht nicht zum eigenen Musizieren. Aber ich habe nicht ständig ein Quartett an der Hand, um Beethovens op. 127 zu spielen, und in der Kammermusikreihe tritt auch nicht alle Tage ein spannendes Klaviertrio auf.
Und so nehme ich mir vor, mir wieder öfter einen ruhigen Moment daheim zu suchen, um mit Bedacht Musik ganz genau zu hören. Gewissermaßen als Bindeglied zwischen Konzert und Kopfhörer.
Es muss ja nicht gleich der ganze „Parsifal“ von Wagner sein.
Mit herzlichen Grüßen
Philip Braunschweig