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 Kolumne

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Welche Komponistinnen kennen Sie?
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Zum diesjährigen Weltfrauentag waren 24 Stunden vielerorts wieder ausschließlich Werke von Komponistinnen der letzten Jahrhunderte zu hören, zum Beispiel im Radio oder in virtuellen Konzerten.

Diese Initiativen sind natürlich erfreulich, tragen sie doch grundsätzlich zur Sichtbarkeit von bislang deutlich unterrepräsentierten Persönlichkeiten bei. Aber wie sieht es denn eigentlich während der anderen 364 Tage im Jahr in den Programmen so aus? Ganz recht: Dreihundertvierundsechzig-Dreihundertfünfundsechzigstel des Jahres wird eher ein Zustand suggeriert, als ob Komponis­tinnen schlicht nicht der Rede – oder des Hörens – wert wären. Man möchte doch meinen, dass sich dieser Zustand, der als Gender Gap in der Musik bezeichnet wird, in den letzten Jahren deutlich verbessert hat. Aber ist das wirklich so?

Eine jüngst veröffentlichte Studie von Melissa Panlasigui über Frauen in den knapp 130 Berufsorchestern in Deutschland gibt anhand der Spielzeit 2019/2020 Aufschluss über die derzeitige Situation des Gender Gap in der Musiklandschaft (Sonderveröffentlichung des Archivs Frau und Musik und musica femina münchen, online abrufbar). Besonders eindrücklich scheint mir die Zahl gespielter Werke von nicht mehr lebenden Komponis­tinnen zu sein: satte 1,9 Prozent (Immerhin mehr als die oben angedeuteten 0,27 Prozent, also wenn Komponistinnen tatsächlich „nur“ am Weltfrauentag gespielt würden). Die 13 meistgespiel­ten (männlichen) Komponisten kommen jeweils auf mehr Aufführungen als alle Komponistinnen zusammengenommen. Zeitgenössische Komponistinnen stehen immerhin zu 13 Prozent auf den entsprechenden Programmen – aber auch das stimmt keineswegs mit den Studien­abschlüssen in Komposition überein, da über 30 Prozent der Zeugnisse an Absolventinnen ausgehändigt werden. Etwas weniger frappant sieht es bei Solistinnen und Dirigentinnen aus, doch werfen Sie am besten selbst einen Blick in diese jüngst erschienene, sehr erhellende Studie.

Wäre es nicht langsam einmal an der Zeit, Werke von Komponistinnen in den Mainstream, Kanon – wie auch immer – aufzunehmen, also sichtbar zu machen und sich nicht mit dem „Abstellgleis“ 8. März zufriedenzugeben? Haben Sie zu Schulzeiten oder im Studium (von) Komponistinnen gehört? Nein? Ich auch nicht… Dabei gibt es bereits ausreichend Notenliteratur zum Erkunden und Kennenlernen und es wäre ein Leichtes, wenigstens ab und zu auch Komponistinnen in die eigenen Konzertprogramme aufzunehmen. Oder man stellt im Unterricht Komponistinnen und ihre Werke vor und erarbeitet sie gemeinsam mit den Schüler*innen. Wenn Sie Hilfestellung und Material benötigen, können Ihnen dabei mehrere Institute in Deutschland behilflich sein – allein das Archiv Frau und Musik verfügt über Material zu mehr als 2.000 Komponistinnen.

Ihre
Theresa Henkel, Redakteurin Bayernseiten

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