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Kolumne

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Ahmed
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In den letzten Septembertagen dieses Jahres gab es in den sozialen Netzwerken ein Aufsehen erregendes Video zu sehen, in dem ein Imam den sich um ihn scharenden etwa 30 Kindern erzählt: „Wer regelmäßig Musik hört, riskiert es, von Allah in einen Affen oder ein Schwein verwandelt zu werden.“

In den letzten Septembertagen dieses Jahres gab es in den sozialen Netzwerken ein Aufsehen erregendes Video zu sehen, in dem ein Imam (geistlicher islamischer Führer) den sich um ihn scharenden etwa 30 Kindern erzählt: „Qui écoute régulièrement de la musique court le risque d‘être transformé en singe ou en porc par Allah.“ (Imam Houdeyfa). Auf Deutsch: „Wer regelmäßig Musik hört, riskiert es, von Allah in einen Affen oder ein Schwein verwandelt zu werden.“

Oha! Angesichts fehlender Schweineherden oder Affenhorden in unseren Konzertsälen, Opernhäusern, Musikschulen, Fernseh- und Rundfunkanstalten sowohl in Frankreich als auch in Deutschland und sogar weltweit, darf dies bezweifelt werden. Dies haben auch andere muslimische Geistliche erkannt. Somit ist der Vorschlag des Rektors der Moschee von Bordeaux, Tareq Oubrou, man solle Herrn Houdeyfa in eine Psychiatrie einweisen, durchaus nachvollziehbar.

Im Iran gibt es keinen Musikunterricht an den Schulen. Nichtsdestotrotz aber besuchen 4.000 Kinder und Jugendliche allein in Teheran an der Musikschule „Pars“ bei 150 Musiklehrkräften Instrumental- oder Gesangsunterricht für traditionelle iranische oder westliche Musik. Und seit wenigen Wochen gibt es in Bremen ein syrisches Orchester, dessen Leitspruch es ist „Der Krieg wird uns nicht stoppen. Wir werden immer Musik machen – egal, wo wir sind.“

Ahmed ist ein erstaunlicher Mensch. Er lebt als Deutsch-Türke seit vielen Jahren in der Nähe von Stuttgart. Er ist Muslim und ruft als Vorsänger in der Moschee zum Gebet auf. Das klingt für uns Mitteleuropäer ziemlich exotisch und seltsam. Neulich aber schickt mir Ahmed, der auch in einem deutsch-türkischen Kulturverein aktiv ist, ein überraschendes Video: Ahmed steht mitten in einer großen gotischen Hallenkirche aus dem 14. Jahrhundert und singt – auswendig! – ein deutsches Lied von ca. 1790:

Die Gedanken sind frei,
wer kann sie erraten?
Sie fliegen vorbei wie nächtliche
Schatten.
Kein Mensch kann sie wissen,
kein Jäger sie schießen,
es bleibet dabei: die Gedanken
sind frei!
Ich denke, was ich will und
was mich beglücket,
doch alles in der Still’,
und wie es sich schicket.
Mein Wunsch und Begehren
kann niemand verwehren,
es bleibet dabei: die Gedanken
sind frei!

Danke, lieber Ahmed!
(Quellen: Radio Bremen, WDR, LeTélégramme, France Inter)

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