Die Konzertreihe der Münchner Tonkünstler „Studio für Neue Musik“ zeichnet sich stets durch eine große Vielfalt an Besetzungen und programmatischen Inhalten auf hohem musikalischen Niveau aus. In diese Parameter fügte sich auch der Soloabend für Violine mit Anna Kakutia (ehemals Anna Skouras) in der Versicherungskammer Bayern nahtlos ein. Kakutia hatte ein anspruchsvolles und abwechslungsreiches Programm zusammengestellt und bestritt den Abend mit nie nachlassender Konzentration. Entsprechend gespannt lauschte auch das Publikum.
Einen packenden Einstieg in den Abend bot Anders Eliassons „In medias“ aus dem Jahr 1971, ein dichtes, mit vielen Doppelgriffen und gebrochenen Akkorden quasi mehrstimmiges Werk, das zwischen dramatischen Ausbrüchen und melodiöser Beruhigung changierte. Wilfried Hiller bezog sich in seiner „Ophelia“ von 2003 mit dem Untertitel „Erotische Visionen nach Motiven aus Werken von Hector Berlioz“ wohl auf „La mort d’Ophélie“, eine Ballade des französischen Komponisten. Durch den ersten Satz „Prolog – molto tranquillo e meditativo“ tropft und gleitet die Musik mit flüchtigen Motiven; die „Toccata erotica – prestissimo possibile“ ist ein rasantes Stück, dem das erotische Element allerdings eher abgeht, und das „Epitaph – molto tranquillo“ bildet den ruhigen, ja, elegischen Schlusspunkt.
Durch eine ganz eigene, teils enervierende, teils fremdartig-poetische Stimmung zeichnet sich Iannis Xenakis’ Komposition „mikka“ aus dem Jahr 1971 aus. Kaum ein Ton in diesem Stück wird direkt angespielt; stattdessen sind beinahe alle Töne per Glissando miteinander verbunden, was den technischen Aspekt von Xenakis’ Musik betont und tatsächlich manchmal nach Computermusik klingt. Die Geigerin stellt sich auch hier ganz auf den Gestus der Musik ein und spielt technisch glasklar und präzise. Kontrastierend zu dem quasi Dauer-Glissando in Xenakis’ Musik besteht die „Sonate für Violine solo op. 14“ von Wolfgang von Schweinitz aus dem Jahr 1977 weitgehend aus unzusammenhängenden Sequenzen. Die Sonatenform mag inhaltlich begründet sein – beim ersten Hören erschließt sich allerdings weder Form noch Inhalt und lässt den Zuhörer mit einigen Fragezeichen zurück, was Anna Kakutia wiederum durch ihr konzentriertes Spiel aufzufangen vermag.
Der Komponist Tobias PM Schneid stand in den vergangenen Jahren regelmäßig auf den Programmen der Tonkünstler-Konzerte, meist mit seinen „Cathedral I–III“ für Klavier solo. Die „Five Portraits – Carpriccios for Violin solo“ von 2011 widmen sich einer ganz bestimmten Form von Portraits: Statt Menschen werden verschiedene psychologische Zustände und Phänomene musikalisch bebildert. In den „Manic Depressions“ herrscht eindeutig das manische Element vor, das sich stark rhythmisch und durchaus kraftvoll, wenn auch recht düster, ausdrückt. Die „Melancholy Madness“ dagegen ist ruhiger, getragener, mit kleinen melodiösen Sequenzen und sattem Klang, der durch „Knarzen“ und zarte Misstöne gekonnt gebrochen wird. Die kurz gehaltene „Euphoria“ klingt frisch, lebendig und erinnert an irische Musik, wohingegen man bei „Demon Dancer“ unweigerlich an den „Teufelsgeiger“ Paganini denken muss. Kakutia lässt den Dämon in der Musik in Sprüngen und Trillern über die Saiten der Geige tanzen. Mit „Voyage“, dem letzten Stück des Abends, begibt sie sich auf eine Reise ins Nichts. Dieser ruhige letzte Satz beginnt mit kräftiger Tongebung und einer Zweistimmigkeit, die den Bogen zur ersten Komposition des Konzertabends von Eliasson spannt, bis hin zu zarten Klängen mit vielen Flageolets und immer weiter auseinanderdriftende Sequenzen, bis hin zur Auflösung der Musik.