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Kultur-Highlight mit bundesweiter Strahlkraft

Untertitel
Die Kammeroper Schloss Rheinsberg stellt junge Gesangstalente vor und brilliert mit drei großen Opernproduktionen
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Brandenburg. Neben Mozarts „Entführung aus dem Serail“, neu inszeniert durch den künstlerischen Direktor der Kammeroper Schloss Rheinsberg, Georg Quander, der Uraufführung der puristischen Oper „P“ von Eckehard Mayer sowie Bedrich Smetanas Oper „Die verkaufte Braut“, bot der Kultursommer rund um das Rheinsberger Schloß nicht nur die Präsentation der jungen Gesangstalente, die als Preisträger aus dem internationalen Gesangswettbewerbs der Kammeroper 2022 hervorgegangen sind, sondern zudem „Jazz trifft Kammeroper“, zwei groß angelegte Wandelkonzerte mit Werken von Ludwig van Beethoven im Lustgarten des Schlosses, sowie zwei Sinfoniekonzerte, Kammerkonzerte und die von Siegfried Jerusalem geleitete Meisterklasse.

Bei der Eröffnung des Kammeroper-Festivals „Mit Beethoven in Arkadien“ am 25./26. Juni betonte Kulturministerin Dr. Manja Schüle die Bedeutung des Festivals für die Region als Brandenburgisches Kulturhighlight mit bundesweiter Strahlkraft. Hunderte Musikbegeisterte waren gekommen, um mit den Klängen von Ludwig van Beethoven durch den Schloßpark zu flanieren und die Akademisten der Karajan-Stiftung  und die jungen Gesangssolisten zu hören.

Mit Werken von Mozart, Bellini, Bizet, Massenet und Jaques Offenbach konnten an drei weiteren Abenden die jungen Sänger in der traditionellen Operngala vorgestellt werden – mit Arien aus Oper und Operette, begleitet vom Brandenburgischen Staatsorches­ter Frankfurt unter der Leitung von Azis Sadikovic, der  auch die Moderation übernommen hatte.

Dass junge Opernsänger nicht nur Arien mit schwierigen Koloraturen oder Rezitativen stimmlich beherrschen, sondern auch ebenso in populären Genres zuhause sind, bewiesen die Sänger und Sängerinnen der Kammeroper bei „Jazz Fetz“ im Akademiehof, gemeinsam mit „Big Brass“, der Big Band der Kreismusikschule Ostprignitz-Ruppin unter der Leitung von Harald Bölk. Die Zusammenarbeit mit der Musikschule ist ein wichtiger Bestandteil des Festivals um junge Musiker*innen zusammenzuführen. Und so präsentierten Opernsänger und Jazzmusiker gemeinsam Hits wie „Fly me to the Moon“, „Respect“ oder „Feeling good“ von Ella Fitzgerald bis Amy Winehouse.

Die Neuinszenierung der Mozart­oper „Entführung aus dem Serail“ war vom 9. bis 19. Juli in acht Aufführungen zu erleben. In seiner Inszenierung verwandelte Georg Quander zusammen mit der  Bühnen- und Kostümbildnerin Barbara Krott den malerischen Schloßhof mit seinen Kolonnaden zum See in einen Bühnenraum, in dem Orient und Okzident einander begegnen; so konnte die humanistische Botschaft der Oper in Musik und Schauspiel noch deutlicher erkennbar werden. Und eine besondere Beigabe ließ aufhorchen: zu Beginn des 3. Aktes erklang ein unbekanntes Duett „welch ängstliches Beben“ von Belmonte und Pedrillo gesungen; ein von Mozart seinerzeit unvollendetes Stück, das im Auftrag der Kammeroper von Roland Steinfeld vervollständigt wurde. Ungewöhnlich und gelungen war auch die Idee, den Bassa Selim zum Erzähler zu machen, der das Geschehen kulturgeschichtlich und in seine historischen Bezüge einordnete und dabei Bezüge zu Texten berühmter Zeitgenossen und Literaten wie Lady Montague, Casanova und Lessing herstellte.

Das hierzu erstellte, ausführliche Programmheft zur Mozartoper informierte den Zuhörer nicht nur über die Viten der Künstler*innen, sondern auch über die Historie des Opernstoffs und seine Entwicklung vom 12. Jahrhundert bis zu Mozarts Oper „Entführung aus dem Serail“.

Mit Eckehard Mayers puristischer Oper „P“ gab es eine Uraufführung der besonderen Art und, wie der Komponist im Untertitel schreibt: „..ganz ohne Handlung nach Texten von Fernando Pessoa“. Libretto-Montage und Musik  entstanden in den Jahren 2020 bis 2022. Der Komponist Mayer war als Jugendlicher Mitglied im Dresdner Kreuzchor. Er studierte Musik in Leipzig und wirkte viele Jahre als Dirigent und Repetitor an verschiedenen Theatern. 1976 und 1984 wurde er mit dem Carl-Maria-von-Weber-Preis für Komposition ausgezeichnet. Seit 2002 tritt er auch als Text-Autor hervor, er veröffentlichte Romane, Gedichte und Tagebücher.

Purismus ist die karge, klare Kunstform des 20. Jahrhunderts, deren Reduktion auf das Wesentliche, ohne Pathos und Schnörkel die Grundlage für Mayers Oper ist. Inspiriert durch die Texte des portugiesischen Literaten Fernando Pessoa, werden in der Oper „P“ Instrumente zu Klangkörpern ­ (sprechende Violine, atmosphärische Altflöte), Schlagzeug und Kontrabass zur Rhythmusgruppe, Sänger*innen zu  Zeugen, wie Sprache zu Musik wird, gemäß den Worten des Dichters Pessoa:“ Das ganze Theater ist mein Hinterhof, denn meine Kindheit ist überall und der Ball spielt Musik, traurige, verschwommene, die spazieren geht auf meinem Hinterhof, …ich werfe ihn nach meiner Kindheit und er fliegt durch das Theater zu meinen Füssen…“. Das Ensemble Ascolta, eine Gruppe von zehn Musikern, seit 2003 bekannt geworden durch Interpretationen Neuer Musik und ebenfalls offen für neue szenische Konzertformate, hatte unter der Leitung von Nicholas Kok mit großem Engagement den klanglichen Part übernommen. Die Regie von André Bücker zauberte in der auf das Notwendigste konzentrierten, eindrucksvollen Bühne von Imme Kachel aus der „handlungslosen“ Handlung des Stücks ein subtiles Kammerspiel zwischen Pessoa, seinen Heteronymen und der angebeten Ophélia.

Mit Smetanas Oper „Die verkaufte Braut“ feierte die dritte große Oper des Sommerfestivals im Heckentheater von Schloss Rheinsberg Premiere.  Die Inszenierung des Werkes hatte der in Rheinsberg bekannte Frank Matthus übernommen, die musikalische Gestaltung erfolgte durch die Berliner Symphoniker mit dem Chefdirigenten Hans-Jörg Schellenberger. Die Zuschauer erlebten ein wunderbares, turbulentes Dorffest zur Verlobung zweier junger Menschen, die jedoch jeweils eine andere Liebe im Gepäck hatten. Nach den üblichen tragischen und humorvollen Verwicklungen, endete das wunderbare Stück, das heute als tschechische Nationaloper gilt, seinen Durchbruch aber erst 1893 mit seiner deutschsprachigen Erstaufführung an der Wiener Staatsoper erzielte, mit einem wirkungsvollen Happy End.

Interview mit Georg Quander

Nach Abschluss des Sommerfestivals der Kammeroper Rheinsberg hatten wir Gelegenheit, den künstlerischen Direktor Prof. Georg Quander zu befragen:
neue musikzeitung: Das Sommerfestival mit seinen unterschiedlichen Formaten scheint  ein erfolgreiches Konzept gewesen zu sein. Wird dies in den nächsten Jahren weiter verfolgt werden ?
Georg Quander: Ja, die Verbindung von einem glanzvollen Opernfestival und der Förderung des Sängernachwuchses hat sich über viele Jahre bewährt und wir werden diese Linie weiter verfolgen, wobei wir versuchen, die Qualität der Aufführungen und unserer Arbeit weiter zu steigern. Im kommenden Jahr werden wir uns unter dem Motto „Von Elfen und anderen Geistern“ einem Thema zuwenden, das insbesondere in der Musik der Romantik eine zentrale Rolle einnimmt – von Mendelssohns „Sommernachtstraum“-Musik über Lortzings „Undine“ bis zu Offenbach, Dvorak und Puccini. Hauptstück wird dabei Webers „Oberon“ werden, den wir dem Publikum in einer ganz neuen Fassung im Heckentheater vorstellen wollen.
nmz: Wer hat den Internationalen Gesangswettbewerb ins Leben gerufen, mit dieser genialen Idee, den Preisträgern eine Rolle im Opernfestival anzubieten. Welche Voraussetzungen müssen gegeben sein ?
Quander: Wettbewerb und die Idee, als Preise die Mitwirkung im Rheinsberger Opernfestival auszuloben, stammen vom Gründer des Festivals, dem im vergangenen Jahr leider verstorbenen Komponisten Siegfried Matthus. Mitmachen können alle jungen Sänger*innen mit einer professionellen Gesangsausbildung bis zum 32. Lebensjahr. Seit letztem Jahr schreiben wir unseren Wettbewerb über das internationale Online-Portal muvac.com  aus, über das ab Herbst alle wichtigen Informationen für eine Bewerbung abgerufen werden können.
nmz: Sind Sie zufrieden mit dem Verlauf des Festivals? Und wie war die Besucherresonanz?
Quander: Es war das erste vollständige Festival nach zwei Jahren coronabedingter Zwangspause beziehungsweise mit erheblichen Einschränkungen. Insofern bin ich sehr glücklich, dass wir unser Programm vollständig und zu großer Begeisterung des anwesenden Publikums durchführen konnten. Allerdings sind auch an uns die Folgen der Coronazeit nicht spurlos vorüber gegangen: so kam das Publikum zögerlicher als sonst, was durch die instabile und oft kaum vorhersehbare Wetterlage in diesem Jahr noch verstärkt wurde. Als Open-Air-Festival sind wir nun mal extrem wetterabhängig.
nmz: Danke für das Gespräch. Dann erwarten wir mit Spannung das Rheinsberger Sommerfestival 2023 .
 

 

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