Franzpeter Messmer sparch mit Tourismusdirektor Georg Steiner anlässlich der Eröffnung des Neuen Opernhauses, das 180 Millionen Euro gekostet hat und über viele Jahre höchst umstritten war.
Die Kultur- und Kreativwirtschaft wird von der Politik seit einigen Jahren als wichtiger Faktor entdeckt und herausgestellt. Doch wie Kulturwirtschaft funktioniert, ist eine Frage, die selten gestellt wird und auf die es kaum Antworten gibt. Da erscheint es sinnvoll, nach Österreich zu blicken. Dort wird Kultur seit vielen Jahrzehnten erfolgreich für den Tourismus genutzt. Während andernorts Tourismus auf Vergangenheit setzt, sucht Linz die Herausforderung des Neuen – und ist dabei auch wirtschaftlich erfolgreich. Wie kann das gelingen? Franzpeter Messmer sprach mit Tourismusdirekter Georg Steiner anlässlich der Eröffnung des Neuen Opernhauses, das 180 Millionen Euro gekostet hat und über viele Jahre höchst umstritten war.
neue musikzeitung: Bei der Eröffnung des neuen Opernhauses war sich der Oberösterreichische Landeshauptmann Josef Pühringer sicher, dass der Steuerzahler die eingesetzten Gelder wieder zurück erhält. Diese Aufgabe stellt sich nun auch Ihnen, Herr Steiner. Hat Kultur, in diesem Fall Musik, eine wirtschaftliche Bedeutung? Kos-tet sie nicht nur, sondern rentiert sie sich auch?
Georg Steiner: Diese Frage reduziert die Kultur zu sehr auf einen wirtschaftlichen Nutzen. Es geht eigentlich um die Frage: Wie kann man mit Kultur etwas in Wert setzen? Wie können sich Wirtschaft, in meinem Fall Tourismus, und Kultur gegenseitig nützlich sein? Die Kultur ist da, um Impulse zu setzen, um Trends und Themen aufzuzeigen. Die Wirtschaft muss sich bemühen, die Kultur zu verstehen und zu übersetzen. In Linz fühle ich mich als Übersetzer von kulturellen Dingen, insbesondere was zeitgenössische Kultur angeht. Die Weltpremiere von „Die Spuren der Verirrten“ von Philip Glass nach einem Text von Peter Handke ist für mich eine Möglichkeit, eine Stadt interessant zu positionieren, nämlich zu zeigen, dass man hier in Linz am Puls der Zeit ist, dass man nicht nur in nostalgischer Rückwärtsbetrachtung Mozart oder Verdi spielt, sondern dass man die Kompositionskunst und die Themen unserer Zeit zeigt. Es geht um diesen Kontext, nicht primär um die Frage: Schaffen wir es, möglichst viele Besucher anzuziehen? Das ist der gewollte Nebeneffekt.
nmz: Die Schlösser König Ludwigs II. waren bei ihrer Entstehung umstritten und ziehen mittlerweile Millionen von Touristen an. Erfordert Kultur als Investition ein langfristigeres Wirtschaften?
Steiner: Wenn man nur auf den kurzfristigen Mainstream setzt, wird Kultur von der Wirtschaft missbraucht. Wegen des Wirtschaftens allein baut man auch kein Opernhaus. In Linz sind die Kulturbauten nicht aus einem touristischen Masterplan heraus entstanden. Die Politik hat vielmehr gesagt: Linz ist eine Stadt der Arbeit, der Industrie.
Aber zum Menschsein gehört mehr dazu. Kultur hat die Funktion, Erbauung, Freude, Inspiration zu ermöglichen. Linz ist auch nicht wie Salzburg auf die Kulturexperten dieser Welt fokussiert, sondern man versucht hier, Formate zu finden, die einen breiten Zugang ermöglichen. Zum Beispiel hat es die Klangwolke seit 30 Jahren geschafft, klassische Musik, nämlich die von Anton Bruckner, für über 100.000 Menschen im Donaupark spannend zu machen. Es gibt das Ausstellungsprojekt „Höhenrausch“, da wird das Museum von innen nach außen gekehrt und auf dem Dach der Linzer Innenstadt ein Kunstpark errichtet, was eine ganz andere Magie und Anziehungskraft hat.
nmz: Sie sagen, dass Linz weniger romantisch zurückblickt, sondern „beschwingt und kreativ lebt“ und hier „die Zukunft schon hörbar ist“. Wie gelingt es, ein großes Publikum für Neues zu interessieren?
Steiner: Linz zeigt die Faszination einer Stadt der Gegenwart. Hier stehen Faktoren wie Lebensqualität im Vordergrund. Lebensqualität heißt, dass die Schlote rauchen und die Luft sauber ist, dass Erholungsangebote vom Botanischen Garten bis zum Donaupark und bis zur Kultur vorhanden sind. Dabei definiert man sich in Linz über neue Formate, über aktuelle Zugänge und nicht nur über das Betrachten der längst vergangenen Zeiten.
nmz: Sie haben den Slogan „Linz verändert“ in diesem Jahr variiert in „Musik verändert“. Kann Kultur die Menschen verändern?
Steiner: Mit diesem Slogan will man zeigen, dass man mit Kultur durchaus etwas verändern kann. Jeder Aufenthalt in Linz soll auch Inspiration für die Gäste, neue Erfahrungen bringen. Was die Gäste in neuer Bildender Kunst oder Musik sehen oder hören, wird ihnen nicht immer gleich gefallen, aber diese Begegnung bewegt etwas, erzeugt neue Verknüpfungen und neue Ideen.
nmz: Sie sagen, dass Kultur nicht rein kommerziell betrachtet werden dürfe. Das ist bei jemandem, der Betriebswirt ist, erstaunlich. Wie funktioniert Kulturwirtschaft? Sind die Künstler Bittsteller, wenn sie nach Zuschüssen und Sponsoren suchen, oder können sie selbstbewusster sein?
Steiner: Oft werden Konzertsäle oder Museen gebaut, um den letzten Notnagel Tourismus nutzen zu können. Das ist eine zu kurzfristige Betrachtung. Ich bemühe mich, ein Kulturversteher zu sein und damit auch ein Kultur-übersetzer. Die Wirtschaft möchte oft die Kultur nur benutzen, und die Kultur muss sich beim Sponsoring dann prostituieren. Viel spannender und interessanter ist es, die Möglichkeiten, die hinter dem rein finanziellen Austausch stehen, zu entdecken. Es geht letztlich darum, die Potenziale zu erkennen, die in den kulturellen Angeboten stecken.