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Ein Klavierstudent wird von einem neben ihm stehenden Mann mit halbglatze instruiert.

Foto: Ronald Poelman

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Lehrer mit umfassender Kompetenz, bescheiden und leise

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Klavierseminar mit Prof. Christian A. Pohl: ein Erfahrungsbericht
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Unser Berufsverband in Bestform: er hatte zu einem Seminar zum Thema Übestrategien mit Prof. Christian A. Pohl eingeladen. Dieser war aus Leipzig gekommen, wo er eine Professur für Klavier und Klaviermethodik innehat. Anwesend waren etwa 25 Kollegen und Kolleginnen, sowie ihre SchülerInnen und einige ambitionierte Klavierspielende von außerhalb. Tagungsort war, wie jedes Jahr, die Klavier-Manufaktur von Grotrian Steinweg in Braunschweig. Diesen stellte sie uns dankenswerterweise, ihrer schwierigen Lage zum Trotz, zur Verfügung.  

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Um es gleich vorwegzusagen: es ließ sich unschwer erraten, dass nach einigen Stunden von Vortrag und individuellem Unterricht alle Anwesenden eine Fülle von Samen mit nach Hause nehmen konnten, was natürlich auch genau der Sinn eines Seminars (vom Lat. „säen“)  ist.

Ein scheinbar einfaches Zitat von Vitaly Margulis stimmte die Teilnehmenden gleich zu Beginn spürbar nachdenklich: „EINEN Ton kann jeder. ZWEI Töne nur der Meister“. Was ihm dieses Prädikat verleiht, ist die Qualität seines inneren Hörens. Für die musikalische Wahrnehmung bedarf es laut Prof. Pohl eines so genauen Studiums der Partitur, dass man in der Lage wäre, diese Note für Note auswendig aufzuschreiben. Denn umso mehr ich „denke“, umso weniger muss ich „denken“ – womit wieder eine pragmatische, aber kostbare Maxime im Raum stand. Wir können Üben sehen als Konditionierung von Empfinden und Hörerwartung, womit ein intensiver Prozess der Suche nach dem erforderlichen Ausdruck verbunden ist. Viele Werkzeuge bekamen die Teilnehmenden dazu an die Hand, darunter das Trainieren der Fähigkeit, bis in die kleinste musikalische Einheit ein stimmiges Adjektiv oder eine deutliche Assoziation zu finden, Passagen zu „textieren“ oder zu gestikulieren. Diese Übungen anhand von bekannten Musikfragmenten wie Brahms Opus 116 oder Mozart KV 333 gemeinsam durchführen zu können, zeigte, wie fruchtbar die Erfahrung eines Vortrags in Präsenz sein kann im Vergleich zum alleinigen Studium.

Ebenso ein Gewinn waren die Unterrichtssequenzen. Es war wohltuend, hier einen Lehrer mit umfassender Kompetenz zu erleben, der sich immer bescheiden und leise, dennoch entschieden und deutlich zu äußern verstand, größte Achtung für die Lernenden zeigte, sich aber erst dann zufriedengab, wenn sich aus dem Klang schließen ließ, dass die Lernperson die Anregung nun selbständig würde vertiefen können. Ich persönlich konnte feststellen, dass die schier chirurgische Präzision der Anweisungen sich nachhaltig auf meine Herangehensweise und damit positiv auf den Klang auswirkte.

Zu erwähnen ist noch die Tatsache, dass Prof. Pohl wohl mit einer derartigen Präsenz im Kontakt mit den Anwesenden war, dass er es versäumte, auf sein eigenes Werk zu verweisen. Dies sei jetzt nachgeholt: ein Schatz an Inspirationen, Anregungen und Einsichten ist zu finden in seiner bei Peters herausgegebenen „Klaviermethodik“, sowie – und das ist auf diesem Niveau bahnbrechend – die „Digitale Klaviermethodik“, die im Internet zu finden ist: www.klaviermethodik.digital

Der Tag ging mit warmem Applaus zu Ende. Und einem Kribbeln in den Händen, alle Anregungen auszuprobieren und dem eigenen Potential damit noch näher zu kommen.

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