So viele Fotos. Und es werden immer mehr. Und sie passen dank Smartphones auch in jede Tasche. In jede Tasche sollen auch die Songs des Trios „Wunschmusik“ passen, die Jazz und Atonalität in ihren kurzen „Pocket Songs“ auf neue, spannende Weise verbinden.
Das Trio hinter der Jazz-Sängerin Birgit Wunsch befasst sich auf ihrer neuen CD „muss Atonal eigentlich Witzig sein?“ mit kurzen Gedanken, die einem täglich durch den Kopf schießen. Birgit Wunsch performt hier zusammen mit Edith Steyer (Klarinette/Saxophon/Stimme) und Alberto Cavenati (Gitarre) und kreiert eine völlig neue Mischung aus atonaler Musik, improvisativem Jazz und spielerischen Versuchen über die gesprochene oder gesungene Sprache.
Das Cover der CD ist bunt, aufgewühlt und verdeutlicht bereits auf den ersten Blick das Durcheinander – aber auch das Vielfältige der Musik. Bunte Noten fliegen durcheinander und auch auf der Innenseite ergeben sie einen Farbklecks, der von Zitaten aus den Songs eingerahmt wird. Im Mittelpunkt steht die Frage „muss Atonal eigentlich Witzig sein?“
Ihre Liebe zur Sprache lässt sich deutlich in den kurzen, knackigen Songs von Wunschmusik erkennen. So kombiniert sie auf ihrem ersten Song „So Viele Fotos“ die drei Wörter, die spannenderweise alle mit einem sogenannten Frikativ (also: S, V, F) beginnen und schafft dadurch ein besonderes Klangbild. Im selben Song werden die Worte „und es werden immer mehr“ musikalisch elegant in die Länge gezogen und somit auch gezielt unterstrichen.
Die CD ist vielfältig und verbindet Gesang und Instrumente, gewährt jedem Bandmitglied zeitgleich auch üppigen Platz zur eigenen Entfaltung.
So gibt es sowohl rein instrumentale Songs, die zum Beispiel einmal die klanglichen Möglichkeiten der Klarinette austesten, wie in „Barsch“, aber auch solche wie ein „Solo“ auf der Gitarre. Daneben finden wir aber auch einen vokalen Kanon über die Kartoffel, bei dem alle drei durcheinander sprechen, was an Werke der Akustischen Kunst erinnert. Das schafft Abwechslung und zeigt dem Zuhörer gleichzeitig, welche Klangräume einzig aus gesprochener Sprache geschaffen werden können.
Das darauf folgende „Atonal Easy Listening“ hat einen gänzlich anderen Charakter, verbindet wieder den klaren Jazz-Gesang von Birgit Wunsch, die spielerische Leichtigkeit auf der Klarinette von Edith Steyer und die mannigfaltigen Improvisationen von Alberto Cavenati auf der Gitarre. Wie der Titel des Songs „Flucht“ bereits vermuten lässt, ist dieser geprägt durch schnelles Spiel und Gesang, rast regelrecht durch die Musik.
Die CD schließt mit dem Gedanken des Beginns, nämlich mit „Noch Mehr Fotos“. Das Klangbild des ersten Songs durch die Verbindung mit den frikativ-geprägten Wörtern wird erneut aufgegriffen, diesmal aber deutlich improvisativer, musikalisch ausgearbeiteter, erstrahlt somit als Resultat der Spielereien der gesamten CD.
Birgit Wunsch, die mit atonaler Musik aufgewachsen ist, Jazz-Gesang studiert hat und auch ihre Liebe zur Sprache in ihrer Musik verbindet, präsentiert hier auf vielfältige Weise, wie diese drei Komponenten zusammenpassen und neu „komponiert“ (wörtlich übersetzt also zusammengesetzt) werden können. Die Frage, ob Atonal witzig sein muss, darf der Zuhörer für sich selbst entscheiden. Die kurzen Texte haben auf den ersten Blick zwar wenig Inhalt, regen aber wegen ihrer Aktualität und Alltäglichkeit zum Nachdenken an.
Und wenn man das nächste Mal ein Foto posten möchte, erinnert man sich vielleicht mit einem Lächeln im Gesicht an Birgit Wunsch und „Wunschmusik“.