Unter dem Titel „Bach & Piazzolla“ präsentiert das Astor Trio seine neue CD. Schon ein Blick auf das Cover zeigt, dass es sich um eine ungewöhnliche Kammermusikbesetzung handelt: Violine, Gitarre und Kontrabass treffen hier aufeinander.
Unter dem Titel „Bach & Piazzolla“ präsentiert das Astor Trio seine neue CD. Schon ein Blick auf das Cover zeigt, dass es sich um eine ungewöhnliche Kammermusikbesetzung handelt: Violine, Gitarre und Kontrabass treffen hier aufeinander.
Eine Kombination, die man sonst aus Gypsy- oder Flamenco-Ensembles kennt und die sich dort naturgemäß den volksmusikalischen Genres widmet. Doch dass es sich beim Astor Trio um eine klassische Kammermusikbesetzung handelt, wird schon deutlich beim Blick auf die Vita der Künstler: Geiger Alexander Prushinskiy ist als 1. Konzertmeister der Dortmunder Philharmoniker und der Deutschen Radiophilharmonie, ein begehrter Violinist, der deutsche Gitarrist Tobias Kassung ist ein außergewöhnlicher Grenzgänger seines Fachs und Bassist Stanislav Anischenko beweist seine Kunst sonst als 1. Solobassist des WDR-Sinfonieorchesters Köln.
Nach eigenem Bekunden suchen die drei Musiker den Kern der Musik hinter allen Kategorisierungen oder Historisierungen, um an das Wirkliche und Lebendige der Werke eines Komponisten zu gelangen. Und das ist dem Astor Trio mit diesem Album eindrucksvoll gelungen. Das Album ist klug strukturiert: Bach und Piazzolla wechseln sich nach jeweils 4 Sätzen ab, insgesamt umfasst die CD 16 Tracks. Den Beginn bildet die 4-sätzige Sonate h-Moll BWV 1014 von Johann Sebastian Bach. Die Sonate ist – wie auch die zweite eingespielte Sonate – den „Sei Sonate a Cembalo certate e Violino Solo“ entnommen. Dieser meisterhaften Sonatensammlung aus Bachs Köthener Zeit, in der er zum ersten Mal das Cembalo nicht nur als gleichberechtigten Partner etablierte, sondern durch die klare Aufteilung von Ober- und Unterstimme gleichsam den Beginn der Triosonate schuf. Diesem Charakter der drei unabhängig geführten Stimmen kann das Astor Trio naturgemäß hervorragend gerecht werden. Die Bach Sonaten erklingen vollkommen neu, luftiger und rhythmischer als in der Originalbesetzung überhaupt möglich und kommen damit dem Geist dieser Art von Barockmusik sehr nah.
Es folgt Astor Piazzollas Zyklus „Histoire du Tango“ mit den vier Sätzen Bordel 1900, Café 1930, Nightclub 1960 und Concert d’aujourd’hui. Viel zu selten hört man diesen Zyklus komplett. Ganz zu unrecht, denn die komplette Suite „Histoire du Tango“ zeigt die seriöse Meisterschaft Piazzollas. Hier hat der Piazzolla alle populäre Anbiederung abgelegt und das Astor Trio schafft eine beeindruckende Symbiose eines mit klassischem Klangideal agierenden Ensembles und der Spontanität und rhythmischen Prägnanz wie man sie von Piazzollas eigenem Quinteto Tango Nuevo kennt.
Wieder folgt nun eine Bach-Sonate. Diesmal die Sonate in E-Dur BWV 1016. Auch hier interpretiert Geiger Alexander Prushinskiy unaufgeregt mit hoher Sensibilität und klarer Struktur. Die hervorragende Homogenität des Trios unterstützt ihn dabei und so hat man das Gefühl einer wirklichen Neuentdeckung dieser Sonaten von Johann Sebastian Bach.
Das Album schließt mit wiederum vier Stücken von Astor Piazolla ab. Tanti anni prima, Adios Noniño, Oblivion und Libertango. Beim Piazzolla geht Prushinskiy entsprechend mehr in die Saite. Der Klang verdichtet sich ohne jemals aufdringlich zu werden.
Wunderbar flexibel reagieren die drei in den wechselnden Tempi der Piazzolla Stücke und kosten die Gegensätze von elegischen Momenten und virtuosen Passagen gekonnt aus. Besonders hervorzuheben sind die gelungenen Arrangements, die Gitarrist Tobias Kassung von den Piazzolla-Stücken angefertigt hat. Besonders Adios Noniño und Oblivion sind allen drei Instrumenten wie auf den Leib geschnitten.
Auch so kann Neue Musik ausfallen: Mit alten und populären neuen Werken, gespielt von einer komplett neuen Kammermusikbesetzung. Einer Besetzung, der man viel Erfolg wünscht, sich in der klassischen Musik zu etablieren. Denn es ist höchste Zeit, dass sich die klassische Gitarre und der Kontrabass endlich auch in der „hohen Kammermusik“ einen festen, virtuosen Platz erspielen. Und es tut der Violine ungemein gut, sich etwas abseits der typischen Pfade zu bewegen. Zu häufig erstarrt die Kammermusik (und leider nicht nur sie!) im ewig Reproduktiven. Dass es auch anders geht, beweist das Astor Trio auf überzeugende Weise. Es bleibt nur zu hoffen, dass sich auch die aktuellen Komponisten dieser Besetzung zuwenden werden und damit helfen, diese neue Kammermusikbesetzung zu etablieren.