Braunschweig. Ein Konzert nach strengen 3G-Regeln zu veranstalten ist aufwendig, aber es ist auch die große Chance, wieder Musik in Präsenz zu hören. Im historischen Saal der Dornse fand auf Einladung des DTKV Braunschweig bei gedämpften Lichtern ein Konzert zweier Professoren von der HMTM Hannover, Ulf Schneider, Violine, und Jan Philip Schulze am Klavier statt.
Unter dem Titel „Night on Earth: eine musikalische Welt- und Zeitreise durch die Nacht“ standen 17 Werke auf dem Programm und versprachen einen spannenden Querschnitt der Stile, zusammengestellt nach der Vielfalt der Charakterstücke mit Nacht-Sujet. Im Programm stand: „Die Nacht lässt Raum für unerfüllte und unerfüllbare Sehnsüchte, sie weckt Phantasien, Hoffnungen und Wünsche. Traum und Wirklichkeit vermischen sich in ihr (…), Träume und Alpträume sind mit der Nacht verknüpft“.
Der norwegische Komponist Christian Sinding eröffnete den Abend und bereits hier merkte man, dass Nachtstücke, auch wenn sie Abendlied, Nachtklänge, Berceuse oder Nocturne heißen, keinesfalls einen ruhigen Konzertabend versprechen. Formal geben diese Werke viel Raum für Dramatisches und erlauben den Musikern, ihre Virtuosität im vollen Umfang zu entfalten. Nach dem raschen Stück von J. Turina aus Spanien fand erfreulicherweise das Nocturne der 18-jährigen französischen Komponistin Lili Boulanger Platz im Programm als ein Beweis dafür, dass Frauen großartige, starke Musik komponieren können. Paritätisch geteilte Programme sind immer noch eine Zukunftsvision. Dem folgte ein beeindruckendes Nocturne op.1 des ebenfalls 18-jährigen Portugiesen Joly Braga Santos. Deutschland war von Hans Werner Henze mit fünf abwechslungsreichen Nachtstücken aus dem Jahr 1990 vertreten. Etliche Bravo-Rufe bekam aber das letzte Stück vor der Pause, das Notturno e Tarantella op.28 des polnischen Komponisten Karol Szymanowski. Beide Musiker gingen in ihrem Element auf, zeigten eine perfekt aufeinander abgestimmte Kommunikation in der Interpretation dieses, wie die Anmoderation von Prof. Schulze verriet, „das Unmögliche von der Geige“ abverlangenden Stückes.
Der zweite Teil begann mit der Komposition Night Music II – 4 Nocturnes des einzigen noch lebenden Komponisten im Programm: George Crumb aus den USA. Das Stück gehört du den Lieblingsstücken der beiden Musiker, auch wegen der erfinderischen Art der Notation der Neuen Musik (Foto li.). Die Demonstration mancher dieser „Spezialeffekte“ und gelegentliche kurze Anmoderationen der Musiker waren sehr hilfreich beim Werkverständnis der in der Mehrheit selten gehörten Werke. Nach den Stücken aus der Schweiz, Italien, Russland, Litauen, Tschechen und Armenien erklang als letztes, gefolgt von zwei Zugaben, die beeindruckende und ausdrucksstarke Serenade „Der Schneemann“ des elfjährigen Erich Wolfgang Korngold aus Österreich.
Eine beachtliche Leistung der Musikprofessoren und ein thematisch äußerst interessantes Programm abseits des Mainstream, bereichernd und anregend. Wie schön, dass die beiden Musiker der Einladung nach Braunschweig gefolgt sind.