Kopieren, scannen, fotografieren … Noten sind schnell vervielfältigt, meist zum eigenen Gebrauch, spontan für den Unterricht. Immer neue digitale Möglichkeiten verschärfen das Problem und minimieren das Unrechtsbewusstsein in diesem Bereich – trotz Aufklärungskampagnen und Strafhinweisen: Was problemlos machbar ist, muss wohl auch erlaubt sein, andere machen es auch, und zu kontrollieren ist das ohnehin kaum.
Grundsätzlich steht der Deutsche Tonkünstlerverband (DTKV) zum Schutz des geistigen Eigentums und zum deutschen Urheberrecht, auch im Bereich des Kopierverbots von Noten. Mit Sorge sieht der DTKV, dass das Kopierverbot in zunehmendem Umfang missachtet wird und das Problem trotz verschiedener Maßnahmen nicht in den Griff zu bekommen ist.
Wenn wir den Wert der Musik hochhalten wollen, so wird er bereits durch eine entsprechende Notenausgabe dokumentiert. Dass deutsche Musikverlage in aller Regel gut lektorierte und aufwendig gestaltete Notenausgaben herstellen, bestätigt dies in erfreulicher Weise. Und die Erfahrung zeigt, dass beispielsweise Schülerinnen und Schüler immer lieber und ernsthafter aus guten Ausgaben spielen als aus Kopien, von denen einzelne Blätter verloren gehen, vom Notenständer fallen usw. (das gilt für legale Downloads ebenso wie für illegale Kopien). Und auch Interpreten bevorzugen eine Ausgabe auf dem aktuellen Stand der Wissenschaft und Editionstechnik.
Noten auf Tablets oder andere, EBooks entsprechenden elektronischen Möglichkeiten sind bereits vereinzelt in Gebrauch und Erprobung. Diese sind auf jeden Fall praktisch, platzsparend und sicher problemloser zu lizenzieren als Kopien, und sollten sie sich im großen Stil durchsetzen, könnten vermutlich die Download- bzw. Lizenzgebühren weniger kosten als das Papier von Kopien. Diese „E-Scores“ stehen auf einem zentralen Server oder in der Cloud abrufbereit zur Verfügung, so dass keine Bestell- und Lieferzeiten anfallen. Auch hier sind individuelle Eintragungen möglich, und eingerichtete Noten können unkompliziert an ein Ensemble verschickt werden. Mitspiel-, Mitsing- und Anhörversionen in variablem Tempo sind integrierbar. Der Deutsche Tonkünstlerverband e.V. ist bereit, sich an der Entwicklung dieser Möglichkeiten zu beteiligen, möglichst im Zusammenwirken mit anderen nutznießenden Verbänden und Verlagen.
Ob und wann die Elektronik die traditionelle Notenausgabe verdrängen wird, ist nicht abzusehen. Jedenfalls sind heute noch – und es scheint, auf lange Zeit – Notenausgaben aus Papier Standard in allen Bereichen des Musiklernens, des Laienmusizierens und der professionellen Musikausübung. Und dass in diesem Bereich zunehmend und hemmungslos illegal kopiert wird, ist leider eine Tatsache, die aber nicht nur auf mangelndes Unrechtsbewusstsein zurückgeht: Da das illegale Kopieren in erheblichem Umfang geschieht und die technischen Möglichkeiten dazu längst in das alltägliche Leben integriert und ständig zur Hand sind, wird es sicherlich von vielen auch gedankenlos für „normal“ gehalten. Musikverlage arbeiten an kreativen Lösungen, die in Richtung der oben genannten digitalen Möglichkeiten zielen. Was allerdings die Papierkopie betrifft, müssen sie eher resigniert zusehen. Der Geschäftsführer der zuständigen VG Musikedition, Christian Krauß, kann sich nur eine pauschale Lizenz vorstellen, wie sie seit 2015 den Musikschulen angeboten wird: Sie erlaubt, in geringem Umfang Kopien anzufertigen und zu nutzen. Alternativ sieht er die Möglichkeit, abschreckende Exempel zu statuieren und mittels Kontrollen Verstöße gegen das Urheberrecht zu ahnden. Die Lizenzen spülen Geld in die Kassen, das hoffentlich auch den Weg zu den Urhebern findet. Ob der enge Rahmen, der da gesteckt ist, auch eingehalten oder ob die Lizenz als Freibrief für uneingeschränktes Kopieren gesehen wird, wird die Praxis zeigen. Wer will das kontrollieren? Auf jeden Fall stehen jetzt diejenigen Schulen unter Generalverdacht, die die Lizenzen nicht erworben haben … Im privaten Bereich ist eine vergleichbare Lizenz ohnehin kaum möglich.
Letztlich wird man immer wieder an die Ehrlichkeit appellieren müssen, auf den Wert einer schönen Notenausgabe und deren Inhalt aufmerksam machen und natürlich regelmäßig Aufklärung leisten. Zur Aufklärung jedoch gehört auch die Klarheit, was erlaubt ist und was nicht. Und da gibt es viele Graubereiche, die das Urhebergesetz, das im Kern aus einer Zeit stammt, die alle die technischen Möglichkeiten privater Vervielfältigung noch nicht erahnen konnten, nicht erfasst. Wenn sich die Urheber bzw. ihre Vertreter auf eindeutige gesetzliche oder außergesetzliche Regelungen einigen könnten, wäre das sicher auch ein Beitrag zur Schärfung des Rechtsempfindens.
70 Jahre geschützt
Eindeutig ist: Ein Werk ist bis 70 Jahre nach dem Tod des Komponisten, Textdichters und Bearbeiters urheberrechtlich geschützt. Es darf also nur mit Zustimmung der Urheber bzw. dessen Vertreter kopiert werden. Nicht eindeutig ist es jedoch, wenn aus der Ausgabe nicht die Lebensdaten aller Urheber hervorgehen.
Anachronistische, absurde und realitätsfremde Ausnahmen allerdings erlaubt das Gesetz über Urheberrecht und verwandte Schutzrechte (Urheberrechtsgesetz) § 53 „Vervielfältigungen zum privaten und sonstigen eigenen Gebrauch:
(2) Zulässig ist, einzelne Vervielfältigungsstücke eines Werkes herzustellen oder herstellen zu lassen zur Aufnahme in ein eigenes Archiv, wenn und soweit die Vervielfältigung zu diesem Zweck geboten ist und als Vorlage für die Vervielfältigung ein eigenes Werkstück benutzt wird.
(4) Die Vervielfältigung a) graphischer Aufzeichnungen von Werken der Musik ist, soweit sie nicht durch Abschreiben vorgenommen wird, stets nur mit Einwilligung des Berechtigten zulässig oder unter den Voraussetzungen des Absatzes 2 Satz 1 Nr. 2 oder zum eigenen Gebrauch, wenn es sich um ein seit mindestens zwei Jahren vergriffenes Werk handelt.“
Abschreiben? Kopien für ein eigenes Archiv? Auf wen trifft das zu? Und woher weiß man, ob Noten seit zwei Jahren vergriffen sind? Wie steht es mit Verlagskopien? Print on demand? Was soll man machen, wenn ein Schüler mit dem ersten Band einer Instrumentalschule fertig und der zweite Band momentan nicht lieferbar ist? Man muss wohl die Zeit (kann lange dauern) mit Kopien überbrücken, will man den methodischen Weg nicht abbrechen. In so einem Fall wird nicht der Urheber/Verlag geschädigt, sondern der Nutzer …
50 Jahre geschützt
Für Rechte am Notenstichbild, das Kriterien einer persönlichen geistigen Schöpfung aufweist, gilt eine Schutzfrist von 50 Jahren. Das betrifft den traditionellen Notenstich/-satz, aber wohl kaum den Notensatz mit Computerprogrammen. Jedoch betrifft es absurderweise auch Faksimile-Ausgaben, die herzustellen wohl den wenigsten Aufwand erfordern. Und was ist eine Faksimile-Ausgabe? Nur bildliche Wiedergabe einer historischen Handschrift oder eines historischen Drucks? Evtl. auch der Reprint einer früheren Verlagsausgabe? Oder eine Verlagskopie? Möglicherweise gibt es Wettbewerbsrechte, die ebenfalls 50 Jahre gelten.
25 Jahre geschützt
„Wissenschaftlichen Ausgaben“ und „Editiones principes“ nachgelassener Werke sind 25 Jahre geschützt. Aber an was sind diese zu erkennen?
Verboten, aber manchmal geduldet
Kopien sind nötig
- als Blätterhilfe/Umblätterkopien, da die Ausgaben nicht immer praxisgerecht sind, insbesondere was die Wendestellen betrifft,
- für Klavierbegleitung bei Liederabenden,
- als Leseexemplare für Jurys bei Wettbewerben und Prüfungen,
- als Arbeitskopien,
- als Tuttistimmen,
- zur Überbrückung von Lieferfristen,
- für eine spontane und kreative Unterrichtsgestaltung,
- zum Schutz einer Notenausgabe, etwa beim Spielen im Freien bei Wind und Wetter (Blaskapelle, Open Air etc.) oder beim Stimmenverteilen an Schüler (Originale kommen immer verknittert und verschmiert zurück, wenn überhaupt …)
Hier argumentieren Verlage, das sei der natürliche Verschleiß und ggf. müsse man dann die Noten neu anschaffen. Andererseits steht das dem ideellen Wert entgegen, der sich in einer „wertvollen“, schützenswerten Ausgabe manifestiert.
Dies wäre unproblematisch zu erlauben auch für geschützte Werke, aber natürlich nur, wenn ein Beteiligter in Besitz der Originalausgabe ist. Die Lizenzgebühren dafür könnten im Kaufpreis enthalten sein oder durch eine entsprechende Geräteabgabe erhoben werden, wie sie das Urheberrecht § 54 vorsieht:
Vergütungspflicht
„(1) Ist nach der Art eines Werkes zu erwarten, dass es nach § 53 Abs. 1 bis 3 vervielfältigt wird, so hat der Urheber des Werkes gegen den Hersteller von Geräten und von Speichermedien, deren Typ allein oder in Verbindung mit anderen Geräten, Speichermedien oder Zubehör zur Vornahme solcher Vervielfältigungen benutzt wird, Anspruch auf Zahlung einer angemessenen Vergütung.“
„Kopieren grundsätzlich verboten“
Kopieren von Noten sei grundsätzlich verboten, schreiben Verlage stereotyp in ihre Ausgaben. Das mag juristisch richtig sein, trifft aber nur auf Ausgaben zu, bei denen Schutzfristen gelten, nicht aber auf einen Großteil der in der Praxis verwendeten Noten, die keine Schutzrechte mehr genießen. Die ebenso stereotyp angebrachten Copyright-Vermerke sorgen hier auch nicht für Klarheit und könnten auch als unzulässige Schutzrechtsberührung angesehen werden.
Es wäre sehr hilfreich für die Nutzerehrlichkeit und das Rechtsbewusstsein, wenn Verlagsausgaben in Bezug auf das Urheberrecht eindeutig wären.
Unterscheidbarkeit
Die Unterscheidbarkeit einer legalen von einer illegalen Kopie ist kaum möglich, denn sie sehen genau gleich aus. Auch ein mit Lizenzvermerk versehener Download lässt sich kopieren, eine pauschal lizensierte Kopie ist sowieso nur in Verbindung mit der Lizenz erkennbar, aber zu erkennen ist auch nicht, ob sie unter der Bedingung der Lizenz angefertigt wurde. So ist es sehr schwierig – z.B. als Juror, Lehrer oder Schülerkonzertbetreuer –, im konkreten Fall auf eine illegale Handlung hinzuweisen, da man erst ausführliche Erkundungen einholen müsste.
Der DTKV appelliert daher eindringlich an die Urheber bzw. an deren Vertreter, in diesem Bereich für Klarheit zu sorgen und an seine Mitglieder und darüber hinaus an alle Nutzer, auch im Bereich des Notenkopierens die gesetzlichen Vorgaben einzuhalten – letztlich zu unser aller Gewinn.