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Ohne Netz und doppelten Boden

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Wenn die Sozialversicherung unterbrochen wird
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Ein Ausnahmefall, könnte man meinen, aber es kommt immer wieder vor: Ein Musiker arbeitet freiberuflich als Interpret, Komponist und Pädagoge und stellt den Aufnahmeantrag bei der Künstlersozialkasse (KSK). So weit, so bekannt. Das Problem ist nur: Aufgrund verschiedener familiärer und beruflicher Ereignisse hat der – zuvor privatversicherte – Mann schon seit Jahren keine Sozialversicherungsbeiträge mehr abgeführt. Was nun?

Vermutlich würde es im oben erwähnten (realen) Fall so verlaufen: Die KSK prüft zunächst die Versicherungspflicht in der Kranken-, Renten- und Pflegeversicherung nach dem Künstlersozialversicherungsgesetz (KSVG). Erzielt der Musiker Einnahmen von mindestens 3.900 Euro pro Jahr, ist er nach dem KSVG versicherungspflichtig. Die KSK meldet den Antragsteller bei der gewählten Krankenkasse an. 

Bei der Krankenkasse fällt natürlich auf, dass vor dem Versicherungsbeginn nach dem KSVG keine Beiträge eingegangen sind. Also prüft die Kasse, ob eine – beitragspflichtige – Versicherungspflicht im Sinne einer „Auffangversicherung“ nachträglich festgestellt wird. Außerdem informiert die KSK wegen der Zeiten vor dem Antragseingang die Deutsche Rentenversicherung (DRV). Diese prüft ihrerseits, ob für die Jahre, für die noch keine Festsetzungsverjährung eingetreten ist, die Pflicht zur gesetzlichen Rentenversicherung besteht. 

Welche Folgen hat das für (Nicht-)Versicherte? Wenn das Arbeitseinkommen aus der selbständigen künstlerischen Tätigkeit über der Minijobgrenze liegt – derzeit 450 Euro pro Monat –, wird die Versicherungspflicht in der Rentenversicherung rückwirkend festgestellt, das heißt Betroffene müssen Beiträge nachzahlen. Und da die Versicherungspflicht seit 2007 auch für Selbständige und Freiberufler gilt, wird außerdem auch die Krankenkasse für die Zeit, für die noch keine Festsetzungsverjährung eingetreten ist, rückwirkend Kranken- und Pflegversicherungsbeiträge erheben.

Damit diese möglichst gering ausfallen, empfiehlt sich in beiden Fällen ein Antrag, die jeweiligen Beiträge auf der Grundlage des tatsächlichen Einkommens zu ermitteln, nicht auf der einer allgemeinen Bemessungsgrundlage. Bei den Krankenkassenbeiträgen gibt es allerdings einen gesetzlich festgelegten Mindestsatz. Seit 2014 wird die Nachzahlung der versäumten Beiträge ermäßigt, wenn das neue Mitglied schriftlich erklärt, für den Zeitraum der Ermäßigung keine Leistungen in Anspruch genommen zu haben und auch nachträglich auf eine Kostenerstattung für Rechnungen zu verzichten.

Um mit der finanziellen Belastung fertig zu werden, kann im Einzelfall beim Grundsicherungsträger (üblicherweise Jobcenter) ein Zuschuss beantragt werden, oder es kann eventuell ein Rückzahlungsmodell mit der betreffenden Krankenkasse ausgehandelt werden. Hierfür sollten Betroffene freilich von sich aus Kontakt mit der Kasse aufnehmen. 

Ein weiterer Punkt, der Beachtung erfordert, ist das Alter: Bis zum vollendeten 55. Lebensjahr ist es grundsätzlich möglich, in die gesetzliche Krankenversicherung aufgenommen zu werden, wenn wie im oben geschilderten Fall die Versicherungsvoraussetzungen nach dem KSVG erfüllt sind. Nach dem 55. Geburtstag ist entscheidend, ob der Antragsteller in den fünf Jahren vor Eintritt der Versicherungspflicht zumindest kurz gesetzlich versichert war. Falls nicht, ist eine Rückkehr in die gesetzliche Versicherung nicht möglich. 

In jedem Fall empfiehlt sich allen noch nicht oder nicht mehr Versicherten: Kontakt zur Kasse aufnehmen und die Versicherungslage angeben, gegebenenfalls Unterstützung suchen oder Bedingungen vereinbaren und so schnell wie möglich den Fragebogen bei der Künstlersozialkasse einreichen.

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