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Private Leistungen unverzichtbar

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Als Beitrag zur öffentlichen musikalischen Bildung
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Der Wildwuchs in der musikalischen Bildung, den wir seit Jahren beklagen, ist nicht zuletzt darauf zurückzuführen, dass dieser Bereich gesetzlich kaum geregelt ist. In nur wenigen Bundesländern gibt es überhaupt eigene Musikschulgesetze. Doch in Nordrhein-Westfalen will man diesen Missstand nun endlich ausräumen, und zwar durch ein Gesetzesvorhaben, das größer kaum sein könnte. Die Landesregierung plant nämlich ein umfassendes „Kulturgesetzbuch“ (KGB), in dem auch endlich die Rolle der Musikschulen geregelt sein soll. Der vom Ministerium vorgelegte Gesetzesentwurf ist den betroffenen Gremien und Verbänden zur Diskussion und Stellungnahme zugeleitet worden, darunter auch dem Landesmusikrat, wo darüber beraten werden soll.

Ohne den weiteren Diskussionen und Stellungnahmen vorgreifen zu wollen, kann es nicht schaden, sich einmal genauer anzusehen, welchen Beitrag die privaten Musiklehrer*innen in NRW zur musikalischen Bildung leisten, zumal der DTKV NRW genau dazu gerade eine kleine Erhebung unternommen hat, die zwar nicht repräsentativ ist, aber doch wichtige Eindrücke vermittelt. Es wurden drei Gymnasien (eines in Essen und zwei in Detmold) und eine Waldorfschule (Essen) ausgewählt, deren Orchesterleiter wir gewinnen konnten, den Fragebogen bei den Orchestermitgliedern zu verteilen. Der Rücklauf lag zwischen 50 und 70 Prozent, wir konnten 168 Bögen auswerten. Daraus ergibt sich folgendes Bild. Fast die Hälfte der Kinder und Jugendlichen erlernen ihr Instrument im Privatunterricht. Je nach Altersgruppe und Schulform variiert der Anteil um +/- 1 bis 2 Prozent, ohne dass sich die Verteilung nennenswert verschiebt. Der relativ hohe Anteil von denjenigen, die zum Zeitpunkt der Abfrage keinen Unterricht erhalten (7%), ergibt sich hauptsächlich in der Altersgruppe der 16- bis 18-Jährigen, deren instrumentale Kompetenzen offensichtlich hinreichend ausgereift sind, um auch ohne Unterricht im Orchester mitwirken zu können.

Das Ergebnis spiegelt nur ein Segment der musikalischen Bildung wider, stellt aber eine wesentliche Ziel­vorgabe von musikalischer Bildung dar, nämlich die Beherrschung des eigenen Instruments, das zur Teilnahme in einem Ensemble oder Orchester befähigt. Nicht zu unterschätzen sind auch die vielfältigen außermusikalischen Effekte: Orchesterarbeit bedeutet emotionale Nähe zur Peergroup durch gemeinsames Musizieren, durch gemeinsame Auftritte, Reisen etcetera, aber auch Disziplin bei der Vorbereitung und bei den Proben. Es kommt im Zusammenwirken auf jeden Einzelnen an, wie er/sie sich einsetzt, wie verlässlich und nervenstark er/sie ist – eine essentielle Erfahrung für Heranwachsende.

Fazit

Es sind zwar nur kleine Stichproben, aber die Ergebnisse decken sich mit unseren Erfahrungen.
Zu diesen Erfahrungen zählt auch der seit langem hohe Anteil von Bundespreisträger*innen bei „Jugend musiziert“, die von Privat­musiklehrer*innen betreut und gefördert werden.

Dagegen werden in der öffentlichen Wahrnehmung wie auch von Seiten der Politik die hervorragenden Leistungen der Privatmusiklehrer*innen und ihr Beitrag zur musikalischen Bildung völlig unterschätzt. Nicht selten wird ihnen der Zugang zu öffentlichen Einrichtungen für Unterricht verwehrt (und den Schülern die wichtigen Auftritte bei Probekonzerten), und selbst die kleinste finanzielle Unterstützung der Kommune bzw. des Landes für notwendige Zusatzleistungen (Konzert- und Wettbewerbsbegleitung, Theorieunterricht) bleibt ihnen versagt.

Warum entscheiden sich aber trotz des größeren finanziellen Aufwandes so viele Eltern dafür, ihre Kinder von Privatmusiklehrer*innen ausbilden zu lassen? Offensichtlich schätzen sie die Förderung auf hohem Niveau, die individuell angepasst und flexibel die Gegebenheiten und Voraussetzungen des/der einzelnen Schülers/Schülerin berücksichtigen und auf sie eingehen kann.

Von daher erscheint es als wenig verständlich (um nicht zu sagen: als fast unerträglich), dass Privatmusiklehrer*innen von den kulturpolitisch Verantwortlichen des Landes und der Kommunen noch immer nicht in die Planung eines musikalischen Gesamtbildungskonzepts einbezogen werden. Dabei wäre dies in Zusammenarbeit mit dem DTKV NRW denkbar einfach. Allein die Mitgliedschaft im DTKV, die nur Hochschulabsolventen vorbehalten ist, darf als Ausweis einer soliden Fachausbildung gelten. Aber auch sonst ist es dem DTKV als Berufsverband für Musiker*innen naturgemäß ein besonderes Anliegen, entsprechende Qualitätsstandards für eine gute Ausbildung des Nachwuchses zu garantieren und dafür auch weitergehende Konzepte zu entwickeln. So wäre es zum Beispiel denkbar, die musikpädagogische Kompetenz der Mitglieder über turnusmäßig nachgewiesene Fortbildungen festzuschreiben. Den Bezirksregierungen könnte auf dieser Grundlage eine Art „DTKV-Gütesiegel“ vorgelegt werden, das zugleich die Voraussetzung für öffentliche Zuschüsse sein könnte.

Durch solche oder ähnliche „Gütesie­gel“ würde das breite Feld der freien und privaten Musiklehrer und -schulen endlich als die unverzichtbare Ergänzung zu den öffentlich geförderten Musikschulen anerkannt, die sie seit langem darstellen. Die Politik bleibt aufgefordert, die Realität unserer vielfältigen musikalischen Bildungslandschaft zur Kenntnis zu nehmen und angemessen darauf zu reagieren. Diese Erwartung gilt umso mehr, als alles, was wir über die aktuellen Überlegungen des Minis­teriums im Zusammenhang mit dem geplanten Kulturgesetzbuch für NRW wissen, genau in die entgegengesetzte Richtung läuft, nämlich in Richtung einer ausschließlichen Förderung der kommunalen Musikschulen, die offenbar zu großen Lernfabriken ausgebaut werden sollen. Nicht, dass wir als DTKV gegen große öffentliche Musikschulen wären – im Gegenteil, wo es eine entsprechende Infrastruktur gibt (wie in städtischen Ballungszentren), erscheinen sie durchaus als sinnvoll. Gleichwohl sollte man auch hier den Beitrag, den die freien und privaten Musiklehrer*innen und -schulen zur musikalischen Bildung leisten, ebenso würdigen und anerkennen. Kulturpolitisches Ziel kann es nur sein, und dies gilt namentlich für den ländlichen Raum, auch dezentrale Angebote mit einer stärker spezifizierten Ausrichtung zu unterstützen. Es geht um nicht weniger als darum, Teilhabe, Gerechtigkeit und Qualität von musikalischer Bildung auf hohem Niveau für alle Kinder und Jugendlichen zu garantieren.

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