CD-Rezensionen
KlangFarben. Matthias Mück improvisiert an der Weimbs-Orgel op. 329 in St. Marien in Delitzsch
Diese CD ist eine Reise in sehr unterschiedliche Epochen, Stilrichtungen, Handschriften berühmter Meister und archetypische Hörerwartungen, voller Spielfreude, Stilsicherheit und Kunstfertigkeit. Keines der Stücke gibt es auf anderen CDs oder als Note, Partitur, Tabulatur. Alle Stücke entstanden im Augenblick der Aufnahme, inspiriert durch die Orgel und den Wunsch, dieses Instrument möglichst umfänglich vorzustellen.
Wege zum Licht. Marita Utlaut, Susanne Sandfort, Luba-Verlag
Die Lyrikerin Marita Utlaut und die Sopranistin Susanne Sandfort verzaubern in dieser CD mit sehr eindringlich vorgetragenen Gedichten zu den Themen „Licht“ und „Leben“ und mit emotional ergreifenden, in die Tiefe gehenden Liedern, die zum Träumen und Nachdenken anregen. „Wer sich zurücklehnt und alles unbedarft auf sich wirken lässt, wird mitgenommen in die weiten Räume der menschlichen Seele. Marita Utlaut versteht es in ihren Texten, die unsichtbaren menschlichen Innenräume auszuleuchten.“ (Die Glocke, Oelde).
Wildes Holz. Astrein, HolzRecords
Mit „Astrein“ legen Wildes Holz ihr wohl bisher abwechslungsreichstes und überraschendstes Album vor. Respektlos, aber mit viel Gefühl bewegen sich die drei Musiker durch Stile und Epochen und verbinden scheinbar weit Entferntes zu einem neuen Sound. Ein Beethoven, der rockt, ein Mozart, der swingt, ein Electronic-Hit, der akustisch neue Tiefe gewinnt – und immer wieder fantasievolle Eigenkompositionen, die faszinierende Stimmungen schaffen. Wildes Holz hat es geschafft, ihre vielgelobte Spielfreude auf eine CD zu packen, die so lebendig klingt, dass man sich nicht satthören kann. Wirklich: astrein!
WAKS. Yiddish Voices. Inge Mandos, Hans-Christian Jaenicke, Klemenz Kaatz, www.waks.info
Jiddische Lieder der 1930er-Jahre, aufgenommen auf Wachswalzen durch die sowjetischen Musikethnologen Sofia Magid und Moishe Beregowski. Die Musiker dieser CD beschlossen, gemeinsam mit diesen Stimmen zu musizieren, allen Widrigkeiten wie Knistern und Rauschen zum Trotz. So singt Inge Mandos mit ihnen im Duett, einfühlsam begleitet von Jaenicke und Kaatz in originellen Arrangements, die von tiefem Respekt vor diesen Tondokumenten zeugen. Ein bewegendes Hörerlebnis, das eine Brücke zwischen Gestern und Heute schafft.
Irish Songs. Charles Villiers Stanford. Maria Tölle, Daniel Gerlach, MUSICOM 021021
Villiers Stanfort war einer der Pioniere bei der Erneuerung der englischen Musik im 19. Jahrhundert; zu seinen Schülern zählten Holst und Vaughan Williams. Die aus Irland stammende Konzert- und Oratoriumsängerin Maria Tölle trägt, einfühlsam begleitet von Daniel Gerlach, die irischen Lieder mit klarer, schlichter, aber umso eindringlicher wirkender Stimme vor. Nicht nur für Anglophile eine wichtige Neuausgrabung.
Shabbat, Hebrew Songs. Waltraud Rennebaum & Ensemble Shoshan, shoshanim Sho-049
Diese CD stellt einige der eingängigsten Melodien der jüdischen Shabbatliturgie zusammen. Das Ergebnis ist eine reizvolle Verquickung von europäischer Kammermusik und jüdischer Folklore. Waltraud Rennebaum vermittelt mit ihrem angenehm warm timbrierten Mezzosopran einen ungekünstelten Herzenston. Die Instrumentalisten werden auch in virtuoser Hinsicht gefordert, wobei hier insbesondere die Flötistin Heike Zehe und der Klarinettist Florent Héau wirkungsvoll hervortreten.
Der Augenblick ist mein. Lieder von Thilo von Westernhagen. Monika von Westernhagen, Oliver Vogt, Warnfried Altmann, hortus.musicus@gmx. de
Thilo von Westernhagen (1950–2014) war Komponist und Jazzpianist. Bekannt wurde er für seine Filmmusiken zu den „Schimanski-Tatorten“. Doch er schuf auch Opern, Oratorien und zahlreiche Lieder für seine Frau, die Sängerin Monika von Westernhagen. Sie stellt mit wandlungsreichem Timbre und fesselnder Gestaltung, eingebettet in den jazzigen Sound von Klavier und Saxophon Vertonungen von Gedichten Blakes, Rosettis, Hebbels oder Gryphius‘ vor.
Back to Yourself. Christian Elin, Anna D‘Errico, Sebastian Hausl, Bastian Jütte, Wolfram Oettl, www.christianelin. de
Auf dieser CD des Augsburger Saxophonisten Christan Elin sind Weltersteinspielungen zu hören, unter anderem von Hamel, Stefan Nerf, Minas Borboudakis, Elin und Enjott Schneider. Das Spektrum reicht von Jazz, asiatischer Musik, Filmmusik bis zu spätmittelalterlicher Musik.
Herzschmerz. Lüpertzlieder. Stefanie Schlesinger, Wolfgang Lackerschmid, HGBS 20044 CD, 20044 LP
Herzschmerz. Das sind Grenzüberschreitungen und spannungsvolle Nähe zwischen Wort und Musik. Markus Lüpertz hat sich als „Malerfürst“ längst einen Namen über die Kunstszene hinaus gemacht. Elf seiner Gedichte wurden musikalisch umgesetzt und bewegend interpretiert von der Sängerin Stefanie Schlesinger und dem Vibraphonisten Wolfgang Lackerschmid. Texte, die Fragen nach dem Sinn des Lebens und viel mehr stellen, werden zu groovigen Jazzsongs, feinsinnigen Balladen, poetischen Kunstliedern oder humorvollen Couplets.
Spanische Impressionen. Carolin Danner, Animato ACD6141
Musik aus Spanien oder mit spanischem Kolorit von Domenico Scarlatti, Debussy, Ravel, de Falla, Granados bis hin zu Albéniz und José Zárate spielt Carolin Danner mit ausgefeilter Technik, feurigem Temperament und Sinn für Klangfarben. Der Komponist Zárate zeigte sich über ihr Spiel begeistert: „Eine emotionale Interpretation mit sehr persönlichen Nuancen und mit viel Leidenschaft.“
Abendrot. Uli Gutscher Quintett, Mons Records, MR 874 574 (2015)
„Eigentlich ist dieses Album längst überfällig“, sagt der Jazzposaunist, Pianist, Komponist und Arrangeur Uli Gutscher. Und Recht hat er! Das erste Album ist längst vergriffen, und die neue Scheibe „Abendrot“ mit Gutschers langjährigen Musikerfreunden Werner Acker (Gitarre), Tilman Jäger (Piano), Thomas Krisch (Kontrabass) und Herbert Wachter (Schlagzeug) lässt keine Wünsche offen: klasse Jazz mit klasse Musikern – allen voran Gutscher selbst, dessen Posaune betörend schön tönt. Hören und genießen!
long clarinets – short stories? Katharina Bohlen, Reinald Noisten, Claudius Reimann, Creative Sources Recordings cs 317
„Eine Bassklarinette klingt gut – drei klingen besser“, dachte sich Katharina Bohlen. Und so holte sich die Folkwang- Preisträgerin mit dem renommierten Klezmer-Interpreten Reinald Noisten und dem weithin bekannten Improvisationsmusiker Claudius Reimann zwei sehr unterschiedliche Bassklarinettisten dazu. Gemeinsam erzählt das Trio kurze Geschichten mit hörbarem Tiefgang.
Stille Nacht. Hanno Gräßer, Rüdiger Gies, www.hannograesser.de
Hanno Gräßer (Violine) und Rüdiger Gies (Gitarre) sind neben ihrer klassischen Musikhochschulausbildung ebenso im Folk und Swing zu Hause. So wechseln sich auf ihrer ersten gemeinsamen CD eigene Bearbeitungen festlicher klassischer Musiktitel mit sehr individuell gefärbten Interpretationen von Weihnachtsliedern und Weihnachtsmusik ab. Ihr ruhiges und doch leidenschaftliches Zusammenspiel soll das neugierige Kind in uns wieder erwecken und weihnachtliche Erinnerungen und Gefühle neu vermitteln.
Color Jam. Lia Reyna + Band, www.lia-reyna.com
Sängerin, Pianistin, Komponistin und Texterin Verena Köder alias Lia Reyna veröffentlicht ihr zweites Album: „Color Jam“. Die vielschichtige, ansprechende Produktion enthält 13 Titel in einem Stilmix aus Indie Pop, Funk und Soul. Über brillante Arrangements der Band-Besetzung Gesang, Klavier, EGitarre, Violine, Synthies, Bass und Schlagzeug hinaus enthält das Album Bläsersätze, elektronische Verfremdungen, Body-Percussion und gesampelte Spieluhren.
seraph. Christina Meißner, Poul Skjølstrup Larsen, Reinhold Seeliger. Querstand, DDD, 2013
Diese CD vereinigt sakrale Musik für Violoncello und Orgel von vier Komponisten aus Israel, Korea, Deutschland und Schweden: Chaya Czernowin, Younghi Pagh-Paan, René Mense und Lisa Streich. Die Titel „Gradual Edge“, „Augenblicke – Gebet“, „Fantasie und Variationen“ und „Seraph“ weisen auf sehr unterschiedliche Aspekte des Sakralen hin. Sie sind zwischen 2013 und 2016 auf Anregung der Cellistin Christina Meißner entstanden und wurden an der Orgel der Peterskirche in Görlitz eingespielt. Zeitgenössische Musik klingt hier klangfarbenreich, meditativ und neue Hörwelten eröffnend.
Points of Contact. Splendid Brass. Are Musik-Verlag Are 7021
Freunde zeitgenössischer Blechbläsermusik begegnen in dieser CD Werken, die humorvoll, ironisch, bildhaft den Blechbläserklang neu und doch auch traditionsverbunden einsetzen. Gerhard Fischer-Münster lädt zu „Drei Na-Touren“ ein, darunter ein „Klettersteig“, in Mike Schönmehls „Points of Contact“ erklingt ein „Orient Blues“, Johannes Matthias Michel lässt die Blechbläser „Vom Wein“ erzählen und Martin Bärenz komponiert augenzwinkernd „Fuge und 5 Variationen über ein heißes Thema“, nämlich den Kaffee. Ein Hörvergnügen.
Louis Spohr: Flötensonaten. Elisabeth Möst, Ieuan Jones, Naxos 8.572269D
Die Sonaten für Harfe und ein Melodieinstrument von Louis Spohr sind Teil eines hochinteressanten, romantischen Kammermusik-Repertoires. Spohr schrieb sie in erster Linie für „sein“ Instrument, die Violine, fügte aber ausdrücklich die Möglichkeit der Aufführung mit einem Blasinstrument hinzu. Das hat er so richtig erkannt, als hätte er die virtuosen und zugleich zart tönenden Flötenperlen und die beseelte Interpretation von Elisabeth Möst schon „im Ohr“ gehabt. Technik und Emotion gehen bei ihr eine wunderbare Synthese ein. Dasselbe gilt es von dem englischen Harfenisten Ieuan Jones zu sagen, der mit Elisabeth Möst künstlerisch ideal korrespondiert.
Werke aus dem Manuskriptearchiv des DTKV. Musikwerkstatt Siegburg, www. siegburg.de
Der Deutsche Tonkünstlerverband bietet Komponisten die Möglichkeit, ihre Werke ins Manuskriptearchiv zu geben, das diese in einem umfangreichen Katalog anbietet, der auch im Internet zugänglich ist. Es gibt auch CDs mit Werken aus dem Manuskriptearchiv, in denen sich ganz erstaunliche Musik entdecken lässt, wie etwa die klanglich und melodisch sehr eindringlich gestaltete Messe in C von Ursula Keusen- Nickel, Waldram Hollfelders „Silhouetten“ für zwölf Saxophone oder Helmut Bielers Duo für Altsaxophon solo. Die Musikwerkstatt Siegburg vereinigt hochkarätige und für Neue Musik engagierte Musiker, die sich dafür einsetzen, dass das Manuskriptearchiv zu lebendigem Klang wird.